Opposition: Mehr Schein als Sein in Franziska Giffeys Familienpolitik
Knapp zwölf Milliarden Euro soll Franziska Giffey (SPD) im kommenden Jahr ausgeben können: So groß war der Etat des Familienministeriums noch nie. In den Beratungen zum Einzelplan 17 des Bundeshaushalts 2020 (19/11800) am Donnerstag, 12. September 2019, betonte Giffey deshalb, die Koalition tue viel für die Familien im Land. Von der Opposition kam dagegen Kritik: In der Familienpolitik gebe es mehr Schein als Sein.
Ministerin: Familien profitieren direkt
Giffey sagte in ihrer Rede, neun Milliarden aus dem 11,8-Milliarden-Euro-Budget ihres Hauses gingen „direkt in die Portemonnaies der Familien“. Durch den Ausbau von Bildungs- und Teilhabeleistungen würden vor allem Eltern mit geringeren Einkommen unterstützt. Mit 5,5 Milliarden Euro sorge man für „mehr Qualität und weniger Gebühren“ in den Kitas. Ein weiteres wichtiges Projekt der Koalition sei es, einen Anspruch auf Ganztagesbetreuung in der Grundschule zu schaffen. Dafür stelle ihr Haus 500 Millionen Euro zur Verfügung, aus dem Bildungsministerium kämen weitere 500 Millionen.
277 Millionen Euro würden an die Freiwilligendienste gehen, sodass jeder, der einen solchen Dienst absolvieren will, auch einen Platz bekomme. Weil es wichtig sei, sich um den sozialen Frieden im Land zu kümmern, würden für das Bundesprogramm „Demokratie leben“ mehr als 100 Millionen Euro auch im Jahr 2020 bereitgestellt. Es sei wichtige, Engagierte vor Ort zu stärken, deshalb sei auch die Einrichtung einer „Stiftung für Ehrenamt und Engagement“ wichtig.
CDU/CSU will mehr Geld für den Freiwilligendienst
Für die Unionsfraktion betonte Marcus Weinberg, es müsse das Ziel sein, Familien in den Mittelpunkt zu stellen, sich um Gruppen zu kümmern, die Unterstützung benötigen, und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken. Dass der Bund für den Ausbau der Kinderbetreuung im nächsten Jahr 300 Millionen Euro gebe, sei ein wichtiger Faktor für das Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit.
Die Union setze explizit einen Schwerpunkt beim Thema Kinderschutz; dabei sei es wichtig, Eltern so zu stärken, dass sie ihre Kinder vor Gewalt und Missbrauch schützen können. Daher sei es gut, dass für den Bereich der frühen Hilfen 51 Millionen Euro eingeplant seien; es wäre aber gut, diesen Betrag noch zu erhöhen. Weinberg kritisierte, dass bei der „grandiosen Einrichtung“ des Bundesfreiwilligendienstes Kürzungen vorgesehen seien: Diesen Punkt müsse man in den parlamentarischen Beratungen „noch besser“ gestalten.
SPD tritt für mehr Gleichstellung ein
Die SPD-Abgeordnete Svenja Stadler sagte, die Große Koalition arbeite „engagiert und zielgerichtet“ an der Unterstützung von Familien. Ein wichtiges Thema für die Zukunft sei die Gleichstellung: Dafür brauche es sowohl ein Institut, das das Thema in die Gesellschaft trage, als auch eine konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention und damit einhergehend eine unabhängige Monitoringstelle.
Stadler kündigte Initiativen für Parität in den Parlamenten und eine Novellierung der Frauenquote in Aufsichtsräten an.
AfD: Familien anders fördern als bisher
Eine völlig falsche Ausrichtung der Familienpolitik attestiere der AfD-Abgeordnete Volker Münz der Großen Koalition. Die Aufwüchse bei Elterngeld und Kinderzuschlag seien zwar zu begrüßen, die Regierung werde aber ihrem eigenen Ziel nicht gerecht, Menschen die Entscheidung für Kinder und Familie zu erleichtern. Familien seien durch die Entwicklung der Stromkosten und steigende Mieten extrem belastet. Während es in den 1980er-Jahren möglich gewesen sei, als Handwerker und Alleinverdiender ein Haus zu finanzieren und eine Familie zu ernähren, seien Eltern heute gezwungen, beide zu arbeiten und ihre Kinder in frühe Betreuung zu geben.
Das Familienbild der Regierung widerspreche dem Grundgesetz– der Staat aber müsse Eltern in die Lage versetzen, die Erziehung ihrer Kinder zu gewährleisten. Seine Fraktion fordere daher, das Elterngeld bis ins dritte Lebensjahr auszuweiten.
