Geplante Änderungen bei der Zuverlässigkeitsprüfung im Luftverkehr haben Experten am Montag, 10. Februar 2020, während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses unter Vorsitz von Andrea Lindholz (CDU/CSU) bewertet. Grundlage dazu waren ein Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Verbesserung der Rahmenbedingungen luftsicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ (19/16428), die Stellungnahme des Bundesrates dazu (19/16717) sowie ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Abschaffung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Privatpiloten und Luftsportler“ (19/16481).
Mit Blick auf mögliche Angriffe sogenannter Innentäter, die aus Sicht der Bundesregierung eine der größten Bedrohungen für die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs darstellen, sieht der Regierungsentwurf unter anderem vor, künftig Erkenntnisse aus dem Erziehungsregister und dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister bei der Bewertung der Zuverlässigkeit zu berücksichtigen. Der Bundesrat hält es laut seiner Stellungnahme für sinnvoll, Luftfahrtunternehmen zu verpflichten, die Ausweispapiere der Fluggäste vor Einstieg in das Flugzeug zu prüfen und mit den bei der Buchung angegebenen Daten abzugleichen.
„Datenbank kann hilfreich sein“
Für Uwe Büchner, Leitender Ministerialrat beim Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, ist die Schaffung eines gemeinsamen Luftsicherheitsregisters die wichtigste Maßnahme. Der aktuell praktizierte Austausch von Negativlisten auf Papier durch die Bundes- und Landesbehörden sei antiquiert, befand er. Auch werde die Mobilität unter den Flughafenmitarbeitern nicht beachtet. Wechsle ein Mitarbeiter vom Flughafen Köln nach München, bringe er eine Zuverlässigkeitsbescheinigung mit, die gefälscht oder inzwischen überholt sein könne.
Eine Austauschplattform in Form einer Datenbank könne hier hilfreich sein, sagte er. Die vom Bundesrat angedachte Ausweiskontrolle vor dem Boarding hält Büchner aus Flugsicherheitsgründen nicht für notwendig, da die Passagiere die Sicherheitskontrolle dann schon durchlaufen hätten. Mit Blick auf die Kriminalitätsbekämpfung sei der Abgleich dennoch unterstützenswert, sagte der Ministerialrat.
„Geplantes Luftsicherheitsregister sehr sinnvoll“
Auch Prof. Dr. Wolfgang Däubler von der Universität Bremen hält das geplante Luftsicherheitsregister für sehr sinnvoll. Gleiches gelte für die Einschaltung von Bundespolizei und Zollkriminalamt in die Überprüfungen der Zuverlässigkeit. Bedenken mit Blick auf den Datenschutz hat der Arbeitsrechtler nach eigener Aussage hinsichtlich der Möglichkeit, in das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister Einblick nehmen zu können.
Der Erkenntnisgewinn durch ein Register, in dem Ermittlungsverfahren aufgeführt sind, sei sehr gering, befand Däubler. Die Gefahr, Unschuldige zu benachteiligen, sei außerordentlich groß, weil die Überprüfungen ein Massengeschäft seien. Was die Einstiegskontrollen angeht, so kritisierte Däubler, dass ein entsprechender Gesetzentwurf des Bundesrates nicht weiterverfolgt worden sei. Es sei nicht schlüssig, wenn auf der einen Seite die Zuverlässigkeitsprüfungen verstärkt werden, gleichzeitig aber eine andere Sicherheitslücke bleibe.
„Einzelfallgerechtigkeit statt pauschale Vermutung“
Frank Dörner, Rechtsanwalt für Luftfahrtrecht, kritisierte das Prinzip der Regelvermutung, wonach Piloten als unzuverlässig gelten, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt wurden. Dörner sprach von einer „Überkriminalisierung“. Straftaten aus dem Insolvenzrecht, dem Sozialrecht oder dem Steuerrecht seien nicht in den Zusammenhang mit Schwerstkriminalität, Terror oder Gewalttaten zu bringen, sagte er.
Benötigt werde hier eine Korrektur, die auch zu einer Akzeptanz der Betroffenen führt. Es brauche eine Einzelfallgerechtigkeit statt einer „pauschalen Vermutung, jeder über 60 Tagessätze gehört nicht mehr in die Luftfahrt“.
