Linke und FDP wollen Änderungen bei Hartz IV
Die Bundesregierung soll auf das „offensichtliche Kleinrechnen“ des Existenzminimums verzichten und die Hartz-IV-Sätze erhöhen: Das hat die Linke in einer Debatte des Deutschen Bundestages am Freitagnachmittag, 7. Juni 2019, gefordert. Ein entsprechender Antrag (19/10621) wurde gemeinsam mit einem Antrag der Liberalen (19/10619), Hartz IV zu entbürokratisieren, zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Linke will Hartz IV überwinden
Für Die Linke sagte Susanne Ferschl, wer „Hart IV überwinden will, muss in einem ersten Schritt die Regelsätze erhöhen“. Jedes fünfte Kind in Deutschland lebe in Armut, ein Drittel der Armen sei erwerbstätig. Dies sei „ein Skandal“. Hartz IV sei ein „Disziplinierungsinstrument“, das Arbeitnehmer in schlechte Jobs treibe.
Die Regelsätze würden politisch kleingerechnet und beinhalteten keine Leistungen für Teilhabe. Würden sie „sauber und gerecht“ berechnet, ergäbe sich für 2019 ein Regelsatz von 582 Euro pro Monat.
CDU/CSU mahnt gesellschaftliche Solidarität an
Die Unionsfraktion lehnt den Vorstoß der Linken ab. Prof. Dr. Matthias Zimmer sagte, jemand, der „keine Lust auf Arbeit hat“, dürfe nicht von denen bezahlt werden, die ihr Leben selbst gestalten; dies sei eine Frage der gesellschaftlichen Solidarität. Man werde die Regelsätze weiterhin „ordentlich berechnen lassen“.
Einige Vorschläge aus dem FDP-Antrag seien dagegen bedenkenswert: so etwa die vorgeschlagene Einführung einer Bagatellgrenze und ein leichteres Antragsverfahren für das Bildungs- und Teilhabepaket, das derzeit „grotesk kompliziert“ sei.
AfD: Geringverdiener stärken
Für die AfD verwies Uwe Witt auf einen Antrag seiner Fraktion, die schon längst festgestellt habe, dass die Regelsätze seit 2011 zu niedrig seien und heute bei rund 582 Euro liegen müssten.
Seine Fraktion aber wolle vor allem rund 17 Millionen Arbeitnehmer, die „kein Auskommen vom Einkommen“ hätten, sowie Geringverdiener stärken. Dies sei eine Frage der Wertschätzung von Menschen, „die sich nicht zu schade sind, im Niedriglohnbereich zu arbeiten“.
SPD: Reform des Sozialstaats nötig
Die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt wies darauf hin, dass mit dem Mindestlohn, dem Gute-Kita-Gesetz und dem Starke-Familien-Gesetz bereits viel erreicht worden sei; ihre Partei wolle aber darüber hinaus eine Reform des Sozialstaats.
Man wolle einerseits Menschen das Recht auf Arbeit gewähren und andererseits diejenigen mit besserer Beratung, sozialer Infrastruktur und mehr Hilfe unterstützen, die nicht in der Lage seien, für sich selbst zu sorgen.
FDP fordert Entbürokratisierung
Der liberale Abgeordnete Pascal Kober sagte, mit ihrem Antrag entlarve sich die Linke: Sie wolle Menschen „in Abhängigkeit vom Sozialstaat halten“; dieses Menschenbild lehne er ab. Seine Fraktion wolle eine Bagatellgrenze von 25 Euro einführen, damit etwa Überzahlungen von Cent-Beträgen nicht mehr seitenweise Bescheide nach sich führten.
Die Mitarbeiter in den Jobcentern müssten wieder mehr Zeit für Beratung haben und sollten nicht selbst über die Angemessenheit von Wohnungen entscheiden. Dafür müsse es entweder Pauschalen oder klare Definitionen geben. Zudem brauche es eine einfach Sprache: Die Menschen könnten erwarten, „dass der Staat verständlich ist“.
Grüne: Neuberechnung der Regelsätze nötig
Für Bündnis 90/Die Grünen sprach sich Sven Lehmann für eine existenzsichernde und sanktionsfreie „Garantiesicherung“ aus. Die Berechnung der Regelsätze dürfe sich nicht wie bisher an den Armutshaushalten orientieren, sondern an der gesellschaftlichen Mitte. Das Lohnabstandsgebot dürfe bei der Bedarfsermittlung keine Rolle spielen.
Klar sei, dass Menschen in Arbeit mehr haben müssten als nicht Erwerbstätige; dafür seien aber etwa höhere Löhne und eine größere Tarifbindung entscheidend.
Antrag der Linken
Die Linke fordert die Bundesregierung auf, auf das „offensichtliche Kleinrechnen des Existenzminimums“ zu verzichten und die Regelleistungen für Erwachsene beim Arbeitslosengeld II, der Sozialhilfe und den Asylbewerberleistungen sofort von 424 Euro auf 582 Euro anzuheben.
Dass die Erhöhung der Regelleistungen zwingend sei, ergebe sich aus der fehlerhaften Berechnung der gegenwärtigen Beträge. Sie seien in vielen kleinen Rechenschritten kleingerechnet worden. Ein anderer Kürzungsschritt bestehe darin, einzelne Posten aus dem Gesamtbetrag herauszustreichen, was dem Statistikverfahren widerspreche, das im Regelbedarfsermittlungsgesetz vorgeschrieben sei, schreiben die Abgeordneten.
Antrag der FDP
Die FDP fordert die Bundesregierung auf, eine Bagatellgrenze von 25 Euro für Aufhebungs- und Erstattungsverfahren von Jobcentern einzuführen und die Zuständigkeit für die Betreuung und Arbeitsvermittlung von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitslosengeld-II-Beziehern an die Agenturen für Arbeit zu übertragen.
Darüber hinaus wollen die Liberalen regional ausdifferenzierte Pauschalen für Kosten der Unterkunft und Heizung und ein einfacheres Verfahren zur Bestimmung der Pauschalen oder Kostenobergrenzen einführen. Die FDP tritt zudem für eine gesamtschuldnerische Haftung einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft ein. (suk/vom/hau/07.06.2019)