Konzepte für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege erörtert
Die Arbeit der Pflegekräfte ist nach Überzeugung aller Fraktionen im Parlament auch unabhängig von der aktuellen Coronakrise von überragender Bedeutung. In der ersten Aussprache über zwei Anträge der Linksfraktion (19/19141, 19/19139) machten die Gesundheits- und Sozialexperten der Fraktionen am Freitag, 15. Mai 2020, deutlich, dass attraktivere Arbeitsbedingungen, eine bessere Bezahlung und eine größere Zahl von Pflegekräften grundsätzlich wünschenswert wären. Die Forderungen der Linksfraktion trafen jedoch nur bei SPD und Grünen auf Zustimmung, AfD, FDP und Unionsfraktion wiesen die Konzepte als untauglich zurück. Die Anträge wurden zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen.
Erster Antrag der Linken
Im ersten Antrag der Linksfraktion (19/19141) heißt es, während der Pandemie könne noch bis Ende Juni in systemrelevanten Berufen die tägliche Arbeitszeit auf zwölf Stunden erweitert und die Ruhezeit eingeschränkt werden. Leidtragende seien neben den Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege auch die Patienten. Die Abgeordneten fordern, alle Pflegeberufe unverzüglich aus der Covid-19-Arbeitszeitverordnung herauszunehmen und sicherzustellen, dass die Verordnung nicht über den 31. Juli 2020 hinaus verlängert werde.
Zudem sollte die Möglichkeit geschaffen werden, die Höchstarbeitszeit einer Vollzeitstelle als Pflegekraft bis auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich reduzieren zu können. In Pandemiezeiten sollten Schichtzeiten von sechs Stunden täglich nicht überschritten werden und eine Pause gewährleistet sein. Auch müssten Fachkräfte für die Pflege zurückgewonnen werden.
Zweiter Antrag der Linken
Im zweiten Antrag (19/19139) fordert die Linke für nichtärztliche Beschäftigte in der Gesundheitsversorgung, insbesondere Pflegekräfte in Kliniken, Notfallsanitäter, medizinisch-technische Assistenten, Labormitarbeiter, Heilmittelerbringer sowie Reinigungs- und Servicekräfte, eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 1.500 Euro, aus Steuern finanziert.
Außerdem sollten die Tarifparteien darin unterstützt werden, eine bundesweit tragfähige Tarifstruktur für Pflegebeschäftigte zu schaffen, um Tarifverträge schnellstmöglich für allgemeinverbindlich zu erklären.
Linke: Attraktive Arbeitsbedingungen nötig
Susanne Ferschl (Die Linke) verdeutlichte den Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und gesundheitlichen Risiken und merkte an, Erfahrungen aus China hätten gezeigt, dass weniger Patienten stürben und sich weniger Mitarbeiter ansteckten, wenn die Schichten kürzer ausfielen. Sie fügte hinzu, in Deutschland hätten sich schon rund 11.000 Beschäftigte, die Coronapatienten versorgen, selbst infiziert, 17 seien gestorben. Die Beschäftigten dürften nicht überlastet werden, die Arbeitszeit sollte auf sechs Stunden reduziert werden.
Ferschl betonte, es sei Schwerstarbeit, in Schutzanzügen zu arbeiten. Schon aus Gründen des Arbeitsschutzes müsse der „Wahnsinn“ von überlangen Schichten sofort beendet werden. Zudem seien dringend attraktive Arbeitsbedingungen nötig, denn rund 400.000 Pflegekräfte hätten sich aus dem Beruf zurückgezogen oder seien in Teilzeit geflüchtet. Wichtig sei ein verbindlicher Personalschlüssel.
SPD: Personalschlüssel in stationärer Pflege verbessern
Heike Baehrens (SPD) stimmte den Forderungen im Wesentlichen zu. Der jetzt beschlossene Bonus für Pflegekräfte sei hochverdient und ein starkes Signal in Ausnahmezeiten, aber die Pflege verdiene mehr. Eine echte Anerkennung der Leistungen könne nur über Tarifbezahlung und gute Arbeitsbedingungen erreicht werden.
