Umsetzung von EU-Regeln zur Arbeitnehmer-Entsendung erörtert
Die Bundesregierung will Änderungen der EU-Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie in deutsches Recht übertragen. In der Debatte am Freitag, 29. Mai 2020, ging es um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung einer verschärften europäischen Richtlinie über die „Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen“ (19/19371). Überdies befassten sich die Abgeordneten mit zwei Anträgen – zum einen der FDP-Fraktion („Für einen unbürokratischen Binnenmarkt – Auslandsentsendungen vereinfachen und Protektionismus bekämpfen“, 19/19259), zum anderen der Fraktion Die Linke („Ausbeutung und Lohndumping bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung konsequent unterbinden“, 19/19231). Gesetzentwurf und Anträge wurden zur weiteren federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Minister: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort: Diese Maxime bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer beschwor nicht nur der Minister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD). Jeder Mensch, der in Deutschland arbeitet, habe das Recht, vor Risiken geschützt zu werden, meinte der Minister.
Ob Arbeitsverhältnisse, ob Wohnverhältnisse: Recht müsse geschaffen und durchgesetzt werden. „Wir sind für ein freizügiges Europa“, versicherte Heil: „Wer Freizügigkeit mit Ausbeutung verwechselt, hat uns zum Gegner.“ Auf die Agenda der zur Jahresmitte beginnenden EU-Präsidentschaft gehöre auch, einen Beitrag zu leisten für ein faires, sozialeres Europa.
AfD kritisiert EU der Ausbeutung
Norbert Kleinwächter (AfD) befand, der Gesetzentwurf sei lediglich ein Pflästerchen auf eine weit aufklaffenden Wunde. Es gebe keinen echten gemeinsamen Markt in Europa. Eine Richtlinie nach der anderen werde erlassen. Kompliziert und bürokratisch seien sie.
Besser wären Regelungen durch die Mitgliedstaaten selbst, sagte Kleinwächter. Eigentlich sei es doch so, dass die EU für viele Bürger keine EU der Freiheit, sondern eine EU der Ausbeutung sei.
CDU/CSU tritt für fairen EU-Wettbewerb ein
Uwe Schummer (CDU/CSU) beschwor den fairen Wettbewerb in der EU. Unternehmer, die sich anständig verhalten, dürften nicht das Opfer von Wildwest werden. Die EU-Entsenderichtlinie sei nun der Wirklichkeit angepasst worden. Ohne Kontrolle werde es kein Recht geben, hob er im Hinblick auf Arbeitsbedingungen und Unterkünfte ab.
Er verwies auf die Notwendigkeit guter Beratung und Begleitung ausländischer Arbeitnehmer. Das sei auch die beste Skandal-Prävention für Unternehmen.
FDP: Sozial- und Freiheitsschutz im Gleichgewicht
Carl-Julius Cronenberg (FDP) forderte, die Entsenderichtlinie dürfe nicht Markt und Wettbewerb aushebeln. Statt die Richtlinie eins zu eins umzusetzen, sattele die Regierung in ihrem Gesetzentwurf noch drauf.
Sozialschutz und Freiheitsschutz müssten im Gleichgewicht gehalten werden, meinte er mit Blick darauf, dass Deutschland das größte Zielland für Arbeitskräfte aus anderen europäischen Ländern sei – und zugleich der zweitgrößte Entsender.
Linke kritisiert Lohndumping
Pascal Meiser (Die Linke) prangerte systematisches Lohndumping und Ausbeutung nicht nur in Schlachtanlagen, sondern auch auf dem Bau, bei der Paketzustellung oder im Schiffbau an. Das müsse konsequent unterbunden werden.
In die Röhre schauten dabei auch jene Unternehmen, die hierzulande richtige Löhne zahlen. Der Gesetzentwurf müsse dringend nachgebessert werden. Was der Minister als großen Wurf verkaufe, werde dem Anspruch nicht gerecht.
Grüne fordern Umsetzung von Verbandsklagerecht
Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) verlangte, die EU-Richtlinie müsse endlich richtig umgesetzt werden. EU-Beschäftigte müssten fair und auf Augenhöhe behandelt werden. Der Gesetzentwurf setze die Richtlinie nicht eins zu eins um. Damit werde eine Chance verpasst. Dies sei nicht akzeptabel. So werde nicht der Gestaltungsspielraum genutzt, ein Verbandsklagerecht einzuführen. Jeder Betroffene müsse weiterhin den steinigen Weg der individuellen Klage einschlagen.
