Bildung

Anträge zu Bildung und Digi­talisierung abgestimmt

Die Themen Bildung, Innovation und Digitalisierung standen am Donnerstag, 17. September 2020, im Blickpunkt einer Debatte im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche im Bundestag. Insgesamt 15 Anträge wurden beraten, überwiesen oder abgestimmt.

FDP stellt Bildungspolitik schlechtes Zeugnis aus

Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP) stellte der „Bildungsrepublik Deutschland“ als erster Redner der Debatte ein schlechtes Zeugnis aus. 6,2 Millionen Menschen in Deutschland seien Analphabeten, die Ergebnisse deutscher Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften seien fast so schlecht „wie beim letzten Pisa-Schock“. Insbesondere in Sachen digitale Bildung erhalte Deutschland von Experten schlechte Noten, empörte sich Sattelberger: „Das ist mangelhaft!“

Ob Fortbildung für Lehrer oder eine „Entbürokratisierung des Digitalpakts“ – Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) müsse endlich handeln, forderte der Liberale: „Sonst wird Deutschland in diese Legislaturperiode nicht mehr zukunftsfit.“

Ministerin: Große Koalition hat massiv investiert

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey (SPD) hielt dagegen, wie kaum eine andere Bundesregierung zuvor investiere die aktuelle Große Koalition in die Bildung. Ob das Gute-Kita-Gesetz, Investitionen in Digitalisierung und den Ausbau von Ganztagsschulen: „Ich bin zuversichtlich, dass wir die richtigen Weichen stellen“, sagte Giffey.

Weitere Reformen seien auf dem Weg: „Wir arbeiten intensiv an einem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung.“ Auch bei der Digitalisierung von Familienleistungen komme ihr Haus voran, noch in diesem Jahr starte ein Pilotverfahren: „Namensbestimmung, Antrag auf Elterngeld und Kindergeld können bald in einem digitalen Kombi-Antrag beantragt werden.“

AfD kritisiert IT-Modernisierung des Bundes

Joana Cotar (AfD) warf der Bundesregierung jedoch vor, „das digitale Megaprojekt“, die IT-Modernisierung des Bundes und seiner 180 Ministerien und Behörden vor die Wand zu fahren. „Fünf Jahre haben Sie in die IT-Konsolidierung bereits gesteckt, 3,4 Milliarden Euro sind eingeplant.“ Trotzdem hätten die meisten Ämter noch gar nicht mit der Arbeit begonnen, kritisierte die Abgeordnete.

Noch schlimmer: Das Upgrade für das Betriebssystem laufe nicht rund, das Vorhaben stehe vor dem Scheitern, zitierte Cotar Medienberichte. „Das ist eine totale Bankrotterklärung.“ Die Bundesregierung wolle zwar zeigen, „wie sehr sie sich um die Zukunft kümmert und für wie wichtig sie die Digitalisierung hält“. Aber genau das Gegenteil sei der Fall: „Sie kriegen es nicht hin.“

Linke: Es muss mehr getan werden

Kritik gab es auch von der Fraktion Die Linke: Wenn die Bundesregierung wirklich „gerechtere Chancen“ bieten und „Wissen für morgen“ ermöglichen wolle, müsse sie „mehr tun“, betonte Dr. Petra Sitte, forschungs- und technologiepolitische Sprecherin. Sie forderte insbesondere Investitionen in Bereiche, die grundlegend für die demokratische Gesellschaft seien: Bildung, Wissenschaft, Forschung – aber auch Kunst, Gesundheit, Pflege und öffentliche Infrastruktur.

Wer mit „strategischen Impulsen“ Gesellschaft und Wirtschaft „nachhaltig, umweltverträglich und sozial“ gestalten wolle, der müsse politischen Willen beweisen, mahnte Sitte. Dieser aber fehle der Bundesregierung schon bei der Umsetzung ihrer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie.

Grüne wollen Investitionen in E-Mobilität

Ähnlich harsch fiel auch das Urteil von Dr. Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) aus: Die Bundesregierung agiere gerade bei der Förderung klimaneutraler Technologien zu wenig zielgerichtet, so ihre Kritik. „Priorität für Klimaschutz sieht anders aus!“ Es brauche ab sofort eine konsequentere Ausrichtung der Innovationsförderung auf globale Nachhaltigkeitsziele, forderte die Grüne.

