Corona-Folgen für Veranstalter und Kreative sollen abgemildert werden
Der Bundestag hat am Mittwoch, 22. April 2020, in erster Lesung den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht (19/18697) beraten.
Mitberaten wurden acht Anträge der Opposition. Die FDP fordert in einem ersten Antrag einen „Corona-Notfallplan für die Filmwirtschaft“ (19/18223), in einem zweiten, die „Kultur- und Kreativwirtschaft in der Corona-Krise überlebensfähig zu machen“ (19/18224), und in einem dritten, die Kultur- und Kreativwirtschaft krisen- und zukunftsfest zu gestalten (19/18668). Ein vierter Antrag der Fraktion trägt den Titel „Verbraucherschutz in der Corona-Krise – Gutscheinlösung verbraucherfreundlich ausgestalten“ (19/18702). Die Linke hat ebenfalls zwei Anträge eingebracht, in denen sie darauf dringt, „Medienvielfalt und Journalismus zu schützen“ (19/18691) und die „Corona-Hilfe an die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kulturschaffenden anzupassen“ (19/18692). Bündnis 90/Die Grünen fordern in ihren Anträgen „faire und freiwillige Gutscheinlösungen im Veranstaltungs- und Freizeitbereich“ (19/18708) sowie „Maßnahmen zur Rettung der kulturellen Infrastruktur in der Corona-Krise“ (19/18715).
Der Bundestag überwies alle Vorlagen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse. Während der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz die Federführung bei der Beratung des Koalitionsentwurfs übernimmt, wurden die übrigen Vorlagen an den Ausschuss für Kultur und Medien zur federführenden Beratung überwiesen.
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD
Um die Veranstalter und Betreiber von Museen, Freizeiteinrichtungen oder Schwimmbädern bei den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie zu entlasten und sie vor einer Insolvenz zu schützen, wollen CDU/CSU und SPD regeln, dass Verbrauchern anstatt der ihnen sonst zustehenden Rückzahlung auch ein Gutschein ausgestellt werden kann. „Die Inhaber der Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen wären nach geltendem Recht berechtigt, die Erstattung des Eintrittspreises oder Entgelts von dem jeweiligen Veranstalter oder Betreiber zu verlangen. Die Veranstalter und Betreiber wären in einem solchen Falle mit einem erheblichen Liquiditätsabfluss konfrontiert. Da sie infolge der Krise derzeit auch kaum neue Einnahmen haben, ist für viele eine die Existenz bedrohende Situation entstanden“, schreiben die Fraktionen zur Begründung.
Der Gutschein soll dann entweder für eine Nachholveranstaltung oder eine alternative Veranstaltung eingelöst werden können. Soweit eine Freizeiteinrichtung aufgrund der Covid-19-Pandemie zu schließen war, soll der Betreiber berechtigt sein, dem Nutzungsberechtigten ebenfalls einen Gutschein zu übergeben. Der Inhaber des Gutscheins kann jedoch die Auszahlung des Gutscheinwertes verlangen, wenn ihm die Annahme des Gutscheins aufgrund seiner persönlichen Lebensverhältnisse unzumutbar ist oder wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst wird.
Erster Antrag der FDP
Die FDP dringt auf Nothilfen für die Filmwirtschaft (19/18223). Die Abwehrmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus hätten, so die Abgeordneten, auch „Auswirkungen auf die Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft, insbesondere der Filmwirtschaft“. Schon jetzt seien „weitreichende, negative Folgen aufgrund abgesagter Neustarts für die deutschen Kinos, die Produktionsunternehmen und die abhängigen Wirtschaftsunternehmen zu verzeichnen“, schreibt die Fraktion. Dreharbeiten würden unterbrochen, geplante Filmstarts verschoben. Deutsche Filme, die noch unter großem Marketingaufwand in die Kinos gekommen seien, machten Verluste, heißt es im Antrag weiter. „Kinos als soziale Orte sind besonders von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen.“ In der mittelständisch geprägten Branche seien die Einbußen durch den Besucherrückgang „existenzbedrohend“.
Konkret fordert die FDP deshalb, ein Sofortprogramm für die Kultur- und Kreativwirtschaft, um „irreparable Schäden zu vermeiden und negative Effekte abzumildern“. Zudem soll die Bundesregierung „Regelungen und Programme“ schaffen, die „kurz- und mittelfristige sowie unbürokratische Liquiditätsbeihilfen durch zinsfreie Überbrückungskredite, Vorziehung der Auszahlung von Förderraten, zinslose Stundung von Steuervorauszahlungen und Zahlungen der Voranmeldungen gewähren oder die Bereitstellung von Bürgschaften ermöglichen“. Darüber hinaus verlangen die Abgeordneten, die Sozialversicherungsträger „zu befugen und zu befähigen“, bis Ende 2020 Stundungen und Ratenzahlungen anzuwenden, um drohende Insolvenzen zu vermeiden. Weitere Forderungen beziehen sich unter anderem auf schnelle Lösungen zur Kurzarbeit.