„Sicherheitsaufgaben nicht von Privaten erledigen lassen“
Arnd Krummen von der Gewerkschaft der Polizei kritisierte als Vertreter der Bundespolizei, dass Sicherheitsaufgaben an Flughäfen in den Händen von privaten Unternehmen lägen. Derartige hoheitliche Aufgaben müssten mindestens von Beschäftigten einer Bundesanstalt für Luftsicherheit ausgeführt werden, sagte er. Es sei zu begrüßen, dass es der Bundespolizei künftig ermöglicht werden soll, die Mitarbeiter zu überprüfen.
Krummen sprach sich zudem gegen die Abschaffung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Privatpiloten aus. Auch mit kleineren Flugzeugen, so der Polizei-Vertreter, könne sehr wohl großer Schaden angerichtet werden.
„Berufszugangsschranke gerechtfertigt“
Auch Dr. Christoph Schaefer, Director Aviation Security bei der Lufthansa, lehnte Ausnahmen für Privatpiloten aus. Die Möglichkeit, Einblick in das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister zu nehmen, begrüßte er ebenso wie das Luftsicherheitsregister. Wirksam könne das aber nur sein, „wenn alle Bundesländer mitziehen“. Der Lufthansa-Vertreter räumte ein, dass die Berufszugangsschranke, die die luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung darstelle, ohne Weiteres gerechtfertigt sei, da es um den Schutz hochwertiger Rechtsgüter und insbesondere von Leib und Leben möglicher Anschlagsopfer gehe.
Allerdings müsse die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens gewahrt bleiben. In Deutschland habe die Negativquote in den letzten Jahren – obwohl jeder Zweifel ein Ablehnungsgrund sei – nur bei fünf Prozent gelegen. In der aktuellen Situation des Fachkräftemangels in bestimmten Sparten sei es wichtig, dass die Ergebnisse der Überprüfung „zügig zur Verfügung stehen“, sagte Schaefer.
Gegen Sonderregelungen für Privatpiloten
Keine Bedenken gegen den Gesetzentwurf hat Dr. Berthold Stoppelkamp vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft. Die Überprüfungen müssten auf fundierter Grundlage in einem vertretbaren Zeitraum erfolgen, forderte er. Mit der Einrichtung eines zentralen Registers verbinde er die Hoffnung auf die Beschleunigung der Prozesse insbesondere auf der Arbeitgeberseite, sagte Stoppelkamp.
Sonderregelungen für Privatpiloten lehnte er ab. Es nicht nachvollziehbar, wenn Putzfrauen auf den Flughafen überprüft würden, nicht aber Privatpiloten, die durchaus zur Gefährdung der Luftsicherheit in Deutschland beitragen könnten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Wie die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf erläutert, stellen Angriffe sogenannter Innentäter eine der größten Bedrohungen für die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs dar. Gemeint sind Personen, die besonderen Zugang zu Einrichtungen und Abläufen des Luftverkehrs haben. Zum Schutz vor derartigen Angriffen sehe das Luftsicherheitsgesetz eine Zuverlässigkeitsüberprüfung aller Personen vor, die in besonderer Weise Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs nehmen können.
Hierbei habe die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit des Betroffenen aufgrund einer möglichst umfassenden Gesamtwürdigung des Einzelfalls zu bewerten, heißt es weiter. Nach geltender Rechtslage könnten die Luftsicherheitsbehörden allerdings gewisse sicherheitsrelevante Informationen, die bei anderen Behörden vorhanden sind, nicht im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung berücksichtigen.
„Befugnisse zur Informationsgewinnung“
Dies betreffe Daten der Bundespolizei und des Zollkriminalamtes sowie Auskünfte aus dem Erziehungsregister und dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister. Mit dem Gesetzentwurf sollen daher „für die Luftsicherheitsbehörden entsprechende Befugnisse zur Informationsgewinnung eingeräumt und so verbesserte Voraussetzungen für die umfassende Bewertung der Zuverlässigkeit geschaffen werden“.
Ferner sollen die Regelungen für die Zuverlässigkeitsüberprüfung von Luftfahrern mit den bestehenden Regelungen für die anderen überprüfungspflichtigen Personengruppen harmonisiert werden. Um das Sicherheitsniveau zu erhöhen und das Überprüfungsverfahren zu vereinfachen sollen die gesetzlichen Grundlagen zur Errichtung eines künftigen Luftsicherheitsregisters geschaffen werden. Schließlich sollen die Möglichkeiten internationaler Kooperation gestärkt werden, „indem eine erweiterte Mitwirkung der Luftsicherheitsbehörden bei Überprüfungen durch ausländische Stellen ermöglicht wird“.
