Beziehungen der EU zur Volksrepublik China erörtert
Der Bundestag hat am Mittwoch, 9. September 2020, über die Antwort der Bundesregierung (19/20346) auf eine Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Weg zu einer gemeinsamen wertebasierten und realistischen China-Politik der EU“ (19/17687) debattiert. Mitberaten wurde in der halbstündigen Debatte ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Menschenrechtsverletzungen in China laut verurteilen“ (19/22108). Der Ausschuss wurde zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe überwiesen. Die Beratung eines Antrags der AfD-Fraktion mit dem Titel „Ein Europa der Vaterländer von Lissabon bis Wladiwostok als Antwort auf den Wiederaufstieg Chinas“ wurde von der Tagesordnung abgesetzt.
Große Anfrage der Grünen
Mit Blick auf den geplanten EU-China-Gipfel im September dieses Jahres in Leipzig erkundigte sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Großen Anfrage nach der Chinapolitik der Europäischen Union. Die Bundesregierung solle unter anderem Auskunft geben zu ihren geplanten Verhandlungspunkten auf den Feldern der Energie- und Klimapolitik, der Landwirtschafts- und Handelspolitik sowie die Zusammenarbeit im Rahmen multilateraler Organisationen.
Weitere Fragen zielen auf die Situation der Menschenrechte und der Zivilgesellschaft in China, auf Pekings „Belt and Road“- Initiative, auf die Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik sowie auf die Kooperation in Wissenschaft und Forschung.
Antwort der Bundesregierung
Die EU-Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst betrachten die Volksrepublik China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen. Wie die Bundesregierung in der Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/17687) schreibt, setze sie sich innerhalb der EU dafür ein, diese drei Bereiche der EU-China-Beziehungen gleichzeitig und ausgewogen zu verfolgen. Die EU wolle die partnerschaftliche Zusammenarbeit bei regionalen und globalen Fragen wie etwa dem Klimaschutz erweitern und vertiefen, sich für den wirtschaftlichen und technologischen Wettbewerb besser wappnen und diesen fairer gestalten und sich außerdem chinesischen Versuchen geschlossen entgegenstellen, international etablierte völkerrechtliche Standards, auch im Bereich der Menschenrechte, zu verletzen oder zu verschieben.
Wie es in der Antwort weiter heißt, erwarte die Bundesregierung von der Volksrepublik China, dass sie eine ihrem wirtschaftlichen und politischen Gewicht entsprechende internationale Verantwortung übernimmt. Internationale Verantwortung bedeute in diesem Sinne, die regelbasierte internationale Ordnung, auch die regelbasierte Handelsordnung und ihre multilateralen Institutionen zu stärken. „Die Bundesregierung ruft die chinesische Regierung daher zu zusätzlichem Engagement für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit im Rahmen der Vereinten Nationen auf.“
Dazu gehöre unter anderem eine höhere Bereitschaft zur Einbindung in konventionelle und nukleare Rüstungskontrollregime sowie die Achtung von etabliertem Völkerrecht, darunter auch die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS). China sei zudem aufgefordert, das Engagement für offene Märkte und das regelbasierte multilaterale Handelssystem mit der Welthandelsorganisation WTO im Zentrum zu intensivieren, um bestehende Regelungslücken im Umgang mit staatlichen Subventionen, Staatsunternehmen oder erzwungenem Technologietransfer wirksam zu schließen. Ebenso erwarte die Bundesregierung stärkeres Engagement für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz in den entsprechenden internationalen Organisationen. Die Bundesregierung setze sich dafür ein, dass sich das Engagement Chinas im Rahmen international etablierter völkerrechtlicher Standards und universell gültiger Werte, insbesondere im Bereich der Menschenrechte, bewegt.
Antrag der FDP
Die FDP fordert in ihrem Antrag (19/22108) die Regierung auf, einen aktiven Ansatz der menschenrechtsorientierten Diplomatie zu vertreten und die in China begangenen Menschenrechtsverletzungen offen zu kritisieren. Die chinesische Regierung solle aufgefordert werden, die universell gültigen Menschenrechte auf Privatsphäre, Freiheit des Kulturlebens, Versammlungs- und Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Religionsfreiheit, Schutz vor Folter und willkürlicher Verhaftung und den Anspruch auf Rechtsschutz zu achten. Willkürlich Inhaftierte seien freizulassen, Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zu etablieren und die Todesstrafe abzuschaffen.
Die FDP verlangt ferner, die Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Bevölkerung und anderen religiösen und ethnischen Minderheiten in der Provinz Xinjiang sowie die systematische Umdeutung und Vernichtung von kulturellem Erbe von Minderheiten, das nicht im Einklang mit staatlicher Ideologie steht, zu beenden und sämtliche Internierungslager in der Volksrepublik China unverzüglich zu schließen. Die vertraglich zugesicherten Bürgerrechte und das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ auf Basis der „Chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung zu Hongkong“ von 1984 in Hongkong seien einzuhalten. Auch müsse das Menschenrecht auf Versammlungsfreiheit in Hongkong gewahrt werden. Offensichtlich politisch motivierte Verbote von Versammlungen sowie gewaltsame Maßnahmen gegenüber friedlichen Demonstranten solle die Bundesregierung scharf verurteilen. (vom/ahe/sas/09.09.2020)