Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosengeld thematisiert
Der Bundestag hat sich am Freitag, 15. November 2019, erstmals mit zwei Anträgen der Fraktion Die Linke mit den Titeln „Arbeitslosenversicherung stärken – Arbeitslosengeld verbessern“ (19/15046) und „Arbeitslosenversicherung stärken – Arbeitslosengeld Plus einführen“ (19/15047) befasst. Sie wurden im Anschluss zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Von der Tagesordnung abgesetzt wurde die Abstimmung über einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Arbeitsleben würdigen – Arbeitslosengeld I gerecht gestalten“ (19/13520).
Linke: Aktive Sozialpolitik notwendig
Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Umbrüche sei eine aktive Sozialpolitik notwendig, begründete Susanne Ferschl (Die Linke) die Vorstöße ihrer Fraktion zu Beginn der Debatte. Soziale Risiken dürften nicht allein den Beschäftigten aufgebürdet werden. Benötigt werde eine Arbeitslosenversicherung, die ihren Namen auch verdiene. Es sei nicht akzeptabel, dass nach zwölf Monaten Arbeitslosigkeit Hartz IV komme, „egal wie lange jemand vorher gearbeitet und eingezahlt hat“, kritisierte die Linken-Abgeordnete.
Das Konzept ihrer Fraktion schaffe bei Arbeitslosigkeit umfassende Sicherheit und sei zudem einfach und gerecht. „Das Arbeitslosengeld muss höher sein, nämlich 68 Prozent. Es muss früher greifen und deutlich länger bezahlt werden“, erläuterte Ferschl. Im Anschluss gebe es dann das Arbeitslosengeld Plus, das bei 58 Prozent liegen und genauso lange gezahlt werden solle wie zuvor das Arbeitslosengeld.
CDU/CSU: Arbeiten ist out bei der Linken
„Arbeiten ist out bei der Linken“, konstatierte Albert H. Weiler (CDU/CSU) im Anschluss. Keiner solle mehr arbeiten, jeder mehr Geld bekommen. Die Koalition hingegen wolle Integration in Arbeit ermöglichen und den Beschäftigten Perspektiven geben, sagte er. Es gelte, zusätzliche Anreize für die Qualifizierung der Beschäftigten zu schaffen. Die von der Linksfraktion geplante Verlängerung der Rahmenfrist und die Verkürzung der Anwartschaftszeiten setzten jedoch „absolut falsche Anreize“.
Weiler sagte weiter: „Wir hingegen wollen niemanden in der Arbeitslosigkeit zurücklassen.“ Ein längeres Verweilen der Menschen in Arbeitslosigkeit mache es ihnen immer schwerer, „zurück in ein geordnetes Arbeitsleben zu finden“. Eine Verlängerung der Arbeitslosigkeit werde die Union daher nicht unterstützen, kündigte er an.
AfD vermisst Hinweis auf zu erwartende Kosten
Jörg Schneider (AfD) sagte an die Linksfraktion gewandt, es sei unseriös, bei einer solchen Forderung nicht auch einen Hinweis auf die zu erwartenden Kosten zu geben. Um die Vorschläge umzusetzen, müssten die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung deutlich erhöht werden. „Das bedeutet, dass alle Arbeitnehmer mehr bezahlen müssen“, sagte Schneider. Damit würden auch jene Geringverdiener belastet, die ohnehin nicht viel hätten.
Der AfD-Abgeordnete ging zugleich auf die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit ein, unter-25-jährige Hartz-IV-Empfänger von Sanktionen zu befreien. Sowohl diese Entscheidung als auch das Vorhaben der Linken würden aus seiner Sicht dazu beitragen, dass die Hürden gesenkt würden, um in dem Hilfesystem zu verbleiben. „Damit erhöhen sich aber auch zugleich die Hürden, um aus diesem System herauszukommen“, sagte Schneider.
FDP: Benötigt werden konkrete Perspektiven
Johannes Vogel (FDP) kritisierte, die Linksfraktion stelle sich offenbar weder die Frage, wie das finanziert werden kann, noch interessiere sie, ob das den Menschen auch tatsächlich hilft. Sämtliche Forschungsinstitute im Bereich der Arbeitsmarktpolitik seien gegen derartige Vorschläge. Längeres Arbeitslosengeld führe eben in vielen Fällen zu längerer Arbeitslosigkeit, sagte Vogel. Das sei das Gegenteil dessen, was gebraucht werde.
