Lob und Tadel für den Bildungs- und Forschungsetat von Anja Karliczek
Lebhaft debattiert hat der Bundestag am Donnerstag, 12. September 2019, den Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Einzelplan 30 des Bundeshaushalts, 19/11800), der 2020 von 18,3 Milliarden Euro auf 18,2 Milliarden Euro sinken soll. Während die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek (CDU), und die Redner von CDU/CSU und SPD den Haushaltsentwurf lobten, kritisierte die gesamte Opposition die Pläne.
Dr. Götz Frömming (AfD) sprach von einem Haushaltsentwurf nahe am „Verfassungsbruch“, Katja Suding (FDP) warf Karliczek eine „Kapitulationserklärung als Ministerin“ vor, Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) warnte vor dem Kollaps des Bildungssystems, und Kai Gehring (Bündnis 90/ Die Grünen) nannte den Entwurf Karliczeks „zukunftsvergessen“.
Ministerin: Wir investieren in Bildung und Forschung
Bundesministerin Karliczek wies darauf hin, dass gerade in Zeiten, in denen die Einnahmen nicht mehr so üppig wachsen würden wie bisher, die Bundesregierung die richtigen Prioritäten setze: „Wir investieren in Bildung und Forschung, wir investieren in die Menschen in diesem Land.“ Gute Aus- und Weiterbildung, eine hohe Forschungs- und Innovationskraft würden für das Land entscheidend bleiben. Als Beispiele nannte sie neben dem Digitalpakt Schule auch die steuerliche Forschungsförderung, die insbesondere den Mittelstand stärken soll.
Zudem betonte Karliczek, dass sie froh sei, dass sich junge Menschen wieder politisch engagieren. Dabei spielte die Ministerin auf die Fridays-for-Future–Bewegung und das Eintreten für Klimaschutz an, ohne die Bewegung namentlich zu nennen. Karliczek sagte: „Sie engagieren sich für ein Menschheitsthema, Schöpfung zu bewahren und den natürlichen Lebensraum zu erhalten, dem Klimawandel entgegenzutreten, das sind Kernthemen meines Hauses.“ Technologische Innovationen zum Schutz des Klimas müssten vorangetrieben werden. Ökologie, Wirtschaft, Soziales und Technologie müssten zusammen gedacht werden, Deutschland müsse ein Klima-Innovationsland werden. Kaliczek sagte: „Klimaschutz ist auch Technologiepolitik, ist auch Innovationspolitik. Umwelttechnik made in Germany ist schon heute ein Exportschlager, und Klima-Innovation made in Germany soll auch zukünftig unser Markenzeichen sein.“
AfD: Sie bewegen sich am Rande des Verfassungsbruchs
Gleich zu Beginn seiner Rede sagte Götz Frömming an die Adresse der Ministerin gerichtet: „Als ich Ihnen eben gelauscht habe, das ging ja runter wie Öl. Ich habe mich nur gefragt: Wo ist dieses Land eigentlich, das Sie da beschrieben haben? Das klingt wie eine Utopie. Aber mit der Realität hat das leider nicht viel zu tun.“
Frömming kritisierte, dass über die Hälfte des Bundeshaushalts mittlerweile in Bund-Länder-Vereinbarungen gebunden seien, was auch der Bundesrechnungshof moniere. Der Bund würde immer tiefer in Kernbereiche eindringen, für die in der föderalen Ordnung die Länder zuständig seien. „Beim Digitalpakt oder auch durch den Einstieg des Bundes in die Grundfinanzierung der Hochschulen bewegen Sie sich am Rande des Verfassungsbruchs.“
Zudem würde der Bund so mit „Hilfe eines goldenen Zügels“ den Ländern und Kommunen bildungspolitische Ziele aufzwingen, die diese ohne die Millionen des Bundes nicht oder in einer anderen Priorisierung verfolgen würden. Frömming nannte als Beispiel den Ausbau von Ganztagesschulen oder die Digitalisierung des Lehrens und Lernens. In diesem Zusammenhang sagte er auch: „Digitale Bildung gibt es nicht. Kein Computer der Welt wird unseren Kindern die Anstrengungen des Lernens abnehmen können.“
SPD: Nur auf den ersten Blick ein Minus
Swen Schulz (SPD) wies darauf hin, dass immer wieder zu hören sei, dass die Bundesregierung den Etat für Bildung und Forschung 2020 kürze: „Als Haushaltspolitiker kann ich sagen: das ist falsch.“ Schulz rechnete vor, dass es in der Tat ein Minus von 69 Millionen Euro gegenüber dem laufenden Jahr gebe, allerdings nur auf den ersten Blick. Denn auf den zweiten Blick falle auf, die größte Veränderung sei der verabredungsgemäße Wegfall der Kompensationsmittel Föderalismusreform für die Bundesländer, nämlich 715 Millionen Euro, „die nun aus der Haushaltsplanrechnung weg sind“.
