Sensburg: Die Abwahl eines Vorsitzenden muss auch möglich sein
„Seit 70 Jahren gab es keinen Fall, in dem ein Ausschussvorsitzender abgewählt wurde. Das ist jetzt der erste“, sagte Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU), Vorsitzender des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, am Mittwoch, 13. November 2019, im Interview mit dem Parlamentsfernsehen zum Fall Stephan Brandner (AfD). Brandner war am 13. November als Vorsitzender des Rechtsausschusses abberufen worden – ein Vorgang, der in der Geschichte des Deutschen Bundestages bisher einmalig ist. Der Geschäftsordnungsausschuss hatte in der Sache in einem Bericht die Vereinbarkeit der Abberufung mit der Geschäftsordnung des Bundestages bejaht (19/15076).
Hintergrund der Abwahl, die mit Ausnahme der AfD-Abgeordneten von allen Mitgliedern des Rechtsausschusses unterstützt wurde, waren Äußerungen Brandners auf seinem Twitter-Kanal nach dem Terroranschlag in Halle und gegen die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Künstler Udo Lindenberg, die weithin Empörung ausgelöst hatten. Vertreter der antragstellenden Fraktionen hatten erklärt, Brandner habe weder menschlich noch politisch die notwendige Eignung für den Vorsitz im Rechtsausschuss und sei in dieser Funktion nicht tragbar. Brandner, der seinen Wahlkreis in Thüringen hat, hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.
Schiedsrichter im parlamentarischen Betrieb
Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung prüft neben Fragen zur Auslegung und Einhaltung der Geschäftsordnung auch Einsprüche gegen den Ablauf von Bundestagswahlen. Er wacht darüber hinaus über die Immunität von Abgeordneten. In dieser Funktion ist der Ausschuss eine Art Schiedsrichter im parlamentarischen Betrieb und erarbeitet Lösungen bei Konflikten in Plenum und Ausschüssen.
Vor dem Hintergrund dieser Geschäftsbereiche nahm Sensburg auch Stellung zu den anhaltenden Forderungen nach einer Wahlrechtsreform, durch die der Bundestag verkleinert werden könnte. Zwar ließen sich Wahlkreise vergrößern, um dieses Ziel zu erreichen, so Sensburg. Jedoch hätten viele Abgeordnete dann gegebenenfalls nicht mehr die Möglichkeit, jeden Bürger im Wahlkreis zu erreichen. Eine Deckelung der Mandate durch Beschneidung der Zweitstimmen könnte sich wiederum für kleinere Parteien negativ auswirken, die vor allem über jene Stimmen Abgeordnete entsenden. „Eine Lösung scheint derzeit nicht in Sicht zu sein“, sagte Sensburg mit Blick auf die Problemlage. Mit derzeit 709 Abgeordneten ist der Deutsche Bundestag deutlich größer als vorgesehen. Die reguläre Mindestanzahl der Sitze liegt bei 598.
Entzerrung des Plenarbetriebs
Breite Diskussion erfahren derzeit auch die Arbeitsbedingungen im Deutschen Bundestag. Nach dem Zusammenbruch zweier Abgeordneter während einer Plenarsitzung wurde eine Begrenzung der Sitzungszeiten gefordert. Vor allem mit den Nachtsitzungen „solle man aufhören“, sagte etwa Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann. Ganz aktuell forderte er hierfür, bis auf wichtige Ausnahmen auf die erste Lesung im Plenum zu verzichten und diese im Ausschuss durchzuführen. Dies sei allerdings schwierig, da in ersten Lesungen häufig erst der federführende Ausschuss bestimmt werde, so Sensburg.
Nachzudenken wäre aber über eine Verkürzung der Plenardebatten, sagte Sensburg. Auch ließen sich zu später Stunde Reden zu Protokoll geben, sodass diese gar nicht gehalten würden. Eine dritte Möglichkeit der Entzerrung des Plenarbetriebs sieht Sensburg in der Verlagerung von Tagesordnungspunkten auf den Mittwoch in Sitzungswochen, für den bisher aufgrund der zeitgleich tagenden Ausschüsse in der Regel nur kurze Sitzungszeiten anberaumt wurden. (ste/13.11.2019)