Ein zukunftsfähiger Mobilitätsstandort zum Beispiel erfordere steigende Investitionen in E-Mobilität und die entsprechende Forschung dazu. „Im Ministerium sinken aber die Ausgaben!“

Regierung verweist auf Investitionen von 60 Milliarden Euro

Dr. Michael Meister (CDU/CSU), Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, entgegnete solchen Vorwürfen mit dem Verweis auf aktuelle Investitionen.

Das Corona-Paket sei durch ein „ambitioniertes Zukunftspaket“ ergänzt worden, um „Wirtschaft und Gesellschaft dauerhaft erneuern – und zwar strukturell und über einen konjunkturellen Impuls hinaus.“ 60 Milliarden Euro investiere die Bundesregierung in die Förderung von Bildung, Forschung und Zukunftstechnologien. 

CDU/CSU: Nachhaltigkeitsziele geben politischen Weg vor

Sybille Benning (CDU/CSU), stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, hatte zuvor betont, die 17 Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Agenda gäben den Weg für das politische Handeln vor.

Investitionen in Bildung und Forschung seien besonders wichtig, denn sie hätten das Potenzial, jedes einzelne der 17 Ziele zu fördern.

Überweisung verschiedener Vorlagen

Erstmals auf der Tagesordnung stand ein Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Bildung, Innovation und Digitalisierung – zentrale Bausteine für eine nachhaltige Entwicklung“ (19/22507). Ebenfalls erstmals beraten wurde ein Antrag der AfD-Fraktion mit der Forderung, einen Campus zu Künstlicher Intelligenz als Leuchtturmprojekt  zu gründen (19/20762). Beide Anträge wurden zur federführenden Beratung an den Bildungs- und Forschungsausschuss überwiesen.

Vorgelegt hat die AfD zudem Anträge zur Einrichtung eins Digitalministeriums (19/22453), zu Echtzeitfahrgastinformationen des öffentlichen Personennahverkehrs (19/22436), zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung (19/22452) und zur nachhaltigen Aufwertung des Schulwesens (19/22456). Der letztgenannte Antrag wird federführend im Bildungsausschuss beraten. Der Antrag zum ÖPNV wurde zur federführenden Beratung an den Verkehrsausschuss überwiesen. Die Anträge zum Digitalministerium und zur Künstlichen Intelligenz sind zur federführenden Beratung an den Innenausschuss überwiesen worden.

Weitere Anträge der Fraktionen

Außerdem wurden erstmals zwei Anträge der FDP debattiert: „Bildungsrepublik 2.0 – Für eine nachhaltige Gestaltung der gesamten Bildungskette“ (19/22472) heißt der erste, „Von der Biologie zur Innovation – Von der Innovation zum Produkt“ der zweite Antrag der FDP (19/19882). Beide Vorlagen werden im Bildungs- und Forschungsausschuss weiterberaten.

Abgelehnt mit der Mehrheit von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung von Grünen und Die Linke wurde ein dritter Antrag (19/17448 neu) der Liberalen, der fordert, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um den Papierverbrauch zu reduzieren und die Umwelt zu schonen. Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses (19/22585) vor. Abgelehnt mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen wurden weitere FDP-Anträge: Im ersten hat die Fraktion gefordert, die Ökologie digital zu gestalten (19/17097). Im zweiten hat die Fraktion gefordert, den Weg aus der Rezession in eine klimaneutrale Zukunft (19/19510) zu gehen. In beiden Fällen lagen Beschlussempfehlungen des Umweltausschusses (19/18581; 19/22604) vor.

Abgelehnt wurde zudem ein weiterer FDP-Antrag bei Zustimmung durch die AfD mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen mit der Überschrift „Programm zur Beschleunigung der Digitalisierung in Deutschland“ (19/2991), zu dem eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/4777 Buchstabe a) vorlag, sowie zwei Anträge der Grünen: Mit dem ersten Antrag hat sich die Fraktion dafür eingesetzt, Digitalisierung ökologisch zu gestalten (19/15804). Diese Vorlage fand nur Zustimmung bei der Linksfraktion. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/22345 Buchstabe b) zugrunde.

