Svenja Schulze: Klimawandel ist die Sorge Nummer eins
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit kann im Jahr 2020 mit Ausgaben in Höhe von 2,62 Milliarden Euro (2019: 2,28 Milliarden Euro) planen. Das geht aus dem Regierungsentwurf für den Haushalt 2020 (19/11800, Einzelplan 16) hervor, über den der Bundestag am Dienstag, 10. September 2019, in erster Lesung beraten hat. Damit wächst der Haushalt von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) um rund 338 Millionen Euro, das sind 14,7 Prozent.
Ministerin: Klimaschädliches Verhalten verteuern
Die Oppositionspolitiker bemängelten die Schwerpunktsetzung im Haushalt und kritisierten, dass über einen unvollständigen Haushalt beraten werde. Umweltministerin Svenja Schulze betonte in ihrer Rede, dass mit Stürmen, Starkregen und Waldbränden die Vorboten der Klimakrise in Deutschland angekommen seien. „Der Klimawandel ist die Sorge Nummer eins für viele Menschen und politisiert ganze Generationen“, sagte Schulze. Die derzeitige Situation und Weichenstellung dürfe nicht so bleiben.
„Klimaschutz ist eine Chance für eine bessere, lebenswertere Zukunft mit leiseren, sauberen Autos, mit Windrädern, Solarzellen und gesunder Luft zum Atmen“, sagte Schulze. Das sei die Gestaltungsaufgabe für die Bundesregierung und diese werde mit der Einrichtung des Klimakabinetts am 20. September auch eingelöst. Klimafreundliches Verhalten, auch mit dem Blick auf die Klimaneutralität bis 2050, müsse daher einfacher und billiger sein und klimaschädliches Verhalten teurer und weniger attraktiv, forderte Schulze.
„Klimaziele nicht ein weiteres Mal reißen“
Sie stehe für ein faires und glaubwürdiges Paket, das künftigen Generationen gerecht werde. „Die Klimaziele ein weiteres Mal zu reißen, können wir uns nicht leisten“, sagte Schulze. Es sei daher ein wichtiges Signal, dass der internationale Klimaschutz einen Aufwuchs im Haushalt erfahren habe. Der Kampf gegen die Erderhitzung müsse auch deshalb in einem Klimaschutzgesetz festgeschrieben werden. Dies soll über einen jährlichen Kontrollmechanismus verfügen, der prüft, ob genug passiere.
„Es geht nicht um mehr Macht für das Umweltministerium, sondern um mehr Verbindlichkeit für diese und alle nächsten Regierungen“, betonte Schulze in ihrer Rede. Mit Blick auf den CO2-Preis setze sie sich dafür ein, dass einkommensschwache Haushalte entlastet würden und die Sektoren, die Sorgen machten, klare Ziele bekämen.
CDU/CSU: Anreize statt Verbote
Für die Unionsfraktion betonte Dr. Georg Nüßlein, dass das Schonen von Ressourcen und der verantwortungsvolle Umgang mit der Schöpfung „urkonservative Themen“ seien. Das Thema Klimaschutz hielten zwar 80 Prozent der Bürger für ein sehr wichtiges Thema, aber davon sagten wiederum 80 Prozent, dass andere dieses Problem lösen sollen. „Das macht es politisch schwierig“, sagte Nüßlein.
Er plädierte dafür, das Thema über Anreize und nicht über Verbote, Verzicht und höhere Preise zu besetzen und schlug vor, das Thema zu einem „neuen Innovationsmotor“ zu entwickeln. Auch mit Blick auf eine Wasserstoffstrategie, die Potenziale der Kreislaufwirtschaft und alternative Kraftstoffe forderte er „technologieoffene und innovationsorientierte Lösungen“ in einer Gesellschaft, die modern und leistungsfähig bleibe.
SPD: 2019 ist das Jahr der Wahrheit
Mit Blick auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimaschutzgesetz sagte der SPD-Abgeordnete Dr. Matthias Miersch, dass 2019 das „Jahr der Wahrheit“ sei. „Wir müssen begreifen, was es die Gesellschaft und zukünftige Generationen kostet, wenn wir beim Klimaschutz versagen“, sagte Miersch in Richtung der CSU-geführten Ministerien.
Neben den Strukturhilfen brauche es ein Kohleausstiegsgesetz und eine Gesetzgebung, mit der garantiert werde, dass die Ziele im Bereich der erneuerbaren Energien gewährleistet werden. Miersch forderte, die „organisierte Unverantwortlichkeit“ in der Bundesregierung zu beenden, damit klar sei, dass alle verantwortlich für den Klimaschutz seien.
AfD: CO2 ist kein Gift
Der AfD-Umweltpolitiker Martin Hohmann kritisierte, dass sich die Union umweltpolitisch den Grünen unterwerfe. Deutschland habe „als hochindustrialisiertes Land keinen sicheren Plan für eine verlässliche Energieversorgung“, sagte Hohmann weiter.