SPD fordert mehr Rechte für Beschäftigte
Bernd Rützel (SPD) verwies auf Branchen wie Agrar, Pflege, Bau, Fleischindustrie, die angewiesen seien auf Menschen aus anderen EU-Staaten. Bisher würden ihnen nur Mindestbedingungen garantiert: Jetzt würden Schutz und Rechte der Beschäftigten deutlich ausgeweitet.
Verbesserte Kontrolle durch über 1.000 neue Stellen beim Zoll seien ein wichtiger Schritt zu mehr Fairness. Das nütze auch einheimischen Beschäftigten, die nicht durch Dumping verdrängt werden.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Durch die gesetzliche Neuregelung sollen aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer nicht mehr nur Anspruch auf den Mindestlohn, sondern auch auf den Tariflohn aus allgemeinverbindlichen Tarifverträgen haben. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland sollen zudem künftig Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Schmutz- und Gefahrenzulagen erhalten. Bezahlen Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine Zulage für Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten, darf dieser Betrag laut Bundesregierung nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.
Grundsätzlich sollen künftig für Beschäftigte aus dem Ausland nach zwölf Monaten alle in Deutschland vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen gelten. In begründeten Ausnahmefällen können Arbeitgeber eine Fristverlängerung um sechs Monate beantragen. Ausgenommen von den Änderungen ist der Straßenverkehrssektor. Für Fernfahrer sollen die geplanten Regelungen demnach nicht gelten.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/19259), Auslandsentsendungen zu vereinfachen und Protektionismus zu bekämpfen. Die Fraktion verweist auf die große Bedeutung der Entsendung von deutschen Arbeitnehmern ins europäische Ausland und kritisiert, dass mittlerweile ein uneinheitlicher und undurchschaubarer Flickenteppich an Entsenderegelungen entstanden sei. Dies widerspreche dem Grundgedanken des Binnenmarktes, schreiben die Liberalen.
Sie fordern deshalb von der Bundesregierung unter anderem, bei der Umsetzung der nationalen Entsenderichtlinie für eine Eins-zu-eins-Umsetzung zu sorgen und nicht im Nachhinein neue bürokratische Maßnahmen darin zu integrieren. Außerdem solle sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Entsenderichtlinie europaweit möglichst einheitlich umgesetzt wird und dass es für kurzfristige Dienstreisen und bei Kurzentsendungen Ausnahmen von der A-1-Bescheinigung von bis zu 14 Tagen geben soll. Darüber hinaus fordert die FDP, auch allgemein den Umgang mit der A-1-Bescheinigung zu entbürokratisieren. Die Europäische Arbeitsbehörde müsse zu einer zentralen Anlauf- und Informationsstelle für alle Unternehmen ausgebaut werden, heißt es in dem Antrag.
Antrag der Linken
Die Linke fordert in ihrem Antrag (19/19231), Ausbeutung und Lohndumping bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung zu unterbinden. Auf deutschen Baustellen, in Schlachtbetrieben oder in der Pflege sei die Unterschlagung von Lohnbestandteilen und Sozialversicherungsbetrug im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Entsendung von Beschäftigten, deren Arbeitgeber ihren Sitz in anderen europäischen Ländern haben, vielerorts Alltag, schreiben die Linken.
Die Fraktion fordert deshalb von der Bundesregierung unter anderem, einen Gesetzentwurf „zur unionsrechtskonformen Umsetzung der EU-Richtlinie 2018 / 957“ vorzulegen, der Beschäftigte umfassend schützt und für einen fairen Wettbewerb zwischen ausländischen und inländischen Unternehmen sorgt. Darin solle unter anderem die Aufspaltung des Entlohnungsbegriffs in „Mindestentgeltsätze“ und „darüber hinausgehende Entlohnungsbestandteil“„ im Arbeitnehmerentsendegesetz aufgegeben werden. Ferner verlangt die Fraktion einen Gesetzentwurf, mit dem im Tarifvertragsgesetz die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtert werden. Auch müsse die Kontrolle und Überwachung der Entsenderichtlinie durch entsprechende Gesetzentwürfe besser umgesetzt und garantiert werden, schreiben die Abgeordneten. (fla/che/hau/29.05.2020)