In einem zweiten Antrag hatten die Grünen gefordert, mit Innovationen gesellschaftliche Herausforderungen anzupacken (19/16800). Die Vorlage fand keine Mehrheit bei Zustimmung der Linksfraktion und Enthaltung der FDP. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (19/22475) zugrunde. Ein neu aufgesetzter Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Engagement gefragt – Implementierung und Weiterentwicklung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland ab 2020“ (19/17796) wurde zur federführenden Beratung an den Bildungs- und Forschungsausschuss überwiesen. 

FDP will Biotech-Gründungsfreiheit

In einem abgelehnten Antrag (19/19882) forderte die FDP-Fraktion die Bundesregierung auf, sich für eine dreijährige Biotech-Gründungsfreiheit einzusetzen, um die Biotechnologie zu fördern. Nach Ansicht der Abgeordneten ist politisches Handeln angesichts ausbleibender Börsengänge an deutschen Handelsplätzen, einem im internationalen Vergleich wenig dynamischen Investitionsumfeld und einem zu kleinen Markt für Venture-Capital (VC) mehr als überfällig. Die FDP-Fraktion trat dafür ein, alle bürokratischen Prozesse zur Firmengründung auf ihre Potenziale für Vereinfachung zu überprüfen; Gründerinnen und Gründer sollten nicht mit Dopplungen von Arbeitsschritten im Zulassungsprozess belastet werden.

Die Abgeordneten unterstrichen, dass sich gerade in der Corona-Krise die Relevanz der Förderung von Biotechnologie gezeigt habe. Sie erinnerten an die Berichte über technologische Durchbrüche bei der Entwicklung von Schnelltests oder Impfstoffkandidaten in deutschen Firmen wie der Mainzer Firma BioNTech. Meldungen darüber, dass US-Präsident Donald Trump sich einen Impfstoff der Firma Curevac, in die der Bund laut Medienberichten nun 300 Millionen Euro investieren will, exklusiv für die USA hätte sichern wollen, hätten in Deutschland berechtigterweise Empörung ausgelöst. Gleichwohl zeige sich international aber ein anderes Bild: Nur wenige deutsche Firmen hätten bislang an Impfstoffen mitgeforscht. Ziel müsse sein, den Forschungs- und Innovationsstandort Europa mit dem „Innovationsmotor Deutschland“ so wettbewerbsfähig zu machen, dass mehr Firmen auf internationalem Niveau mitspielen können, die Gründung schnell und leicht erfolgen kann und eine Abwanderung in andere Länder unattraktiv ist.

FDP will Digitalisierung beschleunigen

Die FDP-Fraktion forderte ein Programm zur Beschleunigung der Digitalisierung in Deutschland. In einem abgelehnten Antrag (19/2991) ging es um die Aufwertung des Ausschusses Digitale Agenda sowie die Einrichtung eines Digitalisierungsministeriums. In der Begründung des Antrags heißt es unter anderem: „Das Kompetenzchaos in der Regierung darf nicht länger durch Nichtzuständigkeit im Parlament widergespiegelt werden.“ Der Ausschuss Digitale Agenda müsse daher Federführung für Überweisungen, Initiativen und Reformen erhalten.

Darüber hinaus forderte die Fraktion, ein Digitalisierungsministerium einzurichten, das alle Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich Digitalisierung bündeln solle. Diese sei seit geraumer Zeit eine Querschnittsaufgabe. Ein Ministerium „kann dementsprechend nicht nur Antreiber, sondern auch Vordenker der Digitalisierung sein“, so die Fraktion.

