Linke und Grüne machen Cum/Ex-Steuerskandal erneut zum Thema
Klare Fronten zwischen Koalition und Opposition bestimmten am Mittwoch, 29. Januar 2020, die Debatte über den wohl größten Steuerskandal in der deutschen Geschichte und zwei Anträge dazu. „Cum/Ex-Steuerskandal unverzüglich beenden“ ist der schon etwas ältere, aber erst jetzt ins Plenum gelangte Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/5765) überschrieben, „Steuerskandale wie Cum/Ex zukünftig verhindern“ (19/16836) hat Die Linke getitelt. Beide Anträge wurden zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss überwiesen.
Mit der Cum/Ex-Methode, die derzeit noch die Gerichte beschäftigen, haben sich Betrüger durch geschickte Aktiengeschäfte einmal gezahlte Steuern mehrfach erstatten lassen. Später gab es den ähnlich gelagerten Cum/Cum-Skandal und zuletzt Cum/Fake mit gar nicht existenten „Phantom-Aktien“.
Grüne: Klarer Fall von Staatsversagen
Auf mindestens zehn Milliarden Euro bezifferte Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) den Schaden, der der deutschen Staatskasse durch Cum/Ex entstanden ist, auf 50 Milliarden den Schaden in Europa. Praktisch alle deutschen Banken seien an den Schiebereien beteiligt gewesen, Anlageberater hätten sich darauf spezialisiert. Cum/Ex sei aber auch ein „klarer Fall von Staatsversagen“, fuhr Paus fort. Und „die staatlichen Strukturen, die diesen Skandal ermöglicht haben, sind bis heute dieselben. Auch das ist ein Skandal.“
CDU/CSU: Haben Cum/Ex den Garaus gemacht
Unverständnis für solche Vorwürfe zeigte Fritz Güntzler (CDU/CSU). Der Untersuchungsausschuss in der letzten Legislaturperiode sei in seinem über tausendseitigen Bericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Finanzbehörden „sachgemäß und pflichtgemäß gehandelt“ hätten.
Der Umfang des entstandenen Schadens sei bisher unklar, denn die Finanzbehörden hätten viele beantragte Rückzahlungen verhindert. Mehrere Gesetzesänderungen hätten schließlich „Cum/Ex den Garaus gemacht“, betonte Güntzler. Den Skandal beenden allerdings „können nur Gerichte“.
AfD: Skandal keineswegs ausgestanden
„Das ist ein starkes Stück, dass Sie das alles so wegwischen“, entgegnete Kay Gottschalk (AfD). Er müsse in diesem Fall Lisa Paus zustimmen. Dass der Staat so lange nicht gegen die Cum/Ex-Geschäfte eingeschritten sei, sei „schon begleiteter Steuerbetrug von Finanz- und Justizministerium“. Der Skandal sei außerdem noch keineswegs ausgestanden, da immer neue Fragen auftauchten.
Allerdings kritisierte Gottschalk auch die von Grünen und Linken in ihren Anträgen vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere die Verlagerung der Zuständigkeit für große Steuerzahler von den Ländern auf den Bund.
SPD weist Vorwürfe gegen den Staat zurück
Nachdrücklich wandte sich Michael Schrodi (SPD) gegen Versuche der Opposition, dem Staat eine Mitschuld an dem Skandal zu geben. Er zitierte einen Richter am Finanzgericht Köln mit den Worten: „Cum/Ex war eine kriminelle Glanzleistung.“ Das Land Nordrhein-Westfalen habe mit dem heftig umstrittenen Ankauf von CDs unter dem damaligen Finanzminister und jetzigen SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans dazu beigetragen, dass die Machenschaften aufhören.
Schrodis Fraktionskollegin Cansel Kiziltepe verwies zudem auf die im Aufbau befindliche Task-Force gegen Steuerbetrug und erklärte: „Der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung geht erst richtig los.“
Linke und FDP: Nicht genug getan
Fabio De Masi (Die Linke) kritisierte, dass „sechs Jahre nichts passiert“ sei, bevor die Regierung Maßnahmen gegen die Cum/Ex-Geschäfte ergriffen habe. In vielen Verdachtsfällen werde noch gar nicht ermittelt, weshalb die Verjährung drohe.