Pflegekräfte brächten im Übrigen immer ihre Leistungen, die nun auch endlich wahrgenommen würden. Die Leistung werde allerdings „mit viel Druck im Kessel erbracht“.
Baehrens forderte die Tarifpartner auf, schnell einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag zu schließen. Nötig seien außerdem mehr Pflegekräfte und ein Personalbemessungsinstrument. In der stationären Pflege müsse der Personalschlüssel besser werden.
Grüne: Arbeitszeitverordnung streichen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, die Pflege sei schon vor der Coronakrise „an ihrem Limit“ gewesen. Die Lage sei nun zugespitzter denn je, das dürfe so nicht bleiben. Die Arbeitsbedingungen müssten gerade jetzt erörtert werden, denn Arbeitsschutz sei auch Gesundheitsschutz. Die Pflegekräfte hätten alle Hände voll zu tun und dürften möglichst nicht krank werden.
Die Grünen-Politikerin sagte, die Arbeitszeitverordnung sollte nicht nur ausgesetzt, sondern gestrichen werden. Sie forderte auch mehr Eigenverantwortung für Pflegefachkräfte, etwa in der Wundversorgung, sowie eine starke Interessenvertretung für die Pflege. Die Personalbemessung in der Alten- und Krankenpflege müsse am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden. Die Pflegeprämie sei gut, aber die Tarife müssten sich dauerhaft erhöhen. Nötig seien eine bessere Bezahlung, kürzere Arbeitszeiten und mehr Personal.
AfD vermisst die finanzielle Absicherung
Detlev Spangenberg (AfD) sagte, niemand stelle die Arbeit der Pflegefachkräfte infrage, die Linke habe jedoch einen reinen „Schaufensterantrag“ vorgelegt. So müssten sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege auch ganz unabhängig von der jetzigen Lage verbessern.
Spangenberg hielt der Linken vor, sich als Fürsorgepartei aufzuspielen und dabei andere in der Gesundheitskrise betroffene Branchen wie etwa Lkw-Fahrer, Polizisten oder Agrarbeschäftigte außen vor zu lassen. Zudem gebe es für die Anträge keine finanzielle Absicherung.
FDP warnt vor reiner Arbeitszeitreduzierung
Auch Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) attestierte den Pflegekräften eine „tolle Arbeit“. Pflege sei eine körperlich und seelisch harte Arbeit, die zudem von viel Bürokratie belastet sei. Es gebe aber auch genügend Beispiele dafür, dass man schöne Dinge aus dem Beruf ziehen könne. Der Beruf des Pflegers sollte daher nicht schlechtgemacht werden.
Schinnenburg warnte vor einer reinen Arbeitszeitreduzierung. Dies hätte eine enorme Arbeitsverdichtung oder unversorgte Patienten zur Folge. Es gebe nicht genügend Pflegekräfte, um die Arbeitszeit zu kürzen.
CDU/CSU erwartet bald einen Tarifvertrag
Lothar Riebsamen (CDU/CSU) verteidigte die Arbeitszeitverordnung in der aktuellen Lage. Die Regelung sei an enge Bedingungen geknüpft und notwendig, um in einem außergewöhnlichen Notfall Gefahren abwenden zu können.
Die Forderungen der Linksfraktion kämen gerade jetzt zu einem falschen Zeitpunkt. Die Pflegekräfte wollten helfen und nicht anderen die Arbeit überlassen. Gleichwohl sei die Forderung nach Tarifverträgen in der Pflege richtig. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür seien schon geschaffen worden, einen Tarifvertrag müssten aber die Tarifpartner aushandeln. Riebsamen sagte, er gehe davon aus, dass es bald einen solchen Tarifvertrag gebe. (pk/15.05.2020)