Opposition nimmt Scholz zu Cum/Ex-Geschäften in die Mangel
Ob die Cum/Ex-Geschäfte der Hamburger Warburg-Bank oder der Bilanzskandal beim Zahlungsabwickler Wirecard – es waren vor allem kritische Fragen zu zwei Finanzskandalen, mit denen sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zuletzt immer wieder konfrontiert sah. Das war am Mittwoch, 9. September 2020, in der Regierungsbefragung des Bundestages nicht anders.
Scholz: Hilfsprogramme und Kurzarbeit verlängern
Zunächst hatte der Minister einen Blick zurück geworfen auf die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der gesundheitlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und angekündigt, die laufenden Hilfsprogramme sowie Schutzregelungen wie etwa die der Kurzarbeit zu verlängern: „Es ist eine gute Entscheidung, dass die Regierungskoalition sich vorgenommen hat, die Maßnahmen, die dazu beitragen werden, die ganze Krise zu meistern, bis Ende des nächsten Jahres zu verlängern.“
Hinsichtlich des Falls des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny wiederholte Scholz die Forderung der Bundesregierung an die russische Regierung, den Vorgang aufzuklären. Was möglich Konsequenzen angehe, werde Deutschland mit seinen europäischen Partnern beraten und gemeinsam reagieren.
FDP fragt nach Cum/Ex-Geschäften der Warburg-Bank
Die Abgeordneten insbesondere der Opposition jedoch interessierte mehr die Rolle des SPD-Kanzlerkandidaten bei den Cum/Ex-Geschäften der Hamburger Warburg-Bank.
So wollte zunächst Dr. Florian Toncar (FDP) wissen, wie es passieren konnte, dass 2016 die Hamburger Finanzbehörde 47 Millionen Euro aus „kriminellen Cum/Ex-Geschäften“ nicht zurückforderte. Nur die „heftige Intervention“ des Bundesfinanzministeriums habe das Amt 2017 dazu gebracht, weitere 43 Millionen zurückzufordern, ohne dass vorher die Verjährung eintrat. Scholz als damaliger Erster Bürgermeister der Hansestadt trage dafür „die politische Gesamtverantwortung“, sagte Toncar und fragte: „Wie erklären Sie, dass bis zu 90 Millionen Euro von der Bank nicht zurückgefordert wurden?“
Scholz betonte, grundsätzlich alle Aktivitäten zu unterstützen, um die gesetzeswidrigen Cum/Ex-Geschäfte aufzuklären. Das Geld müsse zurückgefordert und die Schuldigen müssten verurteilt werden, so der Finanzminister. Unter anderem mit einer Verlängerung von Verjährungsfristen trage die Bundesregierung dazu bei. Scholz verwies aber gleichzeitig auch auf die Eigenständigkeit der Finanzämter: So habe auch die Hamburger Behörde selbstständig „nach Recht und Gesetz“ gehandelt. „Eine politische Intervention soll es nicht geben und hat es auch in Hamburg nicht gegeben.“
Linke: Parteispenden der Warburg-Bank zurückzahlen
Fabio De Masi (Die Linke) signalisierte daran Zweifel: „Finden Sie es plausibel, dass eine Hamburger Finanzbeamtin sich wochenlang der Weisung des Bundesfinanzministeriums widersetzt, das geraubte Cum/Ex-Geld einzutreiben – ohne sich politischer Rückendeckung zu versichern?“ Der Abgeordnete erinnerte Olaf Scholz daran, die Cum/Ex-Geschäfte als „Schweinerei“ bezeichnet zu haben. Halte er es da nicht auch für „sinnvoll“, Parteispenden, die die Hamburger SPD von der Warburg-Bank erhalten haben, zurückzuzahlen?
Scholz stellte klar, dass bei Parteispenden eine politische Einflussnahme ausgeschlossen sein müsse. Teil dieses Grundsatzes sei auch, dass Verantwortliche in der Regierung von solchen Entscheidungen keine Kenntnis haben sollen. „In Hamburg ist das meines Wissens immer der Fall gewesen“, erklärte Scholz. Die Entscheidung der Hamburger SPD wolle daher auch er nicht beeinflussen.
Grüne: Kann es so viel Zufall geben?
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) hakte ebenfalls bezüglich einer möglichen Einflussnahme von Scholz auf das Hamburger Finanzamt nach: Er habe schließlich selbst eingeräumt, drei Mal den Mitinhaber der Warburg-Bank, Christian Olearius, getroffen zu haben, erinnerte die Abgeordnete. Wenig später habe dann das Finanzamt darauf verzichtet, 47 Millionen Euro einzutreiben. „Kann es so viel Zufall geben?“
Der Bundesfinanzminister bekräftigte erneut, es habe keine politische Einflussnahme auf die Entscheidung des Finanzamtes Hamburg gegeben: „Von mir nicht und auch von anderen nicht, da bin ich mir sehr, sehr sicher“, so Scholz. Dass sich politisch Verantwortliche mit Bürgern und mit Unternehmen träfen und ihre Anliegen anhörten, gehöre zum Alltagsgeschäft der demokratischen Politik. „Dass man innerlich klar und fest genug ist, sich davon nicht beeindrucken zu lassen, und das tut, was man richtig findet, gehört allerdings auch zu dem von mir gewünschten Alltag der Politik.“
AfD erkundigt sich nach Europäischem Aufbauplan
Albrecht Glaser erkundigte sich für die AfD-Fraktion nach dem Europäischen Aufbauplan, in dessen Rahmen die EU-Kommission beabsichtige, rund „750 Milliarden Euro an Schulden“ aufzunehmen. Dieses Vorhaben habe Scholz unter anderem in einem Interview mit Verweis auf den ersten US-amerikanischen Finanzminister Hamilton gelobt. „Dieser habe die Schulden der Einzelstaaten auf der Ebene der Föderation übernommen und sei damit sehr erfolgreich gewesen“, zitierte Glaser Scholz und fragte schließlich: „Ist Ihnen bekannt, dass später neun Einzelstaaten Konkurs anmelden mussten und die USA heute jegliche Haftung des Gesamtstaates für die Schulden der Einzelstaaten ausschließen?“
Scholz entgegnete, der Europäische Aufbauplan sei ein „großer Schritt“. Der Weg der Finanzierung müsse aber natürlich „mitgeregelt“ werden. Dazu werde die EU-Kommission Vorschläge erarbeiten und so ein „seriöses Finanzierungskonzept“ vorlegen. Abgesehen davon gelte weiterhin eine „No-Bail-Out-Klausel“, die die Haftung der EU sowie ihrer Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten einzelner Mitglieder ausschließe: „Daran hat sich nichts geändert.“
SPD: Lobbyregister auch für die Bundesregierung
Carsten Schneider (SPD) wollte von Olaf Scholz wissen, ob sich dieser – angesichts des geplanten neuen Lobbyregisters für den Bundestag – auch für mehr Transparenz über die Einflussnahme von Interessenvertretern innerhalb der Bundesregierung einsetze. „Würden Sie als Mitglied der Bundesregierung unterstützen, dass die Transparenzregeln, die wir uns für den Bundestag geben, auch für die Bundesregierung gelten?“
Scholz erklärte, nicht für die Bundesregierung als Ganze sprechen zu können. Er persönlich glaube aber, die angestrebten Regelungen für die Abgeordneten sollten „selbstverständlich auch für die Regierung gelten“. (sas/09.09.2020)