Die AfD sehe für einen „sparsamen, verantwortlichen und überlegten Umgang mit den Rohstoffen des Landes“, sagte Hohmann. Er betonte, dass CO2 kein Gift sei, denn es gebe keine fundierten wissenschaftlichen Beweise dafür, dass der leichte Anstieg verantwortlich sei für die Erderwärmung der vergangenen Jahrhunderte.
FDP: Keine Trendwende in der Klimapolitik zu erkennen
Auch Ulla Ihnen (FDP) kritisierte den Haushalt der Umweltministerin. „Ohne die Information über das kommende Klimapaket beraten wir über einen unvollständigen Haushalt“, betonte Ihnen. Die 337 Millionen Euro mehr flössen nicht etwa in Umwelt- und Naturschutz, sondern der Aufwuchs liege in den gestiegenen Kosten für die End- und Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle begründet, sagte Ihnen. Der Haushaltsentwurf lasse daher keine Trendwende in der Klimapolitik erkennen.
Ihnen kritisierte auch das geplante Verbot von Plastiktüten: „Der Gesetzentwurf ist ein Wortbruch gegenüber dem Einzelhandel und wird ökologisch nichts bewirken, weil die Tüten noch da sind“, sagte Ihnen.
Linke: Umweltetat 2020 bedeutet nur Stillstand
„Der Umweltetat 2020 bedeutet nur Stillstand“, kritisierte auch Heidrun Bluhm-Förster (Die Linke). Statt Korrekturen fänden sich darin nur kleinteilige Anpassungen und kaum Mutiges. „Wo sind die Vorstellungen des Klimakabinetts in Zahlen gegossen?“ wollte sie von Umweltministerin Schulze wissen. In der Bundesregierung habe Schulzes Ressort keine Lobby, sonst würde der Etat nicht nur 0,6 Prozent des Gesamthaushaltes ausmachen, kritisierte die Linken-Abgeordnete.
Auch langfristig habe man das Ziel nicht erkannt, denn bis 2023 solle der Haushalt von 2,6 Milliarden Euro auf 2,3 Milliarden Euro sinken. Es brauche viel mehr eine starke Besteuerung von Reichtum, die Zusammenführung von Umwelt-, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik und ein ökologisch nachhaltiges Verkehrskonzept, forderte Bluhm-Förster.
Grüne: Hälfte der Mittel für Altlasten gebunden
Auch Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte Schulze scharf: „Die Ernsthaftigkeit der Lage müsste sich im Haushalt wiederfinden, tut sie aber nicht“, sagte sie. Die Hälfte der Mittel im Haushalt sei für Altlasten gebunden, und schon lange mache die Bundesrepublik nur noch vor, wie es nicht geht.
„Das ist kein Spiel – den jungen Menschen ist das ernst“, sagte Kotting-Uhl. Sie merkte an, dass die Generationengerechtigkeit an Lobbyisten verschenkt werde. Umweltministerin Schulze werde mit „leeren Händen“ zum UN-Klimagipfel nach New York reisen und auch beim Thema Artensterben sei bisher nur ein Anfang gemacht, „mehr auch nicht“.
648 Millionen Euro für den Klimaschutz
Die Mittel für den Umweltschutz sollen laut Vorlage auf 184,91 Millionen Euro erhöht werden (2019: 154,01 Millionen Euro). Für den Titel „Forschungen, Untersuchungen und Ähnliches“ sind 67,28 Millionen Euro eingeplant (2019: 60,27 Millionen Euro). Die geplanten Gesamtausgaben für den Klimaschutz summieren sich auf 648,38 Millionen Euro (2019: 540,63 Millionen Euro). Mit 466,83 Millionen Euro stellt die Internationale Klimaschutzinitiative dabei den Hauptschwerpunkt im Bereich Klimaschutz dar (2019: 456,83 Millionen Euro). Im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative werden Projekte mit 55,69 Millionen Euro gefördert.
Für die Zwischenlagerung und Endlagerung radioaktiver Abfälle stehen Ausgaben in Höhe von 1,13 Milliarden Euro (2019: 983,8 Millionen Euro) Einnahmen in Höhe von 880,86 Millionen Euro (2019: 777,88 Millionen Euro) gegenüber.
110 Millionen Euro für biologische Vielfalt
Im Bereich Naturschutz ist das Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ ein finanziell bedeutender Bereich: 110,31 Millionen Euro (2019: 95,7 Millionen Euro) entfallen darauf. Untersuchungen zu Fragen des Strahlenschutzes und der Reaktorsicherheit sowie der nuklearen Ver- und Entsorgung werden mit 71,48 Millionen Euro (2019: 46,32 Millionen Euro) im Haushalt beziffert.
Bei den nachgeordneten Behörden entfallen auf das Umweltbundesamt Ausgaben von 144,82 Millionen Euro (2019: 138,6 Millionen Euro), auf das Bundesamt für Naturschutz 43,11 Millionen Euro (2019: 39,58 Millionen Euro), auf das Bundesamt für Strahlenschutz 63,81 Millionen Euro (2019: 67,43 Millionen Euro) sowie auf das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit 41,63 Millionen Euro (2019: 34,65 Millionen Euro). (lbr/10.09.2019)