FDP: Schlüssige Konzepte fehlen
Die liberale Familienpolitikerin Nicole Bauer warf Giffey vor, sie betreibe mit klangvollen Gesetzesnamen „Augenwischerei“. Sie habe für ihre Vorhaben keinerlei schlüssige Konzepte und lasse die Bereitschaft vermissen, bestehende Programme zu überprüfen und zu korrigieren.
Statt einer Verbesserung der Qualität in Kitas gebe es Gebührenfreiheit, beim Ausbau der Kita-Plätze habe der Bund keine Möglichkeit, etwas dagegen zu tun, dass die Länder das bereitstehende Geld nicht abrufen würden. Für den Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder solle zwar eine Milliarde Euro bereitgestellt werden, es gebe dafür aber keinerlei Konzept.
Linke will mehr Geld für Familien
Für Die Linke sagte Dr. Gesine Lötzsch, dass für das Familienministerium „nur knapp zwölf Milliarden Euro“ zur Verfügung stehen sollen, sei angesichts von geplanten Ausgaben von 50 Milliarden Euro für Rüstung und Militär „ein grobes Missverhältnis“. Familien, Senioren, Frauen und Jugend müssten „mehr wert“ sein. Es sei ein unhaltbarer Zustand, dass in Deutschland rund 2,7 Millionen Kinder in Armut lebten. Bei dem geplanten Ausbau der Ganztagsbetreuung in Grundschulen müsse bedacht werden, dass bis 2025 ungefähr 26.000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen würden.
Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg hätten erneut bewiesen, wie wichtig die Demokratieförderung sei. Für die Strategie für Vielfalt, Toleranz und Demokratie werde das Geld in den kommenden Jahren von 107.5 Millionen Euro im kommenden Jahr auf nur noch 30.5 Millionen Euro im Jahr 2023 um zwei Drittel gekürzt; dies sei „nicht hinnehmbar“.
Grüne: Nur versprechen, was man halten kann
Die Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz warnte Giffey davor, zu viel zu versprechen, das sie absehbar nicht halten könne. Beim geplanten Betreuungsanspruch für Grundschüler wisse noch niemand, wie dieser aussehen werde; die entsprechenden Bund-Länder-Verhandlungen lasse Giffey zur „Pokerrunde verkommen“.
Sie habe das Gefühl, man sei in Sachen Engagementstiftung vor einem Jahr weiter gewesen als heute, so Deligöz - offenbar seien alle Pläne inzwischen verschwunden. Die Ministerin kündige zwar öffentlichkeitswirksam vieles an, habe aber – wie etwa beim Thema Kita-Qualität – keine verlässliche Finanzplanung.
Gut eine Milliarde Euro mehr
Ausgaben in Höhe von 11,8 Milliarden Euro (2019: 10,45 Milliarden Euro) sieht der im Regierungsentwurf für den Haushalt 2020 (19/11800) enthaltene Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor.
Der überwiegende Teil der Ausgaben ist für familienpolitische Maßnahmen vorgesehen. Von den dafür zur Verfügung stehenden 9,54 Milliarden Euro (2019: 8,66 Milliarden Euro) betreffen 7,25 Milliarden Euro (2019: 6,86 Milliarden Euro) das Elterngeld. 795 Millionen Euro sind als Unterhaltsvorschusszahlungen eingeplant (2019: 718 Millionen Euro). Das Kindergeld schlägt der Vorlage zufolge mit 1,18 Milliarden Euro zu Buche (2019: 779 Millionen Euro).
Für die Kinder- und Jugendpolitik sind 1,46 Milliarden Euro eingeplant (2019: 987,83 Millionen Euro). 300 Millionen Euro davon (2019: 300 Millionen Euro) sind für das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ vorgesehen. Zudem soll ein Sondervermögen „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ errichtet werden, wofür 500 Millionen Euro aus dem Familienetat bereitgestellt werden sollen.
Ausgaben für Freiwilligendienste
Mit 419,1 Millionen Euro (2019: 485,94 Millionen Euro) schlägt der Posten „Stärkung der Zivilgesellschaft, Familien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik“ zu Buche. Davon entfallen 293,1 Millionen Euro auf die Stärkung der Zivilgesellschaft (2019: 383,1 Millionen Euro). Dazu zählen die Ausgaben für Freiwilligendienste mit 110,68 Millionen Euro (2019: 120,68 Millionen Euro) und für den Bundesfreiwilligendienst mit 167,2 Millionen Euro (2019: 207,2 Millionen Euro).
Für das im kommenden Jahr startende „Bundesprogramm zur Förderung von Innovationen im Hilfesystem zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen mit ihren Kindern – Bau, Modernisierung und Sanierung“, sind 30 Millionen Euro im Haushaltsentwurf eingestellt. (suk/12.09.2019)