Zweiter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion fordert spezielle Hilfen für die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Corona-Krise. In ihrem zweiten Antrag (19/18224) fordert sie die Bundesregierung auf, einen Hilfsfonds für Härtefälle und einen Nothilfefonds als Strukturhilfe einzurichten. Zudem solle das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes Räume für Kreative schaffen, um neue Geschäftsmodelle, Prototypen, Apps oder solidarische Projekte entwickeln zu können. Ebenso sprechen sich die Liberalen dafür aus, dass Kreative und Bürger im Sinn der Solidarität eigenverantwortlich zivilrechtliche Lösungen finden, um die Branche zu entlasten. Dazu gehöre beispielsweise der Verzicht auf Kostenerstattungen für Tickets ausfallender Veranstaltungen, die Beteiligung an Spendenaktionen oder Crowdfunding von Kreativen für eigene Projekte.
Die Fraktion verweist darauf, dass in den elf Teilbranchen der Kultur-und Kreativwirtschaft rund 1,7 Millionen Menschen arbeiteten. In der Kultur- und Kreativwirtschaft seien 256.000 Unternehmen und rund 600.000 Selbstständige tätig, darunter etwa 340.000 Mini-Selbstständige mit einem Jahresumsatz von weniger als 17.500 Euro. Staatliche Sofortmaßnahmen könnten vielen Betroffenen in der Branche über einen Liquiditätsengpass helfen, etwa durch eine negative Gewinnsteuer, eine unkomplizierte Rücktragung von in 2020 erwarteten Verlusten in das Jahr 2019 und eine Erweiterung der bisherigen Verlustrücktragmöglichkeiten auch in den Jahren 2018 und 2017.
Dritter Antrag der FDP
In ihrem dritten Antrag (19/18668) dringt die FDP darauf, die ausstehenden Auszahlungen an Solo-Selbstständige und Freiberufler über die Länder fortzusetzen. Solo-Selbstständige sollten berechtigt werden, neben den Betriebskosten auch teilgewerbliche Kosten durch die Mittel der Soforthilfe in Anspruch nehmen zu können. Um einen komplizierten Nachweis zu vermeiden, sollten sie für drei Monate eine Soforthilfe von 25 Prozent ihrer für 2019 angemeldeten Netto-Umsätze, maximal jedoch 9.000 Euro, erhalten.
Wenn das zu versteuernde Einkommen im Jahr 2020 das Einkommen des Jahres 2019 übersteigt, sollten allerdings für die zusätzlichen Einnahmen die Mittel der Soforthilfe anteilig zurückgefordert werden. Die Finanzämter müssten die Richtigkeit überprüfen. Ferner solle sich die Bundesregierung bei den Ländern dafür einsetzen, Soforthilfen für Künstler zu schaffen, wie dies die Länder Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bremen täten.
Vierter Antrag der FDP
Der vierte Antrag der Liberalen (19/18702) fordert, „im Veranstaltungsvertragsrecht einen Rechtsrahmen für die Ausgestaltung einer verbraucherfreundlichen Gutscheinlösung zu schaffen, die den Gläubigern die Wahlfreiheit zwischen unverzüglicher Rückerstattung des Ticket bzw. Eintrittspreises oder der Annahme eines Gutscheins für die nicht erbrachte Leistung ermöglicht“.
Wichtig ist den Antragstellern dabei vor allem, dass gegebenenfalls ausgestellte Gutscheine nicht personengebunden sein dürften, sodass diese an etwaige Dritte abtretbar seien. Gleiches soll auch für das Reise- und Fluggastrecht gelten. In diesem Zusammenhang wünscht sich die Fraktion auch Anpassungen auf europäischer Ebene.
Erster Antrag der Linken
Die Linke fordert die Bundesregierung in ihrem ersten Antrag (19/18691) auf, zusammen mit den Ländern ein Konzept zu entwickeln, um freie Journalisten, Film- und Medienschaffende über Landesregelungen hinaus als „systemrelevant“ Berufstätige abzusichern. Dazu gehöre eine Unterstützung im Bereich der Kinderbetreuung, Zugang zu Soforthilfen auch für solo-selbstständige Medien- und Filmschaffende ohne relevante Betriebskosten sowie die gesetzliche Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent.
