FDP und Grüne: Neue Wege für nachhaltiges Wirtschaftswachstum
Mit welchen Maßnahmen die Wirtschaft wiederbelebt werden soll, darüber hat der Bundestag am Freitag, 29. Mai 2020, kontrovers diskutiert. Gegenstand der Debatte waren Anträge FDP mit dem Titel „Nachhaltiges Wachstum – Der Weg aus der Rezession in eine klimaneutrale Zukunft“ (19/19510) sowie von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Zukunftspakt für einen sozial-ökologischen Aufbruch aus der Krise“ (19/19549). Im Anschluss wurde der FDP-Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, der Antrag der Grünen zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen.
Grüne: Wir haben diese eine Chance
In der Aussprache sagte Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen), das Coronavirus lege „schonungslos die blinden Flecken der Art und Weise offen, wie wir leben“. Ein Beispiel seien die Vorgänge in der Fleischindustrie. Dieses Beispiel zeige, dass es jetzt nicht nur darum gehe, die Folgen der Coronakrise mit einem Konjunkturprogramm aufzufangen, sondern sich auch um die Ursachen und Folgen anderer Krisen zu kümmern, allen voran der Klimakrise.
Dies habe die Bundesregierung nach der Finanzkrise versäumt, kritisierte Krischer am Beispiel der Abwrackprämie zur Förderung der Autoindustrie. Jetzt sei sie im Begriff, denselben Fehler wieder zu begehen, zuletzt mit der „Lufthansa-Rettung ohne Klimaauflagen“. Krischer forderte, ein Konjunkturprogramm zu nutzen, um Deutschland gegen Krisen wie den Klimawandel zu wappnen. „Wir haben diese eine Chance, die müssen wir nutzen.“
FDP: Märkte nicht behindern
Ganz grundsätzlich bemerkte Dr. Lukas Köhler (FDP), dass Märkte Rahmen bräuchten. Diese müsse man aber „so klug setzen, dass sie nicht behindert werden“. Das jedoch sei bei den Vorhaben der Koalition zu befürchten. Der Klimawandel habe eine „ganz andere Dimension als die Corona-Krise“. Da man „das Geld nur einmal ausgeben“ könne, müsse bei dem anstehenden Konjunkturprogramm der Klimaschutz mit angegangen werden.
Allerdings sei es der falsche Weg, bestimmte Technologien oder bestimmte Wirtschaftszweige wie die Autoindustrie zu fördern. Köhler plädierte vor allem für eine Ausweitung des Emissionshandels als erwiesenermaßen konjunkturstärkendem Mittel auf weitere Bereiche. Zudem müssten „unnötige Belastungen“ von Bürgern und Unternehmen vermieden werden.
CDU/CSU: Nachhaltige Marktwirtschaft etablieren
Rüdiger Kruse (CDU/CSU) zeigte sich erfreut, dass die Ansichten der verschiedenen Fraktionen „zumindest in der Zielvorstellung ziemlich ähnlich sind“. Über den Weg dorthin gebe aber ziemlich unterschiedliche Vorstellungen, wie die beiden Anträge zeigten. „Die FDP setzt wesentlich stärker auf Marktregulierung“, stellte Kruse fest. „Die Grünen setzen wesentlich stärker auf klare Direktiven.“
Die Union stehe hier in der Mitte und wolle „die bewährte Struktur der sozialen Marktwirtschaft nutzen, um eine nachhaltige Marktwirtschaft zu etablieren“. Daraus folge, dass es nicht richtig sei, bei einer Einzelmaßnahme wie der Rettung der Lufthansa „diesem einzelnen Unternehmen Vorschriften zu machen“. Denn Aufgabe des Staates sei es, den Wettbewerb insgesamt zu regulieren, also umweltpolitisch, klimapolitisch oder sozialpolitisch für den gesamten Bereich der Luftfahrt.
AfD will moderne Kernkraft fördern
Für die AfD-Fraktion arbeitete sich Andreas Bleck vor allem an dem von den Grünen vorgeschlagenen Programm im Umfang von 600 Milliarden Euro ab. „Getreu dem Motto: Viel hilft viel“ verspielten die Grünen das „letzte Tafelsilber“, nämlich die Kreditfähigkeit Deutschlands. Und „wie aus dem Politbüro heraus“ wollten sie von „oben anordnen, welche Technologie gefördert und welche verhindert wird“.
Am FDP-Antrag kritisierte Bleck vor allem die Fokussierung auf den Emissionshandel, den seine Fraktion ablehne. Der Forderung der Liberalen nach Technologieoffenheit stimme die AfD dagegen zu. Bleck plädierte für die Förderung moderner Kernkraft-Technologie. Mit ihr sei man „nicht gezwungen, sich zwischen Klimaschutz oder Versorgungssicherheit zu entscheiden“.
