Bund-Länder-Einigung beim Ausbau der Ganztagsbetreuung angemahnt
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, um den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab 2025 zu realisieren. Über den entsprechenden Antrag der Grünen (19/22117) debattierte der Bundestag am Donnerstag, 10. September 2020, und überwies ihn zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mit Ausnahme der AfD-Fraktion bekannten sich alle Fraktionen ausdrücklich zum Ausbau der Ganztagsbetreuung. Zugleich wurde in der Debatte moniert, dass bislang noch keine Einigung zwischen Bund und Ländern erzielt worden sei, um das Projekt zu realisieren.
Gesetzentwurf der Grünen
Nach den Vorstellungen der Grünen soll der Rechtsanspruch für jedes Kind unabhängig vom Umfang der Berufstätigkeit der Eltern an fünf Tagen in der Woche für mindestens neun Stunden pro Tag gelten und zudem ein Mittagessen umfassen. Zudem fordert die Fraktion eine Qualifizierungsoffensive für pädagogisches Fachpersonal und eine Aufstockung der Mittel des Bundes zur Finanzierung der Investitionskosten auf vier Milliarden Euro in den Jahren 2020 und 2021.
Im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarungen zum Ausbau der Ganztagsangebote soll sichergestellt werden, dass Schulentwicklungsprozesse, und dabei insbesondere die Kooperation mit außerschulischen Partnern, durch die Schaffung koordinierender Strukturen professionell unterstützt werden, um in der Praxis ein gemeinsames Bildungsverständnis zwischen Schule und Jugendhilfe und eine gute Kooperation in multiprofessionellen Teams zu entwickeln. Auch soll die Digitalisierung an den Schuleinrichtungen vorangetrieben werden.
Grüne: Betreuung an qualitative Mindeststandards koppeln
Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen) argumentierte, die Ganztagsschule leiste einen wichtigen Beitrag für mehr Chancengleichheit in der Gesellschaft. Gerade die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass Erziehung und Bildung nicht allein auf den Schultern der Eltern ruhen dürften.
Stumpp mahnte, dass die Ganztagsbetreuung im Grundschulalter an qualitative Mindeststandards gekoppelt werden müsse. Die Fehler des sogenannten Gute-Kita-Gesetzes dürften nicht wiederholt werden. Dies habe nicht zu einer Erhöhung der Qualität bei der Kita-Betreuung geführt.
CDU/CSU: Echte Wahlfreiheit für die Eltern geben
Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD bekannten sich ausdrücklich zum Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. Dies sei im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden und werde auch umgesetzt, betonten Marcus Weinberg (CDU/CSU) und Ulrike Bahr (SPD).
Die Koalition setze damit ihre Politik fort, den Eltern eine echte Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kinder zu geben, sagte Weinberg. Der Bund habe bereits jetzt 3,5 Milliarden Euro für die Investitionskosten zur Verfügung gestellt.
SPD: Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen
Ulrike Bahr erinnerte daran, dass der Ausbau der Ganztagsbetreuung eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen sei. Deshalb sei es nicht sinnvoll einen Gesetzentwurf vorzulegen, bevor zwischen Bund und Ländern eine Einigung über die Modalitäten ausgehandelt sei.
Sie hielt den Grünen entgegen, dass es unter anderem jene Länder seien, in denen die Grünen mitregieren, die die derzeitigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern aufhielten.
FDP: Der Fahrplan fehlt
Unterstützung für den Antrag der Grünen, den der Bundestag zur weiteren Beratung in den federführenden Familienausschuss überwies, kam aus den Reihen der FDP- und der Linksfraktion. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) habe im vergangenen Jahr den Gesetzentwurf über den Rechtsanspruch für das erste Halbjahr 2020 angekündigt, bislang liege er aber nicht vor, monierte Matthias Seestern-Pauly (FDP). Das Projekt komme nicht voran, weil der Fahrplan fehle.
Vor allem fehle es aber an ausreichend Fachpersonal, um den Rechtsanspruch in der Praxis auch umsetzen zu können. Es müsse endlich eine Fachkräfteoffensive gestartet, eine vergütete Ausbildung eingeführt und das bereits vorhandene Personal von fachfremden Aufgaben, etwa in der Verwaltung, entbunden werden, forderte der Liberale.
Linke: Ganztagsschule bedeutet mehr Bildung für alle
Auch Birke Bull-Bischoff (Die Linke) stellte sich hinter die Forderungen der Grünen.
Die Einführung der Ganztagsschule sei keine Förderung von Benachteiligten, sondern bedeute mehr Bildung für alle.
AfD: Ganztagsbetreuung kein Allheilmittel
Der AfD-Parlamentarier Martin Reichardt betonte in der Debatte, seine Fraktion sperre sich zwar nicht gegen den Ausbau der Ganztagsbetreuung, allerdings sei dies kein „Allheilmittel“ in der Bildungspolitik.
Es sei nicht nachweisbar, dass durch Ganztagsschulen das Bildungsniveau der Schüler gesteigert werden könnte. Kinder bräuchten auch keine verplante Daueranleitung, sondern Zeit für ihre Freunde und Familien. Das Vorhaben sei auch eher dafür gedacht, das traditionelle Familienbild zu unterminieren. (aw/10.09.2020)