Auch solle die Regierung zusammen mit den Ländern und Interessenvertretungen einen Gesetzentwurf entwickeln, der einen Soforthilfefonds „Systemrelevanter Journalismus“ zum Erhalt medialer Vielfalt und Beschäftigung vorsieht und lokale und regionale Radio-, TV-, Film- und Presseangebote absichert, um Medienvielfalt und mediale Teilhabemöglichkeiten auch im ländlichen Raum zu erhalten. Die bereits beschlossene und derzeit noch zurückgestellte temporäre Zustellförderung von Tageszeitungen und Anzeigenblättern in Höhe von 40 Millionen Euro solle konzipiert und unter der Bedingung hoher lokaler Redaktionsanteile (mindestens 40 Prozent) und tarifgerechter Bezahlung von Zeitungszustellern als Teil der Nothilfe freigegeben werden.
Zweiter Antrag der Linken
In ihrem zweiten Antrag (19/18692) verlangt die Fraktion einen Gesetzesentwurf, in dem Solo-Selbstständige und Freischaffende Zugang zu einem einmaligen Zuschuss in Höhe von 9.000 Euro erhalten, um finanzielle Engpässe auch bei privaten Lebenshaltungskosten zu überbrücken. Zudem solle die Regierung kulturspezifische Hilfsmaßnahmen entwickeln, in denen die Beschäftigungsstruktur und tatsächliche Wirtschaftlichkeit von Kulturbetrieben berücksichtigt wird.
In diesem Sinne sollen Zuschüsse gewährt werden, anstatt Kulturbetriebe durch Kreditvergaben in die Überschuldung zu führen, heißt es in dem Antrag. Zusammen mit Ländern und Kommunen sei ein „Soforthilfeprogramm Kultur“ zu entwickeln, um nachhaltig kulturelle Infrastruktur zu sichern. Mit den anteiligen Bundesgeldern solle die Liquidität von Kultureinrichtungen und Vereinen gesichert und den Angestellten der volle Lohn ausgezahlt werden.
Erster Antrag der Grünen
Aufgrund der zahlreich abgesagten Veranstaltungen im Musik-, Kultur- und Sportbereich stehe „die gesamte Kultur-, Sport und Freizeitszene unter Druck“, vermerken die Grünen in ihrem Antrag, der „faire und freiwillige Gutscheinlösungen im Veranstaltungs- und Freizeitbereich“ vorsieht (19/18708). Gleichwohl seien aber auch Verbraucher hart von der Krise betroffen, weshalb eine verpflichtende Gutscheinlösung nicht im Interesse der Fraktion sei.
Die Bundesregierung solle deshalb einen Gesetzentwurf vorlegen, der „die Annahme von Gutscheinen auf freiwilliger Grundlage stärkt, insbesondere dadurch, dass die Gutscheine gegen die Insolvenz des Unternehmens abgesichert sind, zum Beispiel durch einen Sicherungsfonds“. Darüber hinaus sollten Unternehmen darlegen müssen, „weshalb sie nicht in der Lage sind, Erstattungsansprüche auszuzahlen. Erst dann sollten sie berechtigt sein, alternative Gutscheine zu übergeben.“
Zweiter Antrag der Grünen
In ihrem zweiten Antrag (19/18715) fordern die Grünen einen eigenen Kulturrettungsfonds für die Kulturakteure und -einrichtungen, die durch die Bundes- und Landesmaßnahmen nicht zielgerichtet unterstützt werden. Durch diesen Fonds sollen auch Ausfälle über nicht zurückzuzahlende Zuschüsse finanziert werden. Dieser Kulturrettungsfonds solle mit passgenauen Rettungspaketen für alle in Not geratenen Kulturbranchen ausgestattet werden.
Darüber hinaus will die Fraktion Kommissionen von Fachleuten einrichten, unter Beteiligung der zuständigen Ministerien und der jeweiligen Kultursparten, die die Rettungspakete erarbeiten. Die Struktur dieser Kommissionen solle genutzt werden, um den Wiederanlauf des Kulturbetriebs zu planen und langfristige Maßnahmen zu entwickeln, um die jeweilige Kultursparte krisenfest für die Zukunft aufzustellen. Die Landeshilfsprogramme sollten mit Mindeststandards vereinheitlicht werden, damit sie allen Kulturschaffenden standortunabhängig zur Verfügung stehen und ein Flickenteppich vermieden wird. (sas/aw/ste/22.04.2020)