Kritik an AfD-Antrag zur Rolle der EU
Der Bundestag hat am Donnerstag, 2. Juli 2020, erstmals über einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Deutsche Ratspräsidentschaft für ein Europa der Freiheit nutzen, für die Stärkung der nationalen Souveränität, für Bürgernähe und Demokratie“ (19/20614) beraten. Deutschland übernimmt vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 die EU-Ratspräsidentschaft. Der Antrag wurde im Anschluss zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen.
AfD: Souveränität der Nationalstaaten stärken
Die Bundesregierung soll nach Ansicht der AfD-Fraktion die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um die Souveränität der Nationalstaaten zu stärken und Demokratiedefizite in der Europäischen Union abzubauen. So solle sie verhindern, dass die EU eine Schuldenunion werde und 500 Milliarden aus dem von der Kommission geplanten Wiederaufbaufonds „quasi als Geschenk“ verteilt werden, betonte Siegbert Droese (AfD) in der Debatte.
Droese sprach sich für eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten und Volksabstimmungen etwa über den Beitritt neuer Länder in die EU aus und wandte sich angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise gegen die „religiöse Fokussierung“ auf den Klimaschutz.
CDU/CSU warnt vor Rundumschlag gegen die EU
Für ihre Forderungen erntete die AfD fraktionsübergreifend heftige Kritik. Katrin Staffler (CDU/CSU) sprach von einem „Rundumschlag gegen die EU“ und das Vergießen von „Krokodilstränen über die angeblichen Fehler der Vergangenheit“. Dabei gelte es, nach vorne zu schauen und die deutsche Ratspräsidentschaft dafür zu nutzen, die EU gestärkt aus der Krise zu führen.
Die Bundesregierung müsse Schwerpunkte für ein innovativeres, nachhaltigeres Europa setzen, die europäische Werte- und Rechtsgemeinschaft stärken und den Klimawandel bekämpfen.
FDP fordert Ende nationaler Egoismen
„Deutschland muss in dieser Ratspräsidentschaft Außergewöhnliches leisten“, urteilte auch Thomas Hacker (FDP). Klimawandel, Brexit, Wirtschaftskrise – diese Liste der Herausforderungen sei lang.
Der AfD warf er vor, ein „Zerrbild der EU“ zu entwerfen, das nichts mit der Lebenswirklichkeit der Bürger zu tun habe. „Die Zeit der nationalen Egoismen muss vorbei sein“, betonte Hacker. „Die Folgen der Corona-Pandemie können nur gemeinsam bewältigt werden.“
SPD: AfD will Auflösung der Eurozone
Axel Schäfer (SPD) fasste zusammen, worum es der AfD nach seiner Lesart des Antrags geht: „Auflösung der Eurozone, keine Sozialunion, kein Wiederaufbaufonds, Abschaffung des europäischen Auswärtigen Dienstes“. Die Addition dieser Ablehnung bedeute „keine Positionierung zur Ratspräsidentschaft, sondern die Ablehnung der EU insgesamt“.
Demgegenüber würden die anderen Fraktionen streiten, wie und in welchem Ausmaß die EU sozialer, ökologischer oder liberaler werden sollte. Gemeinsam sei ihnen aber, „dass wir dieses Europa verbessern wollen, weil wir ein Teil davon sind“.
Linke: AfD betreibt europafeindliche Demagogie
Auch Dr. Diether Dehm (Die Linke) grenzte die Kritik seiner Fraktion an der EU deutlich von der der AfD ab. Der Antrag verdrehe die EU zu einer „linken Planwirtschaft“ und betreibe „europafeindliche Demagogie“.
Anders als die AfD setze sich die Linke für eine Umverteilung von Beihilfen in nachhaltigere Bereiche und ein soziales Europa ein, bekämpfe Steuerwettbewerb und Steuerdumping und wolle fairen Handel statt Freihandel.
Grüne: Zukunft in Europa gemeinsam gestalten
Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) warf der AfD Widersprüche in ihrer Argumentation vor. Wer kritisiere, dass die EU in der Corona-Krise versagt habe, müsse sehen, dass diese in vielen Bereichen bislang keine Handlungskompetenz habe. Die AfD wolle aber gerade verhindern, dass die EU mehr Kompetenzen bekommt. Auch lehne die AfD ab, dass die Hilfsgelder „intransparent versickern“. Dabei wehre sich die Fraktion zugleich gegen eine inhaltliche Konditionierung sowie eine Verknüpfung mit Rechtsstaatlichkeit und Bekämpfung von Korruption.
Brantner betonte, es sei ein Irrglaube, dass Souveränität national durchzusetzen sei. In der heutigen Zeit und angesichts der aktuellen und globalen Herausforderungen könne über die Zukunft nur gemeinsam in Europa entschieden werden.
Antrag der AfD
Die AfD betont in ihrem Antrag, dass die Realitäten in der Europäischen Union endlich wieder zur Kenntnis genommen werden müssen. Das gesamte Meinungsspektrum der EU-Bürger müsse in der EU abgebildet und in den Diskurs einbezogen werden. Das erfordere einen ganzheitlichen Ansatz, der weder im selbstreferentiellen Politiksystem der „europäischen Parteien“ noch in der „Konferenz zur Zukunft Europas“ mit ausgewählten Teilnehmern verwirklicht wird. Würde man auf die Bürger hören, sähe die EU anders – und zwar besser – aus.
Im Hinblick auf die europäische Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik müsse der Zweck der EU wieder primär darin bestehen, den Rahmen gemeinschaftlichen, europäischen Wirtschaftens zu gestalten und für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Wettbewerb sei eine Grundvoraussetzung für technischen Fortschritt und für günstige Verbraucherpreise. Tendenzen einer EU-Planwirtschaft, wie beim „Green Deal“ offensichtlich, seien abzulehnen, EU-Subventionen komplett abzuschaffen. Das Projekt des „European Green Deal“ sei sofort zu beenden. Die Europäische Union brauche weder explodierende Milliardentöpfe in Brüssel noch eine „sozialökologische Transformation“ durch Verbot wesentlicher Industriezweige in der Europäischen Union. Zudem widerspreche sich hier die angestrebt Politik der Kommission, denn der „Green Deal“ führe zu einer De-Industrialisierung mit zahlreichen Arbeitslosen, die gerade durch das Covid-19-Programm vermieden werden sollen. (joh/hau/vst/02.07.2020)