Benötigt würden konkrete Perspektiven. Es gehe darum, die Arbeitslosigkeit möglichst schnell zu beenden. In Fällen, in den der Berufsabschluss nachgeholt werde, sei eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes sinnvoll. Das sei aber jetzt schon möglich.
Grüne: Über ein Mindestarbeitslosengeld nachdenken
Sympathien für die Anträge der Linksfraktion zeigte Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen). Wer mindestens vier Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, sollte damit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG I) erhalten, sagte er. So könnten Hunderttausende Arbeitslose in das ALG I gebracht werden.
Dass ALG I-Empfänger noch mit ALG II aufstocken müssten, sei auch nicht akzeptabel. „Wir sollten über ein Mindestarbeitslosengeld zumindest mal nachdenken“, regte der Grünen-Abgeordnete an. Zugleich forderte er einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung, damit die Menschen selbstbestimmt entscheiden könnten, wie sie sich weiterentwickeln und weiterbilden wollen. Dieses Recht auf Weiterbildung müsse sozial abgesichert sein, sagte Strengmann-Kuhn. Benötigt werde ein Weiterbildungsgeld, das spürbar über dem ALG I liegen müsse.
SPD: Arbeitslosenversicherung stärken
Bernd Rützel (SPD) machte deutlich, dass jeder von Arbeitslosigkeit getroffen werden könne. Daher müsse die Arbeitslosenversicherung gestärkt werden. Seit zehn Jahren brumme die Konjunktur in Deutschland, sagte Rützel. Dies habe 25 Milliarden Euro in die Arbeitslosenversicherungskasse gespült. In Zeiten einer Krise, wie es sie von 2008 bis 2010 gegeben habe, werde das Geld gebraucht, um den Menschen zu helfen. Was die Anträge der Linksfraktion angeht, so seien viele darin enthaltene Beschreibungen richtig. Viele Dinge gingen aber an der Wirklichkeit vorbei, urteilte er.
Erster Antrag der Linken
Die Linke fordert in ihrem ersten Antrag (19/15046) unter anderem, die Zugangsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld zu verbessern. So solle die Rahmenfrist, innerhalb der die Anwartschaftszeiten für den Bezug von Arbeitslosengeld erworben werden muss, von zwei auf drei Jahre heraufgesetzt werden. Die Anwartschaftszeiten sollen generell auf vier Monate verkürzt werden. Verbessern will die Fraktion auch die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld.
Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld solle dahingehend erweitert werden, dass nach Versicherungspflichtverhältnissen ab einer Dauer von vier Monaten ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für zwei Monate besteht. Jede weitere Beschäftigungsdauer von zwei Monaten solle einen weiteren Anspruch von einem Monat begründen, bis nach 24 Monaten eine Anspruchsdauer von zwölf Monaten Arbeitslosengeld erreicht wird.
Zweiter Antrag der Linken
Die Linke fordert die Bundesregierung in ihrem zweiten Antrag (19/15047) auf, einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Arbeitslosengeld Plus (ALG Plus) vorzulegen, in dem geregelt ist, dass einen Anspruch auf ALG Plus erwirbt, wer Beiträge zur Arbeitslosenversicherung eingezahlt und Arbeitslosengeld erhalten hat. Die Bezugsdauer von ALG Plus solle der Dauer des vorherigen Bezugs von Arbeitslosengeld entsprechen. Arbeitslose, die mindestens 30 Jahre in der Arbeitslosenversicherung versichert waren, sollen einen unbefristeten Anspruch auf ALG Plus erhalten.
Die Höhe des ALG Plus soll dem Antrag zufolge 58 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts entsprechen. Eine Absenkung des Lebensstandards durch allgemeine Preissteigerungen sole durch einen jährlichen Inflationsausgleich vermieden werden. Finanzieren will Die Linke das ALG Plus wie beim Arbeitslosengeld durch die Beitragszahlungen in die Arbeitslosenversicherung.
Abgesetzter Antrag der AfD
Die AfD hält es für einen Akt der sozialen Gerechtigkeit, Menschen länger finanziell zu unterstützen, die seit zehn oder 20 Jahren ununterbrochen berufstätig waren und arbeitslos werden. Die Fraktion fordert die Bundesregierung in ihrem abzustimmenden Antrag auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine gestaffelte Verlängerung der maximalen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld nach geleisteten Arbeitsjahren vorsieht.
Jene, die länger in die Sozialversicherung eingezahlt hätten, müssten auch Anspruch auf eine längere Bezugsdauer haben, schreiben die Abgeordneten. (hau/sas/vom/15.11.2019)