Direktinvestitionen aus Nicht-EU-Staaten sollen genauer geprüft werden
Der Bundestag hat am Donnerstag, 23. April 2020, in erster Lesung einen Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur ersten Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze (19/18700) beraten. Gegenstand der Aussprache waren auch Anträge von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Schlüsseltechnologien und europäische Souveränität im Zuge der Covid-19-Pandemie schützen“ (19/18703) und der FDP-Fraktion mit dem Titel „Selbstbewusstsein statt Abschottung – Für ein liberales Außenwirtschaftsrecht trotz Corona-Pandemie“ (19/18673). Der Bundestag überwies alle Vorlagen zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie.
Minister: Stresstest für die Globalisierung
Als „Stresstest für die Globalisierung“ hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier (CDU), die Corona-Pandemie eingestuft. Doch einen Schritt zurück werde es nicht geben. So würden jetzt deutsche Unternehmen davor geschützt, Opfer von Übernahme-Interessenten zu werden, nur weil derzeit die Aktienkurse niedrig seien.
Freilich seien auch in Zukunft ausländische Investoren erwünscht, so wie deutsche Unternehmer unterstützt würden, die im Ausland investieren wollten, sagte Altmaier. Laut Koalitionsentwurf (19/18700) sollen die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten bei der Überprüfung von Direktinvestitionen aus Nicht-EU-Staaten verbessert und zusätzliche Handlungsspielräume für die nationalen Gesetzgeber erschlossen werden.
„Wehrhafte soziale Marktwirtschaft“
Altmaier verwies darauf, dass Deutschland seit Jahrzehnten mit die liberalsten Übernahme-Vorgaben habe. Die Unternehmer sollten ausdrücklich die Möglichkeit erhalten, ihre Firmen zu veräußern und damit Geld zu verdienen. Sein Ministerium habe von mehr als 100 Übernahme-Anträgen weniger als ein Prozent nicht genehmigt.
Allerdings sei Deutschland bei Investitionsprüfungen zwar weiter liberal, aber auch nicht blauäugig, beschwor er eine „wehrhafte soziale Marktwirtschaft“. Wenn es um Sicherheit und Technologie gehe, um lebenswichtige Güter, um den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit würden deutsche Firmen vor Übernahmen aus Drittstaaten geschützt.
AfD: Gesetzentwurf greift zu kurz
Hansjörg Müller (AfD) bescheinigte dem Gesetzentwurf, in die richtige Richtung zu gehen. Die Bedrohung der Übernahme von deutschen Unternehmen durch Staaten oder globale Organisationen werde gestoppt. Sie seien nur zu beeindrucken, wenn eigene Gegenmittel eingesetzt würden: „Wer uns unter Druck setzen will, den müssen wir unter Druck setzen.“
Allerdings greife der Gesetzentwurf viel zu kurz. Die Unternehmen würden weiter mit sinnloser Bürokratie stranguliert. Die EU gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte. Stattdessen müssten nationale Wirtschaftsräume entstehen.
SPD: Lücke im Prüfverfahren wird geschlossen
Markus Töns (SPD) sah angesichts der Corona-Pandemie akuten Handlungsbedarf. Die Talfahrt der Aktienkurse könnte ausländische Investoren zu Schnäppchentouren animieren. Bei Übernahme-Anträgen gehe es um die Prüfung, ob Deutschlands Sicherheit und seine technische Souveränität gefährdet werden könnten.
Töns verwies darauf, dass mit der beabsichtigten Gesetzesnovelle eine Lücke im Prüfverfahren geschlossen werde. Bisher könnten Geschäfte vor Abschluss des Verfahrens abgeschlossen werden – eine Umgehung des Prüfungsmechanismus.
FDP kritisiert „Bunkermentalität“
Reinhard Houben (FDP) kritisierte, dass mit dem Gesetzesvorhaben jetzt ausgerechnet in der schlimmsten Rezession ein Kurs gegen die Wirtschaft gefahren werde. Die Wirtschaftsverbände seien gegen die Novelle. Volkswirtschaft und Unternehmen nähmen keinen Schaden, wenn Ausländer Investitionen vornähmen. Vielmehr brächten sie Kapital, Arbeitsplätze und Know-how.
Houben hielt der Koalition eine „Bunkermentalität“ vor. Sie verabschiede sich peu à peu von der freien Marktwirtschaft.
Linke: Ministerium schöpft Möglichkeiten nicht aus
Klaus Ernst (Die Linke) hielt dem Wirtschaftsministerium vor, bei Investitionsprüfungen nicht alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Angesichts des Gesetzesvorhabens erwarte er von seinem Hause ein bisschen mehr Engagement, sagte er in Richtung Altmaier.
