Opposition wirft Jens Spahn falsche Weichenstellungen vor
Die Opposition wirft der Bundesregierung in der Gesundheitspolitik falsche Weichenstellungen und mutlose Reformen vor. In der ersten Beratung des Gesundheitsetats für 2020 (19/11800, Einzelplan 15) forderten Redner der Opposition am Freitag, 13. September 2019, im Bundestag grundsätzliche Veränderungen auch bei der Finanzierung der Leistungen, um die Versorgung langfristig zu sichern. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verwies bei der Einbringung seines Haushalts auf die von ihm angestoßenen zahlreichen Reformen, die den Bürgern konkrete Verbesserungen brächten.
Minister: Es gibt nach wie vor einen Vertrauensverlust
Spahn sagte, es gehe auch in der Gesundheitspolitik um die Frage, ob der Staat funktioniere und seine Versprechen einhalte. Er räumte ein, dass es nach wie vor einen Vertrauensverlust gebe, etwa in der Pflege. So seien Pflegekräfte mitunter frustriert von ihren Arbeitsbedingungen. Zugleich erinnerte Spahn an die Finanzierung von zusätzlich 13.000 Stellen in der Altenpflege sowie die verbesserte Pflege in den Krankenhäusern.
Zudem bemühe er sich darum, Pflegefachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, beispielsweise in Mexiko. Zwar hapere es teilweise noch bei der Umsetzung, die auch nur schrittweise wirksam werde, die Reformen zeigten aber, dass die Reformen im Alltag ankämen. Dies sei der Weg, um Vertrauen zurückzugewinnen.
18 Gesetzentwürfe in 18 Monaten
Spahn betonte, er habe in der laufenden Wahlperiode schon viel angepackt und in 18 Monaten 18 Gesetzentwürfe vorgelegt. Reformen seien geplant bei den Berufsgesetzen, die teilweise seit Jahren nicht verändert worden seien. So würden die Ausbildungen für Psychotherapeuten, in der Geburtshilfe, in der Anästhesie und bei pharmazeutisch-technischen Assistenzen aktualisiert.
Als weitere Vorhaben nannte der Minister das Implantateregister und das digitale Versorgungsgesetz. Zudem wolle er die Apotheken stärken durch die Finanzierung zusätzlicher Dienstleistungen. Ferner werde ein verpflichtender Impfschutz gegen Masern diskutiert. Die Ausrottung dieser Krankheit dürfe nicht an Deutschland scheitern. Spahn sagte: „Wir versprechen nicht das Blaue vom Himmel, sondern packen solide an.“
AfD: Hyperkinetischer Aktionismus
Die Opposition stellt die Betriebsamkeit des Gesundheitsministeriums nicht infrage, findet manche Reform auch unterstützenswert, sieht aber noch ganz anderen Handlungsbedarf. Prof. Dr. Axel Gehrke (AfD) kritisierte, im Haushaltsplan für 2020 seien überhaupt keine neuen Ansätze abzulesen. Es gehe einfach alles so weiter, trotz des „hyperkinetischem Aktionismus“ von Spahn. Die Umlagefinanzierung werde durch das zunehmende Missverhältnis zwischen Patienten und Beitragszahlern infrage gestellt. Das könne das Gesundheitssystem nicht dauerhaft überleben.
Dass der Gesundheitsetat mit einer Steigerung von rund 20 Millionen Euro nicht weiter aufgebläht werde, sei zu begrüßen, jedoch seien weder qualitative Verbesserungen zur Versorgung der Bevölkerung, noch künftige Schwerpunkte zu erkennen. Die Frage sei, was von den vielen Änderungen bei den Bürgern überhaupt ankomme. So liefen die Reformen, etwa in der Pflege, oftmals nur auf mehr Bürokratie hinaus.
Linke: Gesundheit darf keine Ware sein
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) beklagte, dass Gesundheitsleistungen zunehmend als rein ökonomische Größe angesehen würden, Gesundheit dürfe aber keine Ware sein. Der wirtschaftliche Druck habe mit der Einführung der Fallpauschalen begonnen, seither werde jede Krankheit als Produkt begriffen. Beteiligungsunternehmen kauften Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen auf, um Rendite zu erzielen.
Behandlungen wie die künstliche Beatmung seien heute ein Milliardengeschäft. Patienten so lange wie möglich an Maschinen zu halten, bringe mehr Geld. Auch werde in Deutschland auffällig oft operiert. Lötzsch betonte: „Da stimmt doch etwas nicht.“ Sie forderte eine solidarische Gesundheitsreform.