Regierung antwortet auf Stellungnahme des Bundesrates
In ihrer Gegenäußerung (19/16717) zur Stellungnahme des Bundesrates begrüßt die Bundesregierung die Vorschläge der Länderkammer für bessere Rahmenbedingungen für die luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Der Bundesrat hatte die Regelungen des Gesetzentwurfs seinerseits begrüßt, es darüber hinaus aber für erforderlich gehalten, dass Luftfahrtunternehmen verpflichtet werden, die Ausweispapiere der Fluggäste vor Einstieg in das Flugzeug zu prüfen und mit den bei der Buchung angegebenen Daten abzugleichen.
Dabei verwies der Bundesrat auf seinen Gesetzentwurf „zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes zum Zweck der Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen von Luftfahrtunternehmen bei der Abfertigung von Fluggästen“, den Niedersachsen im Jahr 2018 initiiert und dessen Einbringung der Bundesrat beschlossen habe. Der Bundesrat bat, diesen Gesetzentwurf „schnellstmöglich“ im Bundestag aufzurufen.
In der Gegenäußerung der Bundesregierung heißt es dazu, dass sie die Ausführungen des Bundesrates zur Kenntnis nehme. Ziel des Gesetzentwurfs des Bundesrates ist es der Vorlage zufolge, sicherzustellen, dass die Identität der Fluggäste bekannt ist und auch für polizeiliche Zwecke genutzt werden kann. Die Meinungsbildung zu dieser Bundesratsinitiative ist innerhalb der Bundesregierung laut ihrer Gegenäußerung noch nicht abgeschlossen. Ein innerer Zusammenhang zwischen ihrem Gesetzentwurf und der Bundesratsinitiative bestehe nicht, schreibt die Bundesregierung weiter.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion dringt in ihrem Antrag (19/16481) auf eine „Abschaffung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Privatpiloten und Luftsportler“. Die Fraktion fordert von der Bundesregierung einen Gesetzentwurf, der Bewerber und Inhaber von Privatpilotlizenzen sowie weitere Luftsportler von einer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung ausnimmt. Auch soll der Gesetzentwurf nach dem Willen der Fraktion die „europarechtlich mögliche Differenzierung nach verschiedenen Arten von luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ in deutsches Recht umsetzen.
Dem Antrag zufolge dient die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfung der Sicherheit des zivilen Luftverkehrs und damit vor allem dem Schutz vor Angriffen etwa durch Flugzeugentführungen, Sabotageakte und terroristische Anschläge. In Deutschland betreffe die Überprüfung nicht nur Berufspiloten, sondern auch Bewerber und Inhaber von Privatpilotenlizenzen sowie Luftsportler.
Einmotorige Flugzeuge oder Motorsegler
Privatpilotenlizenzen würden jedoch „ganz überwiegend zum Betrieb von einmotorigen Flugzeugen oder Motorseglern genutzt“, von denen in Anbetracht ihres niedrigen Gewichts und der verhältnismäßig geringen Geschwindigkeiten weder für allgemein zugängliche Gebäude noch für besonders zu schützende Gebäude wie beispielsweise Atomkraftwerke eine Gefahr ausgehe, führt die Fraktion aus.
„Privatpilotenlizenzen berechtigen auch nicht zum kommerziellen Befördern von Passagieren und bergen damit keine erhöhte Gefahr für den allgemeinen Luftverkehr oder Dritte“, heißt es weiter in dem Antrag. Zudem habe es bisher keine Versuche von Piloten mit Privatpilotenlizenzen oder Luftsportlern gegeben, ihre Luftfahrzeuge als Waffen für terroristische Zwecke zu missbrauchen. Daher sähen andere EU-Staaten sowie EU-Vorgaben keine luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfung für Privatpiloten und Luftsportler vor. (hau/sto/10.02.2020)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Uwe Büchner, Leitender Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, München
- Prof. Dr. Wolfgang Däubler, Universität Bremen
- Frank Dörner, Rechtsanwalt, München
- Arnd Krummen, Gewerkschaft der Polizei – Bundespolizei, Hilden
- Dr. Christoph Schaefer, Director Aviation Security (Regulatory, Compliance), Deutsche Lufthansa, Frankfurt am Main
- Dr. Berthold Stoppelkamp, Leiter Hauptstadtbüro, Bundesverband der Sicherheitswirtschaft, Berlin