Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne vorherige abschließende Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 17.  September 2020, über folgende Vorlagen abgestimmt:

Wissenschaftskommunikation I: Die Abgeordneten haben einen Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zur Stärkung der Wissenschaftskommunikation (19/16044) angenommen. Demnach soll die Wissenschaftskommunikation einer breiten Öffentlichkeit die Ergebnisse von Forschung, ihre praktische Anwendung, wissenschaftliche Fragestellungen und Methoden vermitteln und vor allem aufklären. Deshalb soll unter anderem der Wissenschaftsrat dabei unterstützt werden, Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation an Hochschulen und Forschungseinrichtungen auszuarbeiten. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat dazu eine Beschlussempfehlung (19/22174) vorgelegt. Die AfD stimmte dagegen, FDP, Linke und Grüne enthielten sich.

Wissenschaftssprache: Die Abgeordneten haben einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Framing der Wissenschaftskommunikation für gesellschaftspolitische Ziele im Namen der Wissenschaftsfreiheit verhindern (keine Instrumentalisierung der Wissenschaftskommunikation)“ (19/19524) abgelehnt. Die AfD forderte, das Grundsatzpapier des Bildungs- und Forschungsministeriums aufgrund der darin enthaltenen „Gefahr einer Instrumentalisierung der Wissenschaftskommunikation für gesellschaftspolitische Ziele“ und weitere geplante Maßnahmen, die im Zusammenhang mit diesem Grundsatzpapier stehen oder auf der Basis dieses Papiers geplant sind, als verfehlt und in der Sache als nichtig zu erklären. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat eine Beschlussempfehlung (19/22174) vorgelegt. Alle anderen Fraktionen stimmten gegen den Antrag.

Wissenschaftskommunikation II: Der Bundestag hat die Forderung der AfD-Fraktion zurückgewiesen, Deutsch als Wissenschaftssprache zu stärken (19/16053). Die Fraktion kritisiert, dass die Sprache in der Wissenschaft immer mehr an Bedeutung verliere. Laut Antrag sollte in enger Abstimmung mit sprach- und wissenschaftssprachpflegerischen Institutionen in Deutschland sowie den Kultusministerien der Länder ein nationaler Aktionsplan zum Erhalt, zur Stärkung und Pflege der Wissenschaftssprache Deutsch entwickelt werden. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat dazu eine Beschlussempfehlung (19/22174) vorgelegt. Alle anderen Fraktionen stimmten gegen den Antrag.

Wissenschaftskommunikation III: Die Abgeordneten haben einen Antrag der FDP-Fraktion (19/17517) abgelehnt, der die Bürger stärker in die Kommunikation über Wissenschaft und ihre Entwicklungen einbeziehen soll. Es sollten mehr als bisher diejenigen Menschen erreicht werden, die sich nicht ständig und unmittelbar mit Wissenschaft beschäftigen. Ein besonderes Augenmerk sollte darauf gelegt werden, was die Bürger angesichts der Informationen über wissenschaftliche und technologische Entwicklung bewegt, beunruhigt oder was sie gar an den Botschaften zweifeln lässt. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat dazu eine Beschlussempfehlung (19/22174) vorgelegt. Die Koalitionsfraktionen und die AfD stimmten dagegen, die Linksfraktion un die Grünen enthielten sich.

Wissenschaftskommunikation IV: Das Parlament stimmte gegen einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/20041), der die Wissenschaftskommunikation und den Wissenschaftsjournalismus stärken sollte. Dazu sollte ein neues Forschungsprogramm „Wissenschaftskommunikation“ im Bundesbildungs- und Forschungsministerium (BMBF) eingerichtet und es sollten vor allem Projekte auf dem Gebiet der Qualitätsindikatorik und Wirksamkeitsmessung von Wissenschaftskommunikation sowie der Entstehung, dem Ausmaß und Umgang mit Desinformation gefördert werden. Vom Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung lag dazu eine Beschlussempfehlung (19/22174) vor. Die Linke stimmte mit den Grünen für den Antrag, die FDP enthielt sich. Die Koalitionsfraktionen und die AfD lehnten ihn ab.