Grüne wollten mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen trat in einem Antrag (19/17796) für mehr Engagement bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Deutschland ab 2020 ein. Die Abgeordneten forderten, dass die 2017 beschlossenen Maßnahmen des Nationalen Aktionsplan für BNE zügig und vollumfänglich umgesetzt werden und dafür die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Das sollte insbesondere bei der Stärkung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen, bei der Stärkung der frühkindlichen, schulischen, beruflichen, akademischen formalen, non-formalen und informellen Bildung sowie in der Erwachsenenbildung gelten, um verstärkt jetzige und zukünftige Generationen zu nachhaltigem Handeln zu befähigen.

Ferner sollte Stärkung der beruflichen Bildung durch Intensivierung der Modellversuche des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BiBB) bei der Verankerung von BNE in laufenden und zukünftigen Ordnungsverfahren und bei weiteren curricularen Umsetzungen gestärkt werden. Ferner sollten Inhalte des Nationalen Aktionsprogramms mit der Agenda 2030 verknüpft und hierbei die Zusammenarbeit und die Zielsetzungen mit anderen Staaten, vor allem in Europa, gestärkt werden. Ferner sollte der Grundgedanke der Bildung für nachhaltige Entwicklung einer nachhaltigeren Ausgestaltung der Bildungsinstitutionen zugrunde gelegt werden, nach dem Bildung für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ungeachtet ihres sozioökonomischen Hintergrunds, ihres Geschlechts oder anderer Faktoren inklusiv zugänglich sein soll. Die Zahl der Schul-, Ausbildungs- und Studienabbrüche sollte weiter reduziert werden. 

Grüne für ökologische Digitalisierung

Die Grünen forderten eine Abstimmung der Digitalpolitik mit ökologischen Zielen. Richtschnur müssten die international vereinbarten Klima- und Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sein, erklärten die Abgeordneten in einem abgelehnten Antrag (19/15804). Kernpunkte seien eine Reduktion des Stromverbrauchs der öffentlichen IT und vor allem in den Rechenzentren von Bundeseinrichtungen, eine Überarbeitung diverser Digitalisierungsstrategien mit Blick auf Klima- und Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung sowie ein Fokus auf energiesparsame Anwendungen im Bereich Künstliche Intelligenz. Auch bei Ausschreibungen und Beschaffungsrichtlinien müssten Energie- und Ressourcenverbrauch stärker ins Gewicht fallen, heißt es weiter.

Die Abgeordneten begründeten ihren Vorstoß mit der Schlüsselrolle, die digitalen Technologien beim Kampf gegen den Klimawandel zukomme. „Die Digitalisierung als Nachhaltigkeitsmotor auszugestalten, ist eine Chance für Deutschland und Europa, im digitalen Wettbewerb wieder aufzuschließen und Vorsprünge zu erarbeiten, denn hier werden enorme Potenziale bisher liegen gelassen – und zwar weltweit.“

Grüne: Forschungsergebnisse schneller in die Praxis 

Bündnis 90/Die Grünen forderten in einem weiteren abgelehnten Antrag (19/16800), Forschungsergebnisse mehr und schneller vom Labor in die Praxis zu bringen. Die Abgeordneten setzten sich für mehr regionale Innovationsökosysteme und mehr Ausgründungen aus der Wissenschaft ein und fordern, das Augenmerk stärker auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu lenken. Forschungsergebnisse, etwa aus den Themenfeldern Klimakrise, wachsende Ressourcenknappheit und neue Gesundheitsgefahren, müssten schneller umgesetzt werden können.

Dazu sollte laut Antrag Innovationsförderung gemeinsam mit der Gesellschaft gestaltet werden und an den großen gesellschaftlichen Herausforderungen ausgerichtet werden. Unter anderem sollte die Förderpolitik der Agentur für Sprunginnovation und anderer Vorhaben zur Innovationsförderung enger mit den globalen Nachhaltigkeitszielen verzahnt werden, es sollten neue gesellschaftliche Mitgestaltungsmöglichkeiten in Wissenschaft und Forschung ermöglicht, die Zivilgesellschaft im Hightech-Forum der Hightech-Strategie gestärkt werden. Die Strategie solle klarer nach Prioritäten und konkreten Maßnahmenpaketen im Bereich der großen gesellschaftlichen Herausforderungen strukturiert werden, forderten die Grünen. (rol/lbr/pez/sas/16.09.2020)

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