Anträge der Linksfraktion, in denen eine bessere Unterstützung der Kommunen gefordert wird, hat der Bundestag am Freitag, 6. März 2020, debattiert. Der Antrag mit dem Titel „Kommunen fördern und Rekommunalisierung unterstützen“ (19/10755) wurde gegen das Votum der Antragsteller bei Enthaltung der Grünen abgelehnt. Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen (19/16002) vor.
Zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen überwiesen wurde ein weiterer Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen in der Daseinsvorsorge fördern“ (19/17519). Ein neuer Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Mögen die besten gewinnen – Wettbewerb auf kommunaler Ebene sichern“ (19/17515) wird ebenfalls im federführenden Bauausschuss beraten werden.
Linke: Kommunen Rückkauf ihres Tafelsilbers ermöglichen
Kerstin Kassner (Die Linke) sagte zu Beginn der Debatte, dank der flexiblen und einfallsreichen Arbeit der Kommunen seien viele schwierige Situationen gelöst worden. Dafür brauche es aber auch die entsprechenden Rahmenbedingungen, wozu wiederum eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen nötig sei, betonte die Linken-Abgeordnete. In den 1990er-Jahren, so erinnerte Kassner, seien viele Kommunen aus finanzieller Not zu Privatisierungen gezwungen gewesen. Dies sei einschneidend für die Mitarbeiter in den privatisierten Betrieben gewesen, die oft „eine andere tarifliche Absicherung bekamen“. Aber auch die Bewohner der Kommunen hätten etwa mit erhöhten Wasserbeiträgen die Folgen zu spüren bekommen.
Kassner kritisierte auch die Beratungsagentur PD-Berater der öffentlichen Hand GmbH (PD), die nach wie vor auf eine Unterstützung und Beratung der Privatisierung ausgerichtet sei. Das sei aber nicht der richtige Weg. „Wir möchten, dass es den Kommunen ermöglicht wird, das notwendige Tafelsilber für ihre Aufgabenerfüllung zurückzukaufen“, betonte sie.
CDU/CSU: Wir nehmen kommunale Selbstverwaltung ernst
Für Eckhard Pols (CDU/CSU) steht hingegen fest: „Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist auf die zulässigen Kernbereiche zu begrenzen.“ Derzeit würden aber Leistungen öffentlicher Betriebe gemeindeübergreifend angeboten und erstreckten sich auf immer mehr Felder außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge. Bestehende oder rekommunalisierte Stadtwerke, Bauhöfe und andere Betrieben würden unter Nutzung der steuerrechtlichen und finanziellen Privilegien in unmittelbare Konkurrenz zum Handwerk und andere Privatunternehmen vor Ort treten, „ohne das sie sich privatrechtlichen Risiken stellen müssen“, warnte er.
Die Linksfraktion, so Pols, wolle den Kommunen, die Form ihrer Auftragserfüllung vorschreiben. „Das wird mit uns jedoch nicht funktionieren, denn wir nehmen kommunale Selbstverwaltung ernst“, sagte der Unionsabgeordnete.
AfD: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer
Marc Bernhard (AfD) warf der Linksfraktion vor, von Rekommunalisierung zu sprechen, aber Verstaatlichung zu meinen und damit eine „DDR 2.0“ schaffen zu wollen. 40 Jahre Sozialismus hätten aber ganz klar gezeigt, „dass der Staat eben nicht der bessere Unternehmer ist“, sondern Mangelwirtschaft die Folge sei. In Berlin, so Bernhard weiter, habe sich die Linkspartei bis vor ein paar Jahren selber noch als Turbokapitalistin aufgeführt.
Nachdem sie in Berlin begonnen habe, mitzuregieren, sei „gegen jede Vernunft alles verscherbelt worden, was nicht niet- und nagelfest war“. Nun ziele der Antrag darauf ab, auf Kosten des Steuerzahlers die eigenen Fehler teuer rückabzuwickeln. Bernhard sagte weiter, die Linksfraktion wolle die ergebnisoffene Beratung der Kommunen auflösen. Stattdessen solle ein Institut geschaffen werden, „das einzig und allein dazu dienen soll, die Kommunen in die von Ihnen propagierte Verstaatlichung zu vertreiben“.
SPD: Wege zur Rekommunalisierung sinnvoll
Aus Sicht von Bernhard Daldrup (SPD) ist vieles in den Anträgen der Linksfraktion richtig. Es stimme, dass die öffentliche Daseinsvorsorge in die öffentliche Verantwortung gehört. Daher seien Wege zur Rekommunalisierung auch sinnvoll. Öffentliche Verantwortung müsse aber nicht in jedem Falle in öffentliche Trägerschaft münden, fügte er hinzu. Als „ein Stück hinter der Zeit geblieben“ bezeichnete Daldrup die Forderungen zur PD.
Die Organisation der PD habe sich völlig verändert, sagte der SPD-Abgeordnete. Sie gehöre inzwischen komplett der öffentlichen Hand. Ihr Beratungsangebot umfasse Bausanierung, Projektplanung von kommunalen Krankenhäusern, von Rathäusern und von Schulen. Bei den von der PD realisierten Geschäften spielten die zu Recht kritisierten Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) „so gut wie keine Rolle mehr“, sagte Daldrup. Die PD dürfe also nicht infrage gestellt, sondern müsse gestärkt werden, forderte er.