Linksextremismus: Der Bundestag hat die Forderung der AfD-Fraktion für ein verstärktes Vorgehen gegen Linksextremismus zum Schutz der Demokratie abgelehnt. In einem Antrag (19/7040) forderte die Fraktion die Bundesregierung auf, gegen gewaltbereite linksextremistische Bündnisse, Vereine und sonstige Organisationen, die unter dem Deckmantel des Vereins- und Demonstrationsrechts offensichtlich organisiert regelmäßig Straftaten gegen den Staat, seine Einrichtungen sowie seine Repräsentanten oder Dritte verüben oder zu solchen aufrufen, nachhaltiger und konsequenter mit erhöhtem Personal- und Mitteleinsatz vorzugehen. Der Ausschuss für Inneres und Heimat hat dazu eine Beschlussempfehlung (19/9740) vorgelegt. Alle übrigen Fraktionen stimmten gegen den Antrag. 

Führerschein: Der Bundestag hat die Forderungen der AfD-Fraktion und der FDP-Fraktion zur Rückkehr zur alten Bußgeldkatalog-Verordnung abgelehnt. In einem Antrag der AfD (19/19157) wurde die Bundesregierung aufgefordert, die Bestimmungen des Artikels 3 der 54. Verordnung zur Änderung der Bußgeld-Katalog-Verordnung vom 20. April 2020 außer Kraft zu setzen. Ausgenommen von dieser Forderung seien jene Teile,  die sich auf das innerörtliche Rechtsabbiegen von Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen an Stellen, an denen mit Rad- und Fußgängerverkehr gerechnet werden muss, sowie auf die unerlaubte Nutzung einer Rettungsgasse beziehen. Alle übrigen Fraktionen stimmten gegen den Antrag. In einem weiteren abgelehnten Antrag forderte die FDP-Fraktion (19/19128), die im Zuge der Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft getretenen Strafverschärfungen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen gemeinsam mit dem Bundesrat zurückzunehmen. Die neuen Sanktionen für zu hohe Geschwindigkeit stellten eine echte Führerscheinfalle dar. Schon bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 21 km/h innerorts beziehungsweise 26 km/h außerorts drohe sofort ein Fahrverbot von einem Monat. Vormals habe diese schwere Sanktion erst bei 26 km/h und auch nur bei Wiederholungstätern gegriffen. Die AfD enthielt sich zu dem Antrag, die Koalitionsfraktionen, die Linksfraktion und die Grünen lehnten ihn ab. Der Verkehrsausschuss hat dazu eine Beschlussempfehlung vorgelegt (19/22584).

Geschäftsordnung des Bundestages: Das Plenum hat einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (19/22397) gegen die Stimmen der AfD zugestimmt. Dabei geht es um eine Verlängerung der Regelung zur besonderen Anwendung der Geschäftsordnung aufgrund der allgemeinen Beeinträchtigung durch Covid-19 (Paragraf 126a der Geschäftsordnung) um drei Monate, und zwar von Ende September 2020 bis Ende Dezember 2020.

Plastikprodukte: Das Inverkehrbringen bestimmter Einwegkunststoffprodukte wie etwa Besteck oder Wattestäbchen wird ab Mitte nächsten Jahres verboten. Gleiches gilt für sämtliche Produkte aus oxo-abbaubarem Kunststoff. Der Bundestag stimmte einem Verordnungsentwurf der Bundesregierung zu Artikel 5 der EU-Richtlinie 2019 / 904 zum Umgang mit Einwegkunststoffen zu (19/20349. Die Koalitionsfraktionen und die Grünen stimmten dafür, die AfD und die FDP dagegen, die Linksfraktion enthielt sich. Der Abstimmung lag eine Unterrichtung (19/20806 Nr. 2.1) sowie eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses (19/22577) zugrunde.

