Christine Lambrecht plädiert für einen „wehrhaften Rechtsstaat“
Mit einem relativ kleinen Etat soll nach den Vorstellungen von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) Großes bewirkt werden. Wie sie am Donnerstag, 12. September 2019, bei der Vorstellung des Haushalts des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für das kommende Jahr (Einzelplan 07, 19/11800) sagte, gehe es um Gerechtigkeit und den Schutz des Rechtsstaates und damit um die Schaffung der Grundlage für eine wehrhafte Demokratie. Dies sei eine aktuelle und ganz konkrete Aufgabe angesichts von Versuchen, an diesen Rechtsstaat die Axt anzulegen und engagierte Menschen zum Schweigen zu bringen. Ein wehrhafter Rechtsstaat dürfe dies nicht zulassen. Deshalb müsse der Verfolgungsdruck erhöht werden. Damit sich demokratiefeindliche Gruppierungen oder Personen nicht bis unter die Zähne bewaffnen, müsse das Waffenrecht verschärft werde.
Ministerin: Voraussetzungen für effektive Verfahren schaffen
Lambrecht verwies auf die geplante personelle und materielle Stärkung der Institutionen des Rechtsstaates. Bei den Gerichten sollen die Voraussetzungen für effektive Verfahren geschaffen werden. Weitere Aufgaben der nächsten Zeit seien Änderungen der Strafprozessordnung und beim Unternehmensstrafrecht, Verbesserungen beim Opferschutz, beim Verbraucherschutz und im Mietrecht.
Für Ausgaben im Bereich Justiz und Verbraucherschutz soll 2020 insgesamt erneut mehr Geld zur Verfügung stehen. Im Entwurf des Bundeshaushalts für das kommende Jahr sind für den Etat des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz 912,28 Millionen Euro vorgesehen, 16,96 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr. Demgegenüber steht im kleinsten Etat aller Bundesministerien ein Anstieg der Einnahmen um 32,00 Millionen auf 611,78 Millionen Euro. Das entspricht rund zwei Dritteln der Ausgaben.
AfD: Übertriebene Detailverästelung und politische Anbiederung
Tobias Peterka (AfD) bemängelte neben „purem Aktionismus“ im Zusammenhang mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz unter anderem, dass im Bereich Verbraucherschutz im Rahmen von Informationskampagnen explizit sogenannte besondere Zielgruppen wie Flüchtlinge angesteuert würden. Das sei eine für einen Bundeshaushalt übertriebene Detailverästelung und politische Anbiederung.
Kritik übte er an der finanziellen Ausstattung der Deutschen Richterakademie zulasten des Bundes.
CDU/CSU: Leistungskraft der Justiz erhöhen
Für die CDU/CSU betonte Thorsten Frei die Bedeutung des Rechtsstaates für das Leben und den Wohlstand in Deutschland. Zwar seien dabei die Länder ein Schwerpunkt, weil aber auch der Bund im Bereich der Justiz seine Aufgaben gut bewältigen müsse, sehe der Etat einen markanten Aufwuchs vor. Neben einem Personalzuwachs müsse es zu einer digitalen Ertüchtigung kommen, um die Leistungskraft der Justiz zu erhöhen, sagte Frei.
Angesichts fehlender Richter gebe es enormen Handlungsbedarf, der mit dem Pakt für den Rechtsstaat angegangen werde. Zudem müsse es schlankere und effizientere Verfahren geben. Der Rechtsstaat müsse aber auch in der Lage sein, konsequent gegen diejenigen vorzugehen, die ihn ablehnen. Zu den dafür notwendigen Instrumentarien gehöre die Vorratsdatenspeicherung.
FDP: Bauanreize statt Mietpreisbremse
Dr. Stefan Ruppert (FDP) nahm sich in seiner Rede die Vorhaben der Koalition in der Wohnungspolitik vor. Durch die Mietpreisbremse und eine Überregulierung des Marktes entstehe keine einzige zusätzliche Wohnung. Stattdessen müssten Bauanreize geschaffen werden.
Unter Verweis auf Vorbehalte gegen die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags sagte Ruppert, das Justizministerium als Verfassungsministerium habe die Aufgabe, Bedenken auszuräumen oder für eine verfassungsgemäße Vorlage zu sorgen. Dazu sei aus dem Justizministerium leider nicht viel zu hören. Er hoffe jedoch, dass es bei bürgerrechtlichen Fragen dem Innenministerium in den Arm fällt, wenn es darum geht, Grundrechte in Deutschland zu stark einzuschränken.
Linke: Verbraucher werden zu oft allein gelassen
Amira Mohamed Ali (Die Linke) verwies auf ein geringes Verbrauchervertrauen in die Politik. Es sei in einem Rechtsstaat nicht zu akzeptieren, dass die Durchsetzung von Verbraucherrechten gegenüber Unternehmen oft einem Kampf David gegen Goliath gleichkomme. Bei diesem Kampf würden Verbraucher viel zu oft allein gelassen. Dieser Zustand könne in einem Rechtsstaat nicht akzeptiert werden.