FDP: Privatisierungen haben geholfen
Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) fühlte sich durch die Anträge der Linksfraktion an die „alte Klassenkampfrhetorik“ erinnert. „Hier die guten staatlichen Betriebe und da die bösen Privaten“ sei die ideologische Herangehensweise der Linksfraktion. Damit helfe man aber objektiv keiner Kommune. Zur Verbesserung der kommunalen Daseinsvorsorge müssten Möglichkeiten gesucht werden, sagte Strack-Zimmermann. Dabei sei klar, dass ÖPP nicht bedeuten dürfe, „dass die Gewinne privatisiert und die Verluste kommunalisiert werden“. Eine Blankoabrechnung mit allem, was nicht staatlich gesteuert ist, sei aber falsch.
Die FDP-Abgeordnete verwies auf Erfahrungen aus Düsseldorf, wo sich gezeigt habe, dass die privatwirtschaftlich organisierte Energieversorgung günstiger für den Steuerzahler sei. Beim Krankenhausbau habe man sich in Düsseldorf private Partner ins Boot geholt. Resultat sei das modernste Krankenhaus Nordrhein-Westfalens. „Ihre Klage, die Privatisierungen der letzten Jahrzehnte hätte den Kommunen bei ihrem Schuldenproblem nicht geholfen, ist und bleibt ein linkes Märchen“, sagte Strack-Zimmermann an die Linksfraktion gewandt.
Grüne: Rekommunalisierung längst wieder Realität
Für Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) entspricht die geführte Debatte „nicht der Realität in den Kommunen“. Im Privatisierungshype der 1990er-Jahre hätten einige Kommunen „bittere Erfahrungen“ gemacht, weil es lange nach dem Prinzip der Privatisierung der Gewinne und der Sozialisierung der Kosten gegangen sei. „Ganz viele Kommunen haben aber daraus längst ihre Schlüsse gezogen“, betonte Haßelmann. Rekommunalisierung sei längst wieder die Realität. Es gelte, Städte und Gemeinden dabei zu unterstützen.
An der PD und der Beratungsstruktur, so die Grünen-Abgeordnete, habe ihre Fraktion in der Vergangenheit viel Kritik geübt. Inzwischen habe es dabei aber große Veränderungen gegeben. Haßelmann sprach sich dafür aus, den Kommunen ihre Autonomie zu lassen. Der Bund solle sich darauf beschränken, für eine ordentliche Finanzausstattung zu sorgen, für die Frage der Altschulden einen Vorschlag zu machen und das Prinzip „wer bestellt, bezahlt“ auch wirklich konsequent umzusetzen, forderte sie.
Erster Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke wollte mit ihrem abgelehnten Antrag (19/10755) Gemeinden mit einem Rekommunalisierungsgesetz unterstützen, mit dem Rekommunalisierungsprozesse auf Basis einer neu zu gründenden Anstalt öffentlichen Rechts neu geregelt werden.
Die staatliche KfW-Bankengruppe sollte außerdem Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft nicht mehr über ein spezielles Kreditprogramm fördern, sondern stattdessen Kommunen bei Rekommunalisierungsvorhaben zinsfreie Darlehen zur Verfügung stellen. Rekommunalisierungen und die öffentliche Hand als Eigentümerin dieser Betriebe würden garantieren, dass die Versorgungssicherheit der Einwohner an oberster Stelle stehe, begründeten die Abgeordneten ihren Vorstoß.
Zweiter Antrag der Linken
In ihrem zweiten, überwiesenen Antrag (19/17519) fordert die Linksfraktion die Bundesregierung auf, mit den Ländern in einen Dialog zu treten, um die Beschränkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit der Kommunen aufzuheben und auf Länderebene transparente Regelungen zu schaffen, die eine interkommunale Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge erleichtern und befördern. Bei wirtschaftlicher Betätigung im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge sei die Präferenz zugunsten der öffentlichen Hand strikt zu beachten.
Auch solle die Regierung darauf hinwirken, die bestehenden Rahmenverträge der Firma PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH mit Subunternehmen wie McKinsey, Roland Berger und Boston Consulting Group vertragsgemäß zu kündigen sowie die PD aufzulösen und stattdessen eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu gründen, deren Hauptaufgabe in der Beratung, Unterstützung und Förderung von Rekommunalisierungsvorhaben liegt. Gesellschafter der PD sind der Bund, Länder, Kommunen, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie weitere öffentliche Organisationen oder Institutionen.
Antrag der FDP
Die Liberalen fordern die Bundesregierung in ihrem überwiesenen Antrag (19/17515) dazu auf, dass ordnungsrechtliche Nachteile für private Unternehmen ausgeräumt und keine neuen Kommunalisierungspotenziale geschaffen werden sollen. Es müsse sichergestellt werden, dass notwendige Lösungen vorrangig am Markt gesucht werden und bei besserer oder gleicher Leistungsfähigkeit privatwirtschaftlichen Angeboten Vorfahrt eingeräumt werden soll.
Außerdem soll sich der Bund bei den Bundesländern unter anderem dafür einsetzen, dass diese im Sinne einer funktionierenden Marktwirtschaft an Kommunen appellieren, hoheitliche und gewerbliche Tätigkeit zu trennen sowie Markt- und Privatisierungspotenziale zu erkennen und zu nutzen, ohne in das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen einzugreifen. (hau/06.03.2020)