Fraktionen fordern schnelle Aufklärung des Wirecard-Skandals
Alle Fraktionen haben eine schnelle Aufklärung des Wirecard-Skandals gefordert. Der Münchener Finanzdienstleister hatte Konkurs anmelden müssen, nachdem in der Bilanz 1,9 Milliarden Euro und damit ein Drittel der Bilanzsumme nicht nachweisbar waren. Dr. Danyal Bayaz (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte am Donnerstag, 2. Juli 2020, in einer von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages zum Thema daran, dass Wirecard nicht der erste Finanzskandal sei und forderte: „Wir müssen jetzt endlich aus den Fehlern lernen und Strukturen schaffen, damit effektiv geprüft wird. Das muss der Hauptzweck der Aufklärung sein.“
Wirtschaftsprüfer hatten die falschen Angaben in den Bilanzen des zum Deutschen Aktienindex (DAX) gehörenden Konzerns offenbart jahrelang nicht bemerkt. Bayaz kritisierte Regierung, Finanzaufsicht und Prüfer wegen „kollektiver Unverantwortlichkeit“. Man habe es offenbar mit Strukturen zu tun, die eine effektive Prüfung unmöglich machen würden. Schon seit Jahren hätten ausländische Journalisten immer wieder den Finger in die Wunde gelegt: „Zum Dank wurden sie von staatlichen Behörden angezeigt“, kritisierte Bayaz.
CDU/CSU: Skandal hat den Finanzplatz erschüttert
„Der Skandal hat den Finanzplatz Deutschland erschüttert“, stellte Matthias Hauer (CDU/CSU) zu dem „einmaligen Vorgang in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“ fest. Unternehmen und Finanzaufsicht müssten verlässlich und ordnungsgemäß agieren. „Ein solcher Fall darf sich in Deutschland nicht wiederholen“, forderte Hauer. Die CDU/CSU-Fraktion erwarte, dass der Skandal „konsequent und lückenlos“ aufgeklärt werde.
Hauer kritisierte Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der erklärt habe, die Aufsichtsbehörden hätten im Fall Wirecard ihren Job gemacht: „Das war in höchstem Maße irritierend. Das klang nicht wie der Startschuss für eine dringend notwendige politische Aufarbeitung.“ Hauer lehnte es ab, nach diesem Vorfall der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) noch zusätzliche Aufgaben zuzuweisen wie das Betreiben von Vergleichs-Websites im Internet oder die Übernahme der Aufsicht über die 38.000 Finanzanlagenvermittler in Deutschland.
AfD: Hausgemachter Anlegerskandal
Die schon als Gesetzentwurf vorliegende Planung zur Übernahmen der Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler wurde auch von AfD- und FDP-Fraktion strikt abgelehnt. Grundsätzliche Kritik an der Arbeit der BaFin übte Kay Gottschalk (AfD): „Deutschland braucht keine Behörde, die hinterher wie bei Prokon und P&R erklären kann, was falsch lief. Die BaFin muss entweder grundlegend reformiert und mit mehr Prüfungsrechten ausgestattet werden, oder sie gehört als unnützes Kostenmonster weg.“
Gottschalk gab Regierung und Koalition eine Mitverantwortung für den „größten deutschen Bilanzbetrug im Leitindex DAX, ein hausgemachter Anlegerskandal“. Der Gesetzgeber habe komplett versagt, weil er ein FinTech wie Wirecard nicht der Gesamtaufsicht der BaFin unterstellt habe.
SPD fordert konsequente Aufklärung
„Was bei Wirecard passiert ist, ist ganz eindeutig ein Skandal“, erklärte Dr. Jens Zimmermann (SPD). Jetzt brauche man eine konsequente Aufklärung: „Es muss klargestellt werden, was schiefgelaufen ist, wer daran beteiligt war und warum es nicht verhindert werden konnte.“
Mit der Kündigung des Vertrages mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), die keine gute Rolle gespielt habe, sei von der Regierung ein erster schneller Schritt getan worden. Da Wirecard nicht als Finanzholding eingestuft worden sei, habe die BaFin nur eingeschränkte Möglichkeiten gehabt. Man müsse über eine schnellere Eingriffsmöglichkeiten reden.
FDP: BaFin hätte eingreifen müssen
Frank Schäffler (FDP) sagte, die Regierung müsse sich anrechnen lassen, was die BaFin gemacht habe: „Die BaFin hat nichts gesehen, nichts gehört und nichts gesagt“, kritisierte Schäffler. Stattdessen wolle die Koalition der BaFin immer neue Aufgaben werden. „Kümmern Sie sich doch erst mal darum, dass die bestehenden Aufgaben der BaFin richtig ausgeführt werden.“
Schäffler widersprach, dass die BaFin nicht hätte eingreifen können. Sie hätte seiner Ansicht nach sogar eingreifen müssen, nachdem die DPR unverhältnismäßig lange für die Prüfung gebraucht habe.
Linke: Blamage für den Finanzplatz Deutschland
Fabio De Masi (Die Linke) nannte den Wirecard-Skandal eine „Blamage für den Finanzplatz Deutschland“. Wirecard habe lange als das Wunderkind der Deutschen Börse gegolten. Wieder einmal bestätige sich eine alte Börsenweisheit, wonach Gier Hirn fresse. Wirecard habe ein Schneeballsystem entwickelt. Commerzbank und KfW-Bankengruppe seien mit Krediten bei Wirecard dabei, für die jetzt möglicherweise der Steuerzahler haften müsse. Auch deshalb sei es „eine Katastrophe, dass die Finanzaufsicht gepennt hat“.
De Masi kritisierte, dass die BaFin kritisch berichtende Journalisten angezeigt habe, die angeblich mit Leerverkäufern unter einer Decke steckten. Die BaFin sei bis heute den Nachweis schuldig geblieben, dass die Journalisten mit Leerverkäufern unter einer Decke steckten. (hle/02.07.2020)