Plenum debattiert über Zukunft der beruflichen Bildung
Die Mitglieder der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“, die im Juni 2018 eingesetzt wurde haben sich am Donnerstag, 7. November 2019, in einer Vereinbarten Debatte mit dem Thema „Zukunft der beruflichen Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ beschäftigt.
CDU/CSU: Erfolge allein reichen nicht aus
Für die Unionsfraktion sagte Katrin Staffler (CDU/CSU), dass die bereits erzielten Erfolge allein nicht ausreichen werden, um die berufliche Bildung attraktiver zu machen. Es müsse angefangen werden, den Erwerb von digitalen Kompetenzen als „ganz natürlichen Teil des Lernens“ zu verstehen. Konkret müssten in drei Bereichen die Rahmenbedingungen noch verbessert werden: Im Bereich der Wissensvermittlung müssten digitalen Kompetenzen und dem Umgang mit Medien ein größeres Gewicht gegeben werden.
Neben den Auszubildenden müssten auch das Berufsschulpersonal und die betrieblichen Ausbilder „fit gemacht werden“ und es müsse bei der Organisation der beruflichen Bildung stärker auf Vielfalt und Chancen beruflicher Karrierewege hingewiesen werden. Zusätzlich sei es nötig, die Lernorte Betrieb und Berufsschule über digitale Plattformen enger miteinander zu verzahnen und das ortsunabhängige Lernen zu stärken.
AfD: Mensch in Mittelpunkt der Wertschöpfung stellen
Nicole Höchst (AfD) betonte, dass die Enquete-Kommission den Menschen und der Gesellschaft helfen wolle, den bevorstehenden Umbruch nicht „zu erleiden, sondern zu gestalten“. Eine Sicht von Maschinen als Gegenpart zum Menschen erzeuge Angst und Abneigung, die Betrachtungsweise im Sinne einer erweiterten Intelligenz schaffe hingegen Gestaltungsräume. Der Mensch müsse daher im Mittelpunkt der Wertschöpfung in der digitalen Zukunft stehen.
Höchst sprach sich für Domain-Kompetenzen und eine kommunikative Fachlichkeit aus, um sich erfolgreich vernetzen zu können. Eine zentrale Rolle komme den Lehren und Ausbildern zu, die nicht „zu Moderatoren verkommen“ dürften, sagte Höchst. Sie betonte die Wichtigkeit von Klein- und Kleinstbetrieben als „feste Ankergröße“, da sie junge Leute an ländliche Regionen binde. Diese Betriebe, die einen Großteil der jungen Menschen ausbildeten, bräuchten mehr Unterstützung, sagte sie. Insbesondere bei der Berufsberatung und -orientierung und der Steigerung der Attraktivität von Ausbildungsberufen bestehe noch Verbesserungsbedarf.
SPD setzt auf Erfolgsmodell der beruflichen Bildung
Dass die Berufliche Bildung nirgendwo in der Welt besser aufgestellt sei, als in Deutschland, betonte die SPD-Politikerin Yasmin Fahimi. Bei der beruflichen Bildung gehe es nicht nur um das Bereitstellen von Fachkräften und die Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt, sondern um Bildung und das Formen von Persönlichkeiten und Identität, sagte Fahimi. Das Erfolgsmodell der beruflichen Bildung beruhe für sie auf drei Grundsätzen: Erstens habe man einen Fachkräftemarkt geschaffen, zweitens die soziale Inklusion und drittens der Ausgleich von Interessen zwischen der öffentlichen Hand und den Sozialpartnern aufgenommen.
Eine Entwertung der Berufsbildung über Modularisierungen und Deregulierung müsse verhindert werden, sagte Fahimi im Richtung der FDP und AfD-Fraktion. Zentral sei, wie genügend Chancen für alle jungen Menschen geschaffen werden können, ihre Talente zu entdecken. Um moderne Berufsschulen mit neuen Lernkonzepten und gut ausgebildeten Lehrkräfte zu erreichen, brauche es „mehr Investitionen, mehr Durchlässigkeit und mehr Transparenz“, plädierte Fahimi.
FDP fordert Mut für mehr Innovation
Die Digitalisierung sei bereits heute gelebte Realität, sagte Jens Brandenburg (FDP). Nach Abschluss der Ausbildung arbeite heute jeder zweite Mensch in einem völlig anderen Beruf. „Damit jeder Einzelne die Chancen ergreifen kann, brauchen wir Mut für mehr Innovation und ein Update der beruflichen Bildung“, sagte Brandenburg. Lehrkräfte und Berufsschulen müssten gestärkt und über eine moderne Ausstattung und IT-Kräfte unterstützt werden.
„20.000 Lehrkräfte fehlen in den kommenden zehn Jahren vor allem in den Metall- und Elektroberufen“, verdeutlichte Brandenburg. Berufsschulen müssten daher viel stärker zu Innovationslaboren der Digitalisierung werden. Zusätzlich benötige das System mehr Flexibilisierung, etwa durch die Möglichkeit für eine längere Ausbildungszeit, die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen und eine erhöhte Mobilität.
Linke setzt auf digitale Mündigkeit
Die Frage, was junge Menschen brauchen, um in der digitalen Welt leben und arbeiten zu können und zu kritischen und mündigen Bürger zu werden, sei für sie zentral, sagte Birke Bull Bischoff (Die Linke). Dies umfasse auch soziale Kompetenzen: „Es heißt, in der Lage zu sein, Konflikte zu lösen, Empathie zu entwickeln und interkulturelle Kompetenzen herauszubilden“, sagte sie mit Blick auf den sich diversifizierenden Arbeitsmacht.
Zu einer digