Oppositionsanträge zur Geschlechtergerechtigkeit erörtert
Der Bundestag hat am Mittwoch, 17. Juni 2020, erstmals über fünf Anträge der Oppositionsfraktionen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit debattiert. Dazu lagen vor ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Geschlechtergerecht aus der Corona-Krise“ (19/20038), ein Antrag der AfD mit dem Titel „Diskriminierungsfreie Ausgestaltung des Gesetzes für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes“ (19/20068), ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Geschlechterverhältnisse in der Krise – Kein Zurück zur alten Normalität“ (19/20033) sowie zwei Anträge der FDP mit den Titeln „Verlässliche Entschädigungszahlungen auch für Eltern im Homeoffice“ (19/20060) und „Zukunftsgipfel Emanzipation einberufen – Rückwärtstrend entgegenwirken“ (19/20052). Alle Anträge wurden im Anschluss zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.
Antrag der AfD
Die AfD will mit ihrem Antrag (19/20068) das Bundesgleichstellungsgesetz in der Weise berichtigen, dass als Gleichstellungsbeauftragte und deren Stellvertreter sowohl Männer als auch Frauen wählbar sind, zudem Angehörige sowohl des weiblichen als auch des männlichen Geschlechts die Personen in diese Funktionen wählen dürfen und die sprachliche Erwähnung der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreter im gesamten Gesetzestext geschlechtsneutral formuliert wird.
Aus Sicht der AfD verstößt das Bundesgleichstellungsgesetz offensichtlich gegen seinen eigenen Zweck, auf Gleichstellung von Männern und Frauen hinzuwirken. Es greife damit in den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes ein. Verletzt würden aber auch die Verfassungsvorgaben des Artikels 33 Absatz 2 des Grundgesetzes, wonach jedem Deutschen unabhängig von seinem Geschlecht die Zugänglichkeit zu jedem öffentlichen Amte allein aufgrund seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu ermöglichen sei sowie des Grundgedankens des Artikels 38 des Grundgesetzes, wonach Wahlen im Zuständigkeitsbereich des Bundes insbesondere auch gleich zu gestalten seien, also keiner Gruppe – eben auch nicht geschlechterbezogen – hierbei ein Vorteil einzuräumen sei.
Antrag der Linken
Die Linke verlangt in ihrem Antrag (19/20033) einen Gesetzentwurf von der Bundesregierung, der den auf Profit und Kapitalrendite ausgerichteten Betrieb von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur, wie beispielsweise Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, ausschließt und stattdessen deren Gemeinwohlorientierung wiederherstellt. Auch sämtliche weitere Einrichtungen der sozialen Infrastruktur müssten auf ihre jeweiligen ursprünglichen Ziele (Erziehung, Hilfs- und Schutzangebote, Nachbarschaftlichkeit, soziales Miteinander), abseits von Profitmaximierung, zurückgeführt werden, schreibt die Fraktion. Nur so sei eine öffentliche Daseinsvorsorge, die den Menschen und ihren unveräußerlichen Rechten verpflichtet ist, zu gewährleisten.
Sie verlangt darüber hinaus einen weiteren Gesetzentwurf, der den Pflegeberuf durch Veränderung der materiellen Arbeitsbedingungen aufwertet. Hierzu gehörten höhere Löhne auf Tarifniveau, mehr Personal mit abgesicherten Mitbestimmungsrechten sowie eine Arbeitszeitverkürzung durch ein neues Normalarbeitsverhältnis von 30 Stunden pro Woche oder sechs Stunden pro Tag bei vollem Lohnausgleich. Ferner müsse die Vermögensteuer als Millionärssteuer wieder eingeführt werden. Nur dadurch könne sichergestellt werden, dass die Kosten der Krisenbewältigung nicht in Form von Sozialleistungskürzungen auf den Schultern der Schwächsten abgeladen werden.
Ebenso verlangt die Fraktion, die strukturelle Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und bei der Verteilung von Fürsorge- oder Care-Arbeit durch ein gesetzliches Maßnahmenpaket für Geschlechtergerechtigkeit (‚Equal Pay‘ und ‚Equal Care‘) in Ergänzung laufender Rettungspakete und Konjunkturhilfen in Angriff zu nehmen und dabei Alleinerziehende und pflegende Angehörige besonders zu berücksichtigen.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern in ihrem Antrag (19/20038), dafür zu sorgen, dass von den aktuellen Hilfsmaßnahmen und Konjunkturpaketen Frauen und Männer gleichermaßen profitieren. Dies solle sichergestellt werden, indem mit der Vorlage von Geschlechtergerechtigkeits-Checks alle bestehenden und kommenden Krisenmaßnahmen und Gesetzesvorschläge auf ihre unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf Frauen und Männer geprüft werden. Dazu solle eine Stabsstelle im Kanzleramt errichtet werden, an die eine interministerielle Arbeitsgruppe angegliedert ist. Diese müsse dafür sorgen, dass in allen Ministerien bereits bei der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen die Geschlechterperspektive als Querschnittsaufgabe durchgehend beachtet wird.
Staatliche Hilfen für Unternehmen will die Fraktion an die Förderung von mehr Geschlechtergerechtigkeit, zum Beispiel Quoten, koppeln. Ein unabhängiger Gleichstellungs-Krisenrat sei einzurichten, der halbjährlich über die aktuellen Entwicklungen zur wirtschaftlichen Situation von Frauen und Männern berät (zum Beispiel Entwicklung der durchschnittlichen Gehälter, die Beschäftigungssituation von Frauen; der Anteil von Frauen, die neu auf die Grundsicherung angewiesen sind; spezifische und direkte Effekte der Krisenmaßnahmen auf Frauen, etwa die besondere Betroffenheit von Kündigungen statt Kurzarbeit oder vom Verlust der Solo-Selbstständigkeit).
Anträge der FDP
Die FDP fordert in ihrem Antrag (19/20060) verlässliche Entschädigungszahlungen auch für Eltern im Homeoffice. Für die Dauer der Corona-Pandemie soll die Entschädigung auch für die Zeiten gelten, in denen Kitas und Schulen wegen der Schulferien oder aufgrund von Schließzeiten geschlossen sind. Zudem fordert die FDP, die geltende maximale Anzahl von Krankentagen pro Kind für Eltern innerhalb der Corona-Krise auszusetzen.
In ihrem zweiten Antrag (19/20052) fordert die FDP-Fraktion, in 2020 einen Zukunftsgipfel zur Emanzipation einzuberufen, der sich mit dem „Rückwärtstrend hinsichtlich der Rollenverteilung von Frauen und Männer beziehungsweise Müttern und Vätern während der Corona-Krise auseinandersetzt und eine umfassende Strategie mit konkreten Maßnahmen entwickelt, wie man diesem entgegenwirken kann“. Dieser sei einmal jährlich auszurichten und solle sich dabei jeweils einem anderen Schwerpunktthema widmen. (sas/vst/17.06.2020)