Grüne: In die Versorgung von morgen investieren
Auch Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) sieht grundsätzlichen Handlungsbedarf im Gesundheitswesen. Es gebe eine Vertrauenskrise in Gesundheit und Pflege. Menschen hätten Angst, ob in allen Regionen des Landes die medizinische Versorgung noch gewährleistet sei. Auch angesichts des Fachkräftemangels seien tragfähige Lösungen nötig, ein Feuerwerk an Gesetzentwürfen reiche nicht aus, wenn damit nur „Mehr vom Gleichen“ geschaffen werde, statt neue Versorgungsstrukturen zu organisieren.
Die Grünen-Politikerin betonte: „Wir müssen in die Versorgung von morgen investieren.“ Der Mut zu entscheidenden Reformen fehle.
SPD will Weiterentwicklung zur Pflegebürgerversicherung
Sabine Dittmar (SPD) verwies wie Spahn auf die zahlreichen Reformvorhaben. Die Gesundheitspolitik arbeite auf Hochtouren, das könne niemandem verborgen geblieben sein. Allein die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge entlaste Bürger um sieben Milliarden Euro. Auch in der Pflege sei viel angestoßen worden für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige.
Die Herausforderungen seien allerdings nach wie vor immens, fügte Dittmar hinzu. Allen sei klar, dass die notwendigen Leistungsverbesserungen in der Pflege nicht zum Nulltarif zu haben seien. Die Eigenanteile in Pflegeheimen stiegen stetig, hier müsse es eine Begrenzung geben und eine Weiterentwicklung zur Pflegebürgerversicherung. Auch für die sogenannte Doppelverbeitragung der Betriebsrentner müsse zügig eine Lösung vorgelegt werden.
FDP: Hohe Rücklage im Gesundheitsfonds nicht vertretbar
Karsten Klein (FDP) hinterfragte die Gesetzgebung „im Monatstakt“. Dies sei nicht notwendigerweise eine Qualitätsmerkmal für Regierungshandeln. Seine Fraktion unterstützte jedoch einige Positionen im Haushalt 2020, etwa die Ansätze für die internationale Gesundheitspolitik, die private Pflegevorsorge oder die Digitalisierung.
Nicht vertretbar seien die extrem hohen Rücklagen im Gesundheitsfonds und bei den Krankenversicherungen. Er forderte zugleich, auf die Kostenbremse zu treten, um höhere Beiträge zu verhindern.
CDU/CSU: Reformbedarf in der Tages- und Kurzzeitpflege
Lothar Riebsamen (CDU/CSU) wies darauf hin, dass die Zusatzbeiträge zuletzt stabil geblieben seien. Die Krankenkassen würden dazu verpflichtet, hohe Überschüsse abzubauen. Auch in der Pflege gehe es voran, das Geld sei dort gut investiert.
Gleichwohl gebe es noch Reformbedarf in der Tagespflege und Kurzzeitpflege. Familien könnten pflegebedürftige Angehörige nicht dauerhaft ganz alleine betreuen. Daher sollten die Rahmenbedingungen hier verbessert werden.
14,5 Milliarden Euro für den Gesundheitsfonds
Nach dem Regierungsentwurf für den Haushalt 2020 soll das Bundesministerium für Gesundheit im nächsten Jahr rund 15,32 Milliarden Euro ausgeben können (2019: 15,3 Milliarden Euro). Von den Gesamtausgaben des Einzelplans 15 entfallen 14,5 Milliarden Euro – wie in den Vorjahren auch – auf den Zuschuss an den Gesundheitsfonds zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Durch diesen Zuschuss sollen die Krankenkassen bei der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen teilweise entlastet werden.
Für die Pflegevorsorge und sonstige soziale Sicherung sind 80,32 Millionen Euro eingeplant (2019: 77,72 Millionen Euro). Darin enthalten sind 56,6 Millionen Euro (2019: 55 Millionen Euro) für die Förderung der freiwilligen privaten Pflegevorsorge und 8,9 Millionen Euro (2019: 6,9 Millionen Euro) für die bessere Versorgung Pflegebedürftiger. Präventionsmaßnahmen und Einrichtungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens sollen mit 63,48 Millionen Euro gefördert werden (2019: 58,44 Millionen Euro).
Forschungsvorhaben und -einrichtungen
Für Forschungsvorhaben und die dazu benötigten Einrichtungen veranschlagt der Entwurf Ausgaben in Höhe von 128,99 Millionen Euro (2019: 123,85 Millionen Euro). 41,71 Millionen Euro (2019: 38,1 Millionen Euro) davon sind „zweckgebundene Zuweisungen an die Länder für Mitgliedseinrichtungen der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e. V.“ (WGL).
Für Investitionen stehen der WGL 13,76 Millionen Euro zur Verfügung (2019: 14,65 Millionen Euro). (pk/13.09.2019)