Wege zu einem modernen Prüfungswesen erörtert
In ihrer 20. Sitzung hat die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ am Montag, 20. April 2020, in einer öffentlichen Anhörung – online – über Modernisierungsoptionen für ein Prüfungswesen der Zukunft diskutiert. Auch ging es um veränderte Anforderungen durch die digital gewandelte Arbeitswelt. „Eine Präsenzveranstaltung wäre wegen der Corona-Pandemie nicht möglich gewesen, deswegen betreten wir Neuland und führen eine Webkonferenz durch“, eröffnete der Vorsitzende Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) die Sitzung.
„Handlungsfähigkeit der Ausbilder und Prüfer stärken“
Dazu hatte die Kommission die externe Sachverständige Katja Caspari vom Bundesverband Deutscher Berufsausbilder e.V. (BDBA) eingeladen „Wir als Verband wollen die Handlungsfähigkeit der Ausbilder und Prüfer stärken“, sagte Caspari vom 1974 gegründeten BDBA. Als Motive von ehrenamtlich aktiven Menschen im Prüfungsamt nannte sie vor allem einen Wissensvorsprung, die regionale Vernetzung und auch ein „Aktivbleiben“ im eigenen Berufsfeld. Es bestehe das Problem, dass durch die Prüfungsökonomie das Berufsethos angegriffen werde.
In der Folge engagierten sich immer weniger Prüfer, da ihre Handlungskompetenz abnehme. Weitere Probleme für Prüfer seien vor allem Beurteilungsfehler und eine mangelnde Prüfungsdidaktik, veraltetes Fachwissen und dass technologische Neuerungen nicht bekannt seien. Problematisch sei auch die niedrige Aufwandspauschale.
„Fachprüfung per Multiple-Choice-Verfahren wäre fatal“
Eine mögliche Lösung könne etwa darin liegen, eine Vergütung auf 450-Euro-Basis pro Prüfungszyklus einzuführen, sagte Caspari. Auch das Entwickeln eines digitales Fragenpools, in dem zum Beispiel eine Künstliche Intelligenz hinterlegt sei, sei eine Option. „Für fatal halten wir, eine zentrale Fachprüfung per Multiple-Choice-Verfahren. Das hat mit beruflicher Handlungskompetenz nichts zu tun“, sagte die Sachverständige.
Caspari plädierte auch für Bewertungsmöglichkeiten über digitale Beobachtungsbögen, um eine möglichst objektive Wertung zu erreichen. Wichtig sei zudem, dass die Prüfer eine Fortbildungspflicht hätten. Weitere Digitalisierungsschritte könnten in einem digitalen Quartalsbericht anstelle eines wöchentlichen Berichtshefts, einer digitalen Prüfungsanmeldung über den Personalausweis sowie in modularen Prüfungen liegen, sagte sie.
„Digital unterstützte Prüfungsformate entwickeln“
Für die Berufsschulen sprachen die sachverständigen Kommissionsmitglieder Carlo Dirschedl (Berufliche Schulen Altötting) und Sandra Garbade (Hamburger Institut für Berufliche Bildung). Beide betonten, dass sich die Weiterentwicklung des Prüfungswesens an aktuellen Voraussetzungen wie der Heterogenität der Schülerschaft und gesellschaftlichen Anforderungen orientieren müsse.
Daraus ergebe sich etwa, dass fortlaufend Prüfungselemente zur Erfassung informell erworbener Kompetenzen aufgenommen werden sollten und dass diese Eingang in die Abschlusszeugnisse fänden. Die Sachverständigen plädierten dafür, digital unterstützte Prüfungsformate und Ausbildungskonzepte zu entwickeln und die gegenseitige Anerkennung von Leistungen durch verschiedene Lernorte voranzutreiben.
„Hohes Maß an systemischer Qualitätssicherung“
Für die Kammern sprachen Volker Born (Zentralverband des Deutschen Handwerks) und Achim Dercks (Deutscher Industrie- und Handelskammertag). Die Sachverständigen verwiesen darauf, dass Beobachtungsverfahren in Prüfungen, etwa im Bereich der Kfz-Mechatronik, bereits angewendet würden. Schon jetzt gebe es ein hohes Maß an systemischer Qualitätssicherung, betonte Born.
Das Prüfer-Ehrenamt müsse weiterhin attraktiv, der Aufwand für die Abnahme von Prüfungen leistbar bleiben, sagte er. Digitale Prüfungsformen müssten „intensiv vorangetrieben“ werden, plädierte auch Dercks. Ein Medienwechsel von schriftlichen hin zu digitalen oder elektronischen Prüfungen würde eine „erhebliche Entlastung der ehrenamtlichen Prüfer“ bedeuten.
„Abschlussprüfungen müssen breite Akzeptanz finden“
Für die Arbeitgeberseite sprachen Barbara Dorn (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitsgeberverbände) und Martin Seiler (Deutsche Bahn AG). Dorn verwies darauf, dass die Abschlussprüfungen bei Ausbildungsbetrieben und Arbeitgebern eine „breite Akzeptanz“ fänden. Es sei wichtig, dass die Prüfung für Ganzheitlichkeit stehe und kompetenzorientiert sei. Die Note aus der Berufsschule muss aus Sicht ihres Verbands auch auf dem Abschlusszeugnis erscheinen, eine bundeseinheitliche Darstellung sei dafür jedoch nicht notwendig, so Dorn.
Seiler betonte, dass der Geschwindigkeit der Veränderungen in den Ausbildungsberufen Rechnung getragen werden müsse. „Die Digitalisierung muss sowohl von der Ausstattung als auch der inhaltlichen Nutzung her einen anderen Stellenwert bekommen“, sagte er. Auch sei es nötig, das Wissen im Betrieb und in der theoretischen Praxis noch stärker in Gleichklang zu bringen.
Von der Abschlussprüfung zur dualen Kompetenzprüfung
Für die Gewerkschaften trat Uta Kupfer (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di) dafür ein, die Abschlussprüfung zu einer dualen Kompetenzprüfung weiterzuentwickeln. Doppelprüfungen seien zu vermeiden und die Berufsschulen stärker in das Prüfgeschehen einzubeziehen, sagte Kupfer. „Viele Kompetenzen lassen sich weder mit den bestehenden schriftlichen noch mit den mündlichen Prüfungen feststellen“, sagte sie.
Für viele Prüflinge bedeuteten die schriftlichen Prüfungen, dass das erlernte Wissen punktuell vorliegen müsse. Die Abschlussprüfungen seien aber immer dann gut, wenn sie sich auf das betriebliche Geschehen beziehen würden. Es sei daher wichtig, den praktischen Teil der Abschussprüfung konsequent zur Kompetenzprüfung weiterzuentwickeln, sagte die Sachverständige. (lbr/20.04.2020)