SPD: Ökonomie, Ökologie und Soziales vereinen
Auf die Vorlage des „größten Konjunkturpakets aller Zeiten“ durch die Bundesregierung vor der nächsten Sitzungswoche des Parlaments verwies Carsten Träger (SPD). Dieses müsse einen nachhaltigen Weg vorgeben nach dem Grundsatz „Ökonomie, Ökologie und Soziales geht Hand in Hand am besten“.
Ausdrücklich plädierte Träger dafür, die Autoindustrie als „unsere Leitindustrie“ im Blick zu behalten. Ihre Unterstützung müsse allerdings neue Technologien „zum Fliegen bringen“. Es gehe darum, „dass wir nachhaltige Hilfe leisten und keine Strohfeuer entzünden“. Timon Gremmels (SPD) verwahrte sich gegen den Vorwurf, seine Partei sei Lobbyistin der Autoindustrie, mit den Worten: „Wir sind Lobbyisten der zwei Millionen Beschäftigen in der Automobilwirtschaft.“
Linke betont soziale Gerechtigkeit
Bernd Riexinger (Die Linke) betonte, Beschäftigungssicherung und Klimaschutz erforderten einen „grundsätzlichen Richtungswechsel hin zu sozialer Gerechtigkeit, hin zu einer nachhaltigen, emissionsfreien Wirtschaft“. Steuersenkungen und eine Senkung des Mindestlohns seien ebenso falsch wie die Förderung von Unternehmen, „die Dividenden auszahlen oder die Mitbestimmung mit Füßen treten“.
Riexinger forderte eine bessere Bezahlung von Pflegekräften, die Rekommunalisierung von Krankenhäusern und eine finanzielle Entlastung der Kommunen. Gefördert werden müssten zudem eine „sozial verträgliche Verkehrswende“ sowie der Umbau der Autokonzerne und Zulieferbetriebe zu „Mobilitätsunternehmen, die einen Beitrag zur Rettung des Klimas leisten“.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion will mit ihrem Antrag (19/19510) sicherstellen, dass staatliche Maßnahmen zur Wiederankurbelung der Wirtschaft dem Klimaschutz dienen, ohne dabei den Markt zu verzerren oder Freiheitsrechte einzuschränken. Bei der Corona-Pandemie handele es sich um einen Notstand, der „unmittelbar radikale Sofortmaßnahmen erforderlich“ mache. Diese „erheblichen Freiheitseinschränkungen“ dürften aber „nicht als Vorbild für den Klimaschutz dienen, denn die Menschen würden sie sich berechtigterweise nicht dauerhaft zumuten lassen“.
Der Staat solle seine Maßnahmen vielmehr darauf konzentrieren, die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft zu fördern. Daraus ergibt sich für die FDP-Abgeordneten eine Reihe konkreter Forderungen. So solle die Stromsteuer gesenkt werden, um „Investitionen in strombasierte klimafreundliche Investitionen anzureizen“. Statt einen nationalen Kohlendioxidpreis einzuführen, solle die Bundesregierung die Einbindung des Verkehrs- und Gebäudesektors in den EU-Emissionshandel unterstützen. Innovationsförderung solle technologieneutral erfolgen, also beispielsweise nicht Elektromobilität gegenüber anderen nachhaltigen Antriebstechniken bevorzugen. Ausdrücklich wendet sich die Fraktion gegen steuerfinanzierte Kaufanreize etwa für Neuwagen.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag (19/19549) unter anderem auf, ein Konjunkturprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro und ein Investitionsprogramm in Höhe von 500 Milliarden Euro aufzulegen und sich bei der Ausgestaltung der notwendigen Konjunktur- und Investitionsmaßnahmen an einer Reihe von Kriterien zu orientieren
So sollten die Maßnahmen innovative und branchenspezifische Lösungen beinhalten, die dort ansetzen, wo die Corona-Krise besonders hart trifft. Unternehmen, die mit staatlichen Geldern unterstützt werden, sollten keine Boni, Sonderzahlungen in Form von Aktienpaketen oder andere gesonderte Vergütungen (Gratifikationen) neben dem Festgehalt für ihre Organmitglieder auszahlen dürfen. Auch müssten sie auf Aktienrückkäufe und Dividendenausschüttungen verzichten.
Zudem müssten sie offenlegen, in welchem Land sie welchen Gewinn machen und wie viele Steuern sie wo zahlen. Öffentliche Gelder dürften unter keinen Umständen dazu beitragen, dass Steuerschlupflöcher ausgeweitet werden. Tochterunternehmen in Steueroasen müssten geschlossen werden. Wenn der Staat sich mit Steuergeldern an Unternehmen beteiligt, müsse er auch Mitspracherechte haben und Einfluss auf die Unternehmensstrategie nehmen können, wie private Investoren auch, schreibt die Fraktion.(hau/ste/hle/29.05.2020)