Altfahrzeuge: Der Bundestag stimmte einer Änderung der Altfahrzeug-Verordnung zu. Im Regierungsentwurf der dritten Verordnung zur Änderung der Altfahrzeug-Verordnung  (19/20350) verweist die Bundesregierung auf neue EU-Vorgaben an das Regime der erweiterten Herstellerverantwortung. Diese ergeben sich aus der EU-Richtlinie 2018 / 815. Laut Entwurf werden die Vorgaben, die nicht bereits durch bestehendes Recht umgesetzt sind, eins zu eins in nationales Recht überführt. Die Koalitionsfraktionen, die FDP und die Linksfraktion stimmten dafür, die AfD votierte dagegen. Die Grünen enthielten sich. Der Abstimmung lag eine Unterrichtung (19/20806 Nr. 2.2) sowie eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses zugrunde (19/22576).

Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag stimmte über Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen ab, die beim Bundestag eingegangen waren und vom Petitionsausschuss beraten wurden. Es handelt sich um die Sammelübersichten 600 bis 616 (19/22221, 19/22222, 19/22223, 19/22224, 19/22225, 19/22226, 19/22227, 19/22228, 19/22229, 19/22230, 19/22231, 19/22232, 19/22233, 19/22234, 19/22235, 19/22236, 19/22237).

Petent: Tierversuchsfreie Forschung stärker fördern 

Darunter befindet sich auch eine öffentliche Petition mit der Forderung, tierversuchsfreie Forschung finanziell und behördlich stärker zu fördern als Forschung mithilfe von Tierversuchen. Derzeit, so schreibt die Petentin in der Begründung, würden Tierversuche in Deutschland mit Unsummen finanziell gefördert. Aus diesem Grund sei es für viele Laboratorien im Versuchstier-Sektor nicht lukrativ, auf eine tierversuchsfreie Forschung umzuschwenken. Um dies zu ändern, muss aus Sicht der Petentin die tierversuchsfreie Forschung eine größere finanzielle Unterstützung erfahren.

„Tierversuche nur, wenn andere Methoden unmöglich“

Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 9. September 2020 verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Bildung und Forschung zu überweisen. In der Begründung verweisen die Abgeordneten darauf, dass Tierversuche in Deutschland nur durchgeführt werden dürfen, „soweit sie zu einem im Tierschutzgesetz genannten Zweck unerlässlich sind“.

Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, sei nicht nur der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde zu legen, sondern auch zu prüfen, ob der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann.

Ministerium: Tierversuche nicht vollständig ersetzbar

Dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sei es ein großes Anliegen, die Zahl der Tierversuche für wissenschaftliche Zwecke „so weit wie möglich zu reduzieren“, wird mitgeteilt. Um dies zu erreichen, unterstütze das Ministerium bereits seit 1980 Wissenschaftler, die darauf spezialisiert sind, Methoden zum Ersatz von Tierversuchen zu entwickeln. Dennoch könnten Tierversuche derzeit nicht vollständig ersetzt werden, heißt es in der Beschlussempfehlung.

Dies liegt nach Aussage des Ministeriums daran, dass die bislang entwickelten Ersatzmethoden noch nicht in der Lage seien, „das komplexe Zusammenspiel aller Teile des lebenden Körpers hinreichend nachzuahmen“. Dies sei jedoch von entscheidender Bedeutung, um die Wirkungsweise oder Toxizität eines Arzneimittels oder einer Chemikalie auf den menschlichen Körper zu erforschen.

Der Petitionsausschuss vermag vor diesem Hintergrund nachzuvollziehen, dass ein vollständiger Verzicht auf Tierversuche ohne erhebliche Nachteile für den wissenschaftlichen Fortschritt und die medizinische Versorgung „bis auf Weiteres nicht denkbar ist“, schreiben die Abgeordneten. Gleichwohl unterstütze er das Anliegen der Petentin nach einer stärkeren finanziellen Förderung der tierversuchsfreien Forschung.

(eis/hau/ste/17.09.2020)