Das bedeute unter dem Strich, dass das Ministerium rund 650 Millionen Euro mehr zur Verfügung habe. Rechne man noch die Mittel aus Sondervermögen wie dem Digitalpakt Schule, Strukturmittel aus dem Kohlekompromiss und andere Mittel, die nicht im Haushalt für Bildung und Forschung ausgewiesen seien, diesem aber zugute kämen, hinzu, komme man auf 25 Milliarden Euro insgesamt. Schulz sagte: „Das ist ein historischer Höchststand.“
FDP: Ministerin hat Gestaltungsanspruch aufgegeben
Im Anschluss warf Katja Suding der Bundesbildungsministerin die Kürzung dennoch vor. Karliczek habe den „Gestaltungsanspruch“ bereits aufgegeben. Suding machte deutlich, dass sie die Ausführungen des Vorredners Swen Schulz nicht überzeugt hätten: „Das klang nach Ausrede. Hier wird gekürzt.“ Aber es würden nicht nur 70 Millionen im Etat fehlen, sondern weitere 800 Millionen Euro für den Digitalpakt, der aus der Versteigerung der 5G-Funklizenzen finanziert werden sollte.
„Von Ihnen, Frau Karliczek, haben wir kein Wort darüber gehört, wo sie die denn hernehmen wollen. Das sind Sie den Schülern, Lehrern und Eltern in unserem Land schuldig.“ Ferner kritisierte sie, dass beim Hochschulpakt das Geld mit der Gießkanne ausgeschüttet werde, da die Mittel pro Kopf verteilt würden. Damit bleibe der Anreiz für die Hochschulen bestehen, auf Masse statt auf Qualität zu setzen. Zudem monierte sie auch die verabschiedete BAföG-Reform, die lediglich ein Inflationsausgleich sei.
Linke: Koalition hat Schicksal an schwarze Null gekettet
Gesine Lötzsch sagte: „Die Koalition hat ihr Schicksal an die schwarze Null gekettet, und das ist fatal.“ Sie fügte an: „Das Dogma lautet, es ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, keine weiteren Schulden zu machen.“
In diesem Standardsatz würden jedoch gravierende Denkfehler stecken. „Denn wer heute nicht in die Bildung der Jugend investiert, der verspielt die Zukunft der nächsten Generation. Und das darf nicht sein.“ Sie fragte: Ist es gerecht, wenn sich die Ausbildung verschlechtert, wenn Lehrpersonal fehlt, wenn Schulen und Universitäten überfüllt sind? Das sei das Gegenteil von Generationengerechtigkeit.
Grüne: Chancen für alle gibt es nicht zum Nulltarif
Kai Gehring mahnte, dass Bildung und Forschung Quellen künftigen Wohlstandes seien und Treiber für Innovationen. „Daher ist es hochproblematisch, dass dieser Einzelplan 30 im Vergleich zum Vorjahr ein Minus aufweist.“ Auf Zwischenrufe eingehend, betonte Gehring, er habe den Haushaltsentwurf gelesen, und das, was die SPD dazu gesagt habe, reiche als Erklärung nicht aus. Gehring sagte: „Chancen für alle und Forschung for Future gibt es nicht zum Nulltarif.“ Er forderte einen Investitionsmotor für Bildung und Forschung. Dabei gehe es auch darum, Infrastrukturen zu modernisieren. Marode Schulen seien ein Mahnmal für eine Bildungsrepublik. „Ob Grundschulen in Brennpunktquartieren oder Berufsschulen im ländlichen Raum: Schulen müssen bundesweit Kathedralen des Wissens sein.“
Bildungschancen dürften nicht länger von der Herkunft und auch nicht von der Region abhängen, aus der Menschen stammen. Ferner forderte er, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Überall fehlten Handwerker und Lehrer. Als konkretes Beispiel aus dem Haushaltsentwurf, in dem er das Engagement der Bundesregierung vermisse, nannte er die vorgesehenen 30 Millionen Euro für 7,5 Millionen funktionale Analphabeten und rechnete vor, dass das knapp vier Euro pro Person seien. Das reiche nicht aus, um gut lesen und schreiben zu lernen, mahnte er.