Der Verbraucherschutz sei seit vielen Jahren zu schwach, sagte die Abgeordnete. Der vorliegende Etatentwurf setze den Stillstand auf diesem Gebiet fort. Die Verbraucherzentralen seien heillos unterbesetzt und die Förderung sei zu gering. Nötig sei eine auskömmliche Finanzierung der Verbraucherzentralen und eine starke Verbraucherschutzbehörde, um einen Ausgleich zwischen Verbrauchern auf der einen Seite und mächtigen Unternehmen auf der anderen zu erreichen.
Grüne: Rechtsstaat befindet sich unter starkem Druck
Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) sieht den Rechtsstaat unter starkem Druck. Ein Teil der Bevölkerung wende sich von ihm ab. Dem müsse etwas entgegengesetzt und die Widerstandskräfte der Gesellschaft müssten gestärkt werden. Entscheidend sei nicht eine „Musealisierung der Rechtsstaatsidee“, sondern welche Erfahren die Bürger und Unternehmen jeden Tag in den Gerichten, in den Kanzleien und den Amtsstuben machten. Deswegen sei die bisherige Geringschätzung des Justizministeriums durch die SPD ein großes Problem.
Auch im Haushaltsentwurf gebe es keine Anzeichen dafür, dass die Aufgabe, Waffengleichheit vor den Gerichten zu schaffen, angegangen wird. Den Gerichten und Staatsanwaltschaften helfe kein Pakt für den Rechtsstaat, wenn sie in ihren Verfahren und in ihren Arbeitsmitteln im Zeitalter der Rohrpost stecken blieben.
SPD: Mehr Sicherheit erfordert mehr Personal
Dr. Johannes Fechner (SPD) wies die Kritik zurück. Die SPD habe den Anspruch, den Rechtsstaat zu stärken und Deutschland noch sicherer zu machen. Sie werde vor allem daran arbeiten, dass bei manchen Bürgern die Diskrepanz zwischen subjektivem Sicherheitsgefühl und der eigentlich guten objektiven Sicherheitslage im Vergleich zu anderem Ländern nicht weiter zunimmt und dass alle Bürger wissen, dass sie ihre Ansprüche und Rechte durchsetzen können.
Mehr Sicherheit erfordere mehr Personal, sagte Fechner, daher sei mit den Ländern der Pakt für den Rechtsstaat geschlossen worden. Als erster Schritt sehe der Justizhaushalt 110 Millionen Euro als erste Rate vor.
Personalausgaben bilden den Schwerpunkt
Größter Posten im Haushalt sind erneut die Personalausgaben, die um 20,92 Millionen auf 587,80 Millionen Euro steigen sollen. Den prozentual höchsten Zuwachs verzeichnet dem Entwurf zufolge der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, der 61,69 Millionen Euro ausgeben kann, ein Plus von 18,24 Millionen Euro. Mehr Geld ist auch für das Deutsche Patent- und Markenamt vorgesehen (plus 16,56 Millionen auf 253,77 Millionen Euro).
Der Bundesgerichtshof soll mit 58,11 Millionen Euro 4,06 Millionen mehr erhalten, und der Etat des Bundesfinanzhofs soll leicht auf 20,24 Millionen Euro steigen. Dem Ministerium selbst sollen für Personal- und Verwaltungsausgaben sowie für Investitionen 102,14 Millionen Euro zur Verfügung stehen, 8,51 Millionen mehr als in diesem Jahr.
38,27 Millionen Euro für Verbraucherpolitik
Dagegen sollen die Ausgaben im Bereich Verbraucherpolitik sinken. Dieser umfasst die Information der Verbraucher sowie Forschung und Innovation im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes. Die Ausgaben, die auch Zuschüsse an den Verbraucherzentrale Bundesverband und die Stiftung Warentest umfassen, fallen laut Entwurf mit 38,27 Millionen Euro um 3,95 Millionen geringer aus.
Für sonstige Bewilligungen wie für die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit werden mit 27,42 Millionen Euro 3,29 Millionen weniger veranschlagt. Die zentral veranschlagten Verwaltungsausgaben, zu denen der Schwerpunktbereich Versorgung gehört, sollen um 12,60 Millionen auf 219,46 Millionen Euro sinken. Bei Einnahmen von 129,21 Millionen Euro (plus 12,00 Millionen) soll auch für das Bundesamt für Justiz mit 96,03 Millionen Euro weniger Geld zur Verfügung stehen (minus 5,38 Millionen). Ebenso sparen müssen dem Entwurf zufolge das Bundesverwaltungsgericht (minus 3,52 Millionen auf 20,98 Millionen Euro) und das Bundespatentgericht (minus 1,81 Millionen auf 14,18 Millionen Euro). (mwo/12.09.2019)