2. Untersuchungsausschuss

Bundes­rechnungs­hof bekräftigt Kritik am Verkehrs­ministerium

Symbolbild mit einem durchgestrichenen Maut-Schild mit Stop-Kelle

Der 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“) vernahm drei Zeugen in öffentlicher Sitzung. (© picture alliance/chromorange)

Vertreter des Bundesrechnungshofs haben ihre Kritik am Bundesverkehrsministerium wegen der Umsetzung der Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen bekräftigt. Bei der öffentlichen Zeugenvernehmung des 2. Untersuchungssausschusses („Pkw-Maut“) standen am Donnerstag, 30. Januar 2020, haushalts- und vergaberechtliche Bedenken im Zentrum, die der Bundesrechnungshof bereits zuvor in einem Bericht vorgetragen hatte.

„Das ist vergaberechtlich nicht zulässig“

„Über das endgültige Angebot hätte nicht mehr verhandelt werden dürfen“, sagte Werner Pelzer, Ministerialrat im Bundesrechnungshof und dort Prüfungsgebietsleiter für die Pkw-Maut, in der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung. Mit seiner Aussage bezog er sich darauf, dass das Verkehrsministerium nach Abgabe des endgültigen Angebots durch die Bietergemeinschaft aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim weitere Gespräche mit den Bietern geführt und sie zur Abgabe eines zweiten finalen Angebots aufgefordert hatte.

„Das ist vergaberechtlich nicht zulässig“, sagte auch Romy Moebus, Leiterin der für Verkehr und Infrastruktur zuständigen Abteilung V des Bundesrechnungshofs. In diesen nach Abgabe des endgültigen Angebots geführten Verhandlungen seien die Mindestanforderungen geändert worden. Deshalb, sagten Moebus und Pelzer in getrennten Vernehmungen, hätte das Ministerium das Verfahren zurücksetzen und den zuvor ausgestiegenen Bietern die Möglichkeit geben müssen, sich wieder am Verfahren zu beteiligen. Zwar gebe es die Möglichkeit, aus schwerwiegenden Gründen nachzuverhandeln. „Das Ministerium“, sagte Moebus, „hat aber keine schwerwiegenden Gründe vorgebracht.“

„Aufklärungsgespräche, keine Nachverhandlungen“

Ministerialdirektor Reinhard Klingen, Leiter der Zentralabteilung im Bundesverkehrsministerium,  widersprach im Anschluss dieser Darstellung. „Es wurden Aufklärungsgespräche und Verhandlungen mit den verbliebenen Bietern geführt, die im rechtlichen Sinne keine Nachverhandlungen waren“, sagte Klingen. Im späteren Verlauf der Vernehmung modifizierte er diese Aussage: Konfrontiert mit Paragraf 17 der Vergabeverordnung, wonach Verhandlungen über endgültige Angebote unzulässig sind, sprach er nur noch von „Aufklärungsgesprächen“ zwischen Ministerium und Konsortium.

Allerdings machte Klingen darauf aufmerksam, dass er die Zentralabteilung erst seit Ende Juli 2019 leitet. Mehrmals erklärte er deshalb im Laufe der Vernehmung: „Ich habe zu dieser Frage keine persönliche Wahrnehmung.“ Wenig Erhellendes konnte  er auch zur Frage beitragen, wie genau das Ministerium zur Einschätzung kam, das Risiko eines negativen Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei gering. Der EuGH entschied bekanntlich im Juni 2019, die Pkw-Maut in der beschlossenen Form sei nicht vereinbar mit EU-Recht, da sie ausländische Fahrzeughalter benachteilige.

„Risiko einer negativen EuGH-Entscheidung berücksichtigt“

Das Ministerium habe dieses Risiko „nicht in dokumentierter Form betrachtet“, kritisierte Rechnungshofsprüfer Pelzer. „Wir haben nirgendwo gesehen, dass sich das Ministerium mit dem Risiko auseinandergesetzt hat.“ Dem widersprach eine Mitarbeiterin des Bundesverkehrsministeriums, die nicht als Zeugin geladen war, der aber vom Ausschussvorsitzenden das Wort erteilt wurde. Sie wies auf ein Dokument in den dem Ausschuss zur Verfügung gestellten Akten hin, das nach ihren Angaben belegt, dass das Ministerium das Risiko einer negativen EuGH-Entscheidung fortlaufend berücksichtigte.

Auch zu haushaltsrechtlichen Fragen äußerten sich die Vertreter des Bundesrechnungshofs. Es seien ihnen keine anderen Vergabeverfahren bekannt, in denen die Angebotssumme der Bieter um ein Drittel heruntergehandelt worden sei, erklärten sie übereinstimmend in getrennten Befragungen. Bei der Pkw-Maut wurde die Angebotssumme von rund drei Milliarden Euro in den Endverhandlungen auf rund zwei Milliarden Euro reduziert. Erst dadurch wurde es möglich, die Verpflichtungsermächtigung des Bundestages einzuhalten.

Kooperationsbereitschaft des Ministeriums „verbesserungswürdig“

Mehrere Fraktionen fragten zudem nach der Kooperationsbereitschaft des Verkehrsministeriums bei der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. „Wer freut sich schon, wenn der Bundesrechnungshof kommt?“, antwortete Moebus. Es sei vorgekommen, dass trotz rechtzeitiger Ankündigung des Besuchs durch die Prüfer kein Computer im Büro gestanden habe und kein Zugang zum Laufwerk gewährleistet gewesen sei.

Als „verbesserungswürdig“ bezeichnete auch Prüfungsgebietsleiter Pelzer die Kooperation mit dem Verkehrsministerium. Fragen, wie sich die mangelnde Kooperationsbereitschaft konkret geäußert habe, beantwortete er unter Verweis auf die Vertraulichkeit entsprechender interner Vermerke nicht. Das Angebot des Ausschussvorsitzenden Schiefner, sich zu diesem Aspekt in nichtöffentlicher Sitzung zu äußern, lehnte der Vertreter des Bundesrechnungshofs ab.

Auftrag des Untersuchungsausschusses

Der Bundestag hatte den Untersuchungsausschuss am 28. November 2019 mit den Stimmen der Fraktionen AfD, FDP,  Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingesetzt. Er besteht aus neun ordentlichen und neun stellvertretenden Mitgliedern. Der Ausschuss soll das Verhalten der Bundesregierung, insbesondere des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und seiner nachgeordneten Behörden, seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD für die 18. Wahlperiode im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Einführung der Infrastrukturabgabe (Pkw-Maut) umfassend aufklären.

Dabei sind das Vergabeverfahren, die Kündigung der Verträge zur Erhebung und Kontrolle und die daraus resultierenden Folgen inklusive der Prozesse zur Abwicklung des Projekts ebenso Gegenstand der Untersuchung wie die persönlichen und politischen Verantwortlichkeiten und die Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag zu diesen Vorgängen. Der Ausschuss soll zudem prüfen und Empfehlungen geben, welche Schlussfolgerungen zu ziehen und welche Konsequenzen aus seinen gewonnenen Erkenntnissen zu ergreifen sind. (chb/31.01.2020)

Liste der geladenen Zeugen

  • Werner Pelzer, Ministerialrat, Bundesrechnungshof (BRH)
  • Romy Moebus, Abteilungsleiterin, Bundesrechnungshof (BRH)
  • Reinhard Klingen, Ministerialdirektor, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)

Marginalspalte