CDU/CSU: Jahrzehntelange Investitionen tragen Früchte
Tankred Schipanski (CDU/CSU) lobte den Entwurf und die erreichten Ziele im Bildungs- und Forschungsbereich. Die Schwarzmalerei, besonders der FDP, könne man nicht nachvollziehen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bescheinige Deutschland, dass das Land in der MINT-Bildung, also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik besonders gut sei. Es müsse anerkannt werden, dass „die jahrzehntelangen hohen Investitionen in Bildung und Forschung Früchte tragen“.
Ähnlich wie Götz Frömming mahnte auch Schipanski, dass der Haushalt 2020 zu 50 Prozent über diverse Bund-Ländern-Vereinbarungen gebunden sei. „Für mich eine Schallmauer, die wir nicht überschreiten wollen und nicht überschreiten dürfen.“ Er betonte zudem, dass sich die Länderhaushalte ab 2020 beim Umsatzsteueraufkommen vermutlich besser entwickeln werden als der Haushalt des Bundes. Der Bund sei zwar in der Bildung ein finanzieller und inhaltlicher Impulsgeber, aber die Impulse dürften keine Ersatzvornahme sein, besonders dann nicht, wenn die Länder eigentlich finanziell zuständig seien.
Weniger Geld für das BAföG
18,2 Milliarden Euro sollen dem Ministerium für 2020 zur Verfügung stehen (2019: 18,27 Milliarden Euro). Für die Leistungsfähigkeit des Bildungswesens und die Nachwuchsförderung sind 4,45 Milliarden Euro vorgesehen (2019: 4,79 Milliarden Euro). Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) machen dabei 2,28 Milliarden Euro aus (2019: 2,64 Milliarden Euro).
Für Schülerinnen und Schüler sind 878 Millionen Euro (2019: 1,06 Milliarden Euro), für Studierende 1,27 Milliarden Euro (2019: 1,55 Milliarden Euro) eingeplant.
Sondervermögen Ganztagsschule
Für die Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung will Ministerin Karliczek 285,91 Millionen Euro bereitstellen (2019: 283,91 Millionen Euro), für die Stärkung des Lernens im Lebenslauf 825,39 Millionen Euro (2019: 275,56 Millionen Euro). Der Mittelaufwuchs ist vor allem durch das geplante Sondervermögen „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ begründet, wofür 500 Millionen Euro aus dem Bildungsetat eingeplant sind.
Mit 7,05 Milliarden Euro will die Regierung die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems stärken (2019: 6,9 Milliarden Euro). Davon entfallen 2,17 Milliarden Euro auf den Hochschulpakt 2020 (2019: 2,21 Milliarden Euro). 400 Millionen Euro (2019: 457,25 Millionen Euro) sind für die Exzellenzstrategie zur Förderung von Spitzenforschung an Universitäten eingeplant, 103,64 Millionen Euro (2019: 104,44 Millionen Euro) für die Weiterentwicklung des sogenannten Bologna-Prozesses (Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen in der EU) und 200 Millionen Euro – wie im Vorjahr – für den Qualitätspakt Lehre.
1,45 Milliarden Euro für die Deutsche Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) soll den Planungen nach im kommenden Jahr 1,45 Milliarden Euro erhalten (2019: 1,38 Milliarden Euro). 1,03 Milliarden Euro (2019: 980,77 Millionen Euro) sind für die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft vorgesehen.
Der Bereich „Forschung für Innovationen, Hightech-Strategie“ ist im Einzelplan 30 mit 7,02 Milliarden Euro bedacht (2019: 6,85 Milliarden Euro). (rol/12.09.2019)