Auch Markus Herbrand (FDP) bemängelte, dass „nicht genug getan“ worden sei, um solche Betrügereien wirksam zu unterbinden. Seine Fraktion sehe vor allem in einer besseren technischen Ausstattung und der Beseitigung organisatorischer Mängel in den Finanzbehörden einen Schlüssel zur Lösung. Dazu müsse aber zunächst lückenlos aufgeklärt werden, und dazu sehe er keine Bereitschaft im Bundesfinanzministerium.
Grüne: Auch neue Cum-Ex-ähnliche Fälle vermeiden
Die Grünen fordern von der Bundesregierung, alle Geschäftsmodelle zu bekämpfen, bei denen der Ertrag allein in einem angestrebten Steuervorteil besteht. Auch neue Cum-Ex-ähnliche Fälle müssten vermieden werden. Sämtliche früheren Cum-Ex-Fälle sollen aufgedeckt und verfolgt werden. Die einzelnen Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Weitere Forderungen betreffen unter anderem die Verlängerung der Haltefrist bei Cum-Cum-Geschäften um den Dividendenstichtag auf mindestens 90 Tage.
Mit einem europaweiten Schaden von geschätzt 55 Milliarden Euro seien Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte „der größte Raubzug der Geschichte“, schreiben die Abgeordneten in dem Antrag. Im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss sei gezeigt worden, „wie der Staat von gierigen Finanzprofis ausgeplündert wurde. Später wurden die Fehler von Cum-Ex wiederholt: Auch die missbräuchliche Steuerumgehung durch Cum-Cum-Geschäfte hat das Bundesfinanzministerium lange ignoriert“, wird festgestellt. Der Bundesregierung wird vorgeworfen, die europäischen Partner zu spät gewarnt und die nötigen Konsequenzen bis heute nicht gezogen zu haben.
Besserer Schutz von Hinweisgebern gefordert
Die Europäisierung des Cum-Ex-Skandals zeigt nach Ansicht der Grünen das Machtungleichgewicht zwischen transnationaler Finanzkriminalität und nationalen Strafverfolgungs- und Steuerbehörden. Daher sollten unverzüglich Arbeiten an einer europäischen Initiative für ein Europäisches Kriminalamt ähnlich dem deutschen BKA aufgenommen werden. „Nur eine Polizei mit europaweiten Ermittlungsbefugnissen kann europaweit organisierte Kriminalität eindämmen“, schreibt die Fraktion, die sich auch für einen besseren Schutz von Hinweisgebern (Whistleblower) ausspricht.
Im Zuge der sogenannten Cum/Ex-Geschäfte wurden von den Finanzämtern Kapitalertragsteuern erstattet, die tatsächlich gar nicht gezahlt worden waren.
Antrag der Linken
Die Linke fordert in ihrem Antrag (19/16836), unrechtmäßige Steuererstattungen auszuschließen. Dafür müsse der Mechanismus zur Einbehaltung und Erstattung von Kapitalertragsteuern modernisiert und ein lückenloser datenbankgestützter Abgleich von Erstattungsanträgen mit tatsächlichen Steuerzahlungen eingeführt werden.
Ebenso sollten Finanzmarktaufsicht und Finanzverwaltung in Kooperation mit den Ländern in die Lage versetzt werden, Handelsmuster am Kapitalmarkt und steuerliche Gestaltungen zu analysieren, um neue Betrugsformen frühzeitig zu erkennen. Dafür sollten die Voraussetzungen inklusive hinreichendem Datenzugang, Personal und Infrastruktur sowie politischer Rückendeckung geschaffen werden, um entsprechende Analysen vornehmen zu können. Nötig seien außerdem ein umfassender Schutz und eine zentrale Anlaufstelle für Hinweisgeber sowie eine Meldepflicht auch für nationale Gestaltungsmodelle.
Die Linke will darüber hinaus die Aufarbeitung steuergetriebener Kapitalmarktgeschäfte verstärken, um das Verjährungsrisiko strafbewehrter Vorgänge zu minimieren und unrechtmäßige Gewinne abzuschöpfen. (pst/hle/29.01.2020)