Ernst wies das Arbeitsplatz-Argument seines Vorredners Houben zurück. Tatsächlich gehe es ausländischen Investoren oft um „kaufen, filetieren, weiterverkaufen“. Am Ende gebe es bei Weitem weniger Arbeitsplätze. Die Linke wolle sich dafür einsetzen, dass in den Kriterien-Katalog bei Investitionsprüfungen auch die Arbeitsplatzsicherheit aufgenommen werde.
Grüne: Staatlichen Handlungsspielraum erweitern
Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) wollte den staatlichen Handlungsspielraum gegenüber dem Gesetzentwurf noch erweitern. Dies solle auf die Zeit der Corona-Pandemie begrenzt werden. Schließlich wisse noch keiner, was zur Bewältigung der Krise relevant werden könne.
Wenn Unternehmen jetzt unterstützt würden, sei die Auszahlung von Boni und Dividenden nicht möglich. In der Krise gingen jetzt oft vernünftiges staatliches Handeln und großartiges unternehmerisches Engagement zusammen.
CDU/CSU: Zeitrahmen für die Prüfung benennen
Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) beschrieb ausländische Investitionen als „wirtschaftspolitischen Vorgang, den wir alle wollen“. Er begrüßte, dass mit der geplanten Gesetzesänderung nun ein europäischer Standard festgeschrieben werden solle.
Die vorliegende Fassung der Novelle sollte aber noch verändert werden. So sei es für die Beteiligten wichtig, den Zeitrahmen genannt zu bekommen, in dem das Wirtschaftsministerium die Prüfung vornehme. Auch stellte er die Frage, ob bei beabsichtigten Verkäufen von zehn Prozent einer Firma bereits das Prüfverfahren durchgeführt werden solle.
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD
Mit der Novelle (19/18700) soll im Wesentlichen die 2019 in Kraft getretene EU-Screening-Verordnung umgesetzt werden, die erstmals auf europäischer Ebene Vorgaben zur Investitionsprüfung macht. Der Fokus der Neuregelungen liegt der Bundesregierung zufolge auf dem Prüfmaßstab: Künftig soll es bei der Prüfung darauf ankommen, ob ein Erwerb zu einer „voraussichtlichen Beeinträchtigung“ der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit führt. Bisher war eine „tatsächliche Gefährdung“ maßgeblich. Durch die Änderung könnten künftig kritische Unternehmenserwerbe „vorausschauender“ geprüft werden.
Neben den Auswirkungen eines Erwerbs in Deutschland rücken künftig auch Auswirkungen auf andere EU-Mitgliedstaaten sowie auf EU-Programme und -Projekte stärker in den Fokus der Prüfung. Darüber hinaus soll jeder meldepflichtige Erwerb für die Dauer der Prüfung schwebend unwirksam sein. „Dadurch wird verhindert, dass die Erwerbsbeteiligten während der laufenden Prüfung vollendete Tatsachen schaffen und die Ziele der Investitionsprüfung unterlaufen“, schreibt die Bundesregierung.
In einem zweiten, zeitlich nachgelagerten, Schritt ist zudem geplant, die Außenwirtschaftsverordnung zu novellieren. Dabei wird es insbesondere darum gehen, kritische Technologien zu bestimmen, die von der Investitionsprüfung erfasst werden sollen.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern in ihrem Antrag (19/18703), Unternehmen, die im Rahmen der Corona-Krise in wirtschaftliche Probleme geraten sind, vor strategisch motivierten Übernahmen durch Investoren aus Nicht-EU-Staaten zu schützen, indem zeitlich befristet auf zunächst ein Jahr mit der Option auf Verlängerung für ein weiteres Jahr der Prüfvorbehalt der Außenwirtschaftsverordnung auf Schlüsseltechnologien ausgeweitet wird.
Die Einzelfallentscheidung, welche Unternehmen in den Bereich der Schlüsseltechnologien fallen und welche Übernahmen untersagt werden, solle einem interministeriellen Ausschuss übertragen werden. Um eine schnelle Bearbeitung der Prüffälle zu gewährleisten, müsse der Personalbedarf im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geprüft und das Personal gegebenenfalls aufgestockt werden.
Antrag der FDP
Die Liberalen sprechen sich in ihrer Vorlage (19/18673) unter anderem dafür aus, dass die Bundesregierung sich auf nationaler und europäischer Ebene dafür einsetzen soll, dass Investitionsprüfungen nicht aus industrie- und technologiepolitischen Erwägungen erfolgen, sondern sich auf das etablierte Kriterium „Schutz der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit“ entsprechend der geltenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes beschränken.
Auch die Transparenz und Verlässlichkeit des Investitionsprüfungsverfahrens soll verbessert werden, indem insbesondere präzisiert werden soll, welche Faktoren tatsächlich für eine Gefährdung der „nationalen Sicherheit und Ordnung“ im Kontext Volkswirtschaft und Industrie zu betrachten sind. (fla/23.04.2020)