Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. Januar 2020, für die Initiative der Bundesregierung zur Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung sowie einer Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen (19/15651) gestimmt. Die Vorlage wurde in vom Ausschuss geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der Fraktion der AfD angenommen. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung (19/16540) des Ausschusses für Arbeit und Soziales zugrunde.
Initiativen der Opposition
Mitberaten wurden außerdem vier Anträge sowie ein Gesetzentwurf der Opposition: Die AfD fordert ein „Sofortprogramm Zentralstatistik Wohnungs- und Obdachlosigkeit“ (19/6064), die FDP will „Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland gemeinschaftlich beenden“ (19/16036) und Bündnis 90/Die Grünen wollen die „Berichterstattung weiterentwickeln und alle wohnungslosen Menschen statistisch erfassen“ (19/15783). Die AfD-Vorlage wurde mit den Stimmen der übrigen Fraktionen abgelehnt. Der Antrag der Liberalen fand keine Mehrheit gegen die Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und Linksfraktion bei Stimmenthaltung der Grünen. Die Vorlage der Grünen wurde mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und AfD gegen das Votum der FDP, Linksfraktion und Grünen zurückgewiesen.
Abgelehnt wurde auch ein den Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Wohnungs- und Obdachlosigkeit bekämpfen, Zwangsräumungen verhindern“ (19/7459). Gegen den Antrag stimmten CDU/CSU, SPD, AfD und FDP, dafür Die Linke und die Grünen. Der Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen hatte zur Abstimmung eine Beschlussempfehlung (19/9696) vorgelegt. Erstmals hatte das Parlament einen Gesetzentwurf der Linksfraktion zur „Änderung des Grundgesetzes – Grundrecht auf Wohnen“ (19/16479) beraten. Dieser wurde im Anschluss an die Debatte zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.
Erste bundesweite Datenerhebung
Ziel des von der Bundesregierung geplanten Gesetzes ist eine erste bundesweite Datenerhebung über Ausmaß und Struktur der Wohnungslosigkeit in Deutschland. Mit den darüber gewonnenen Erkenntnissen sollen laut Regierung sozialpolitische Maßnahmen „zielgenauer gestaltet“ und Länder und Kommunen dabei unterstützt werden, Wohnungslosigkeit zu bekämpfen. Die Daten sollen außerdem dazu beitragen, die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung zu verbessern. Außerdem ist ab 2022 eine zentrale Statistik geplant, die Auskunft über in Gemeinschafts- oder Notunterkünften untergebrachte Wohnungslose gibt. Die Daten dafür soll das Statistische Bundesamt jährlich zum 31. Januar erheben.
Eine zweite Gruppe Wohnungsloser sei statistisch jedoch kaum zu erfassen, so die Bundesregierung. Menschen zum Beispiel, die als Selbstzahler in Billigpensionen leben, vorübergehend bei Verwandten oder Freunden unterkommen oder auf der Straße leben. Für diese Formen der Wohnungslosigkeit solle daher eine ergänzende Wohnungslosenberichterstattung eingeführt werden. Der Wohnungslosenbericht solle künftig mindestens alle zwei Jahre veröffentlicht werden.
AfD für zentrale Odachlosenstatistik
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/6064) ein Sofortprogramm für eine Zentralstatistik zur Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Um Wohnungs- und Obdachlose oder davon bedrohte Menschen in Deutschland zügig zu erfassen, sei eine solche Statistik nötig. Der Bund habe eine Mitverantwortung, die sich aus dem Ziel der Herstellung und dem Erhalt gleichwertiger Lebensverhältnisse ergibt, schreiben die Abgeordneten.
Eine solche Statistik solle unter anderem Auskunft über die allgemeine Entwicklung seit 2010 geben, über die regionale Verteilung nach Bundesländern, Städten und Gemeinden, über die Zusammensetzung der Betroffenen nach gesellschaftlichen Gruppen und über die Zahl der Plätze in Notunterkünften.
FDP dringt auf Strategie gegen Obdachlosigkeit
Die FDP-Fraktion fordert ein gemeinschaftliches Vorgehen, um Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland zu beenden (19/16036). Die Bundesregierung wird darin zu einem ganzen Bündel vonn Maßnahmen aufgefordert: Unter anderem sollenalle Sozialleistungen zu einem liberalen Bürgergeld zusammengeführt werden. Kommunen müssten in ihrer Rolle als nächster Ansprechpartner, Vermittler und Kümmerer gestärkt werden. Lokale „One-Stop-Shops“, also lokale Fachstellen, könnten zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit dienen, heißt es in dem Antrag.
Alle zwei Jahre sollten außerdem Koordinierungsrunden aus Bundesländern, Kreisen und Kommunen, den Trägern der Obdachlosenhilfe und Wissenschaftlern zusammenkommen, um Ziele abzustecken. Ferner verlangen die Liberalen, die Haushaltsmittel von jährlich 50 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau stärker für die Schaffung von Wohnraum für die sozial Schwächsten zu nutzen.
Grüne fordern Aktionsprogramm
Die Bundesregierung soll ihren Gesetzentwurf zur Wohnungslosenberichterstattung überarbeiten und ein nationales Aktionsprogramm zur Bewältigung von Wohnungslosigkeit auflegen. Das fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag (19/15783). Am Regierungsentwurf für eine bundesweite Statistik kritisieren die Grünen, dass diese nur Wohnungslose erfassen soll, die öffentlich untergebracht werden. Jene, die auf der Straße leben oder bei Freunden unterkommen, würden fehlen.
Außerdem sei es wichtig, so die Grünen, auch jene zu erfassen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, um zum Beispiel bei einer Räumungsklage präventiv handeln zu können. Der Entwurf der Regierung müsse deshalb weiterentwickelt werden und ein nationales Reformprogramm von Bund, Ländern und Gemeinden nach sich ziehen, um Wohnungslosigkeit zu verhindern, so die Fraktion.
Linke für öffentliches Wohnungsbauprogramm
Die Linke schlägt in ihrem Antrag (19/7459) ein öffentliches Wohnungsbauprogramm im Umfang von zehn Milliarden Euro vor. Auch müsse das Wohngeld jährlich an die Mietpreis- und Einkommensentwicklung angepasst werden. Auf ein existenzsicherndes Niveau erhöhen wollen die Abgeordneten die Zahlungen für die Kosten der Unterkunft.
Die Sanktionen, die Hartz-IV-Beziehern angedroht werden, müssten gestrichen werden, heißt es weiter. Darüber hinaus will die Fraktion Mietpreise begrenzen und den Zugang für EU-Bürger zu sozialer Sicherung einschließlich der Übernahme von Kosten der Unterkunft verbessern. Auch sollten Wohnungssuchende besser vor Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt geschützt werden.
Linke fordert neuen Grundgesetzartikel
Die Linke fordert in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes (19/16479), nach Artikel 14 einen neuen Artikel 14a ins Grundgesetz aufzunehmen. Danach soll jeder Mensch das Recht auf menschenwürdigen, diskriminierungsfrei zugänglichen und einkommensgerechten Wohnraum haben. Die Räumung von Wohnraum soll unzulässig sein, wenn kein zumutbarer Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt wird.
Die Fraktion will das Kriterium des einkommensgerechten Wohnraums an die allgemeine Einkommensentwicklung koppeln. Weitergehende Eingriffe in den Wohnungsmarkt als bisher bereits möglich sollen zur Verwirklichung des Rechts auf Wohnen gerechtfertigt sein. Zwangsräumungen sollen weitestgehend eingeschränkt werden. (che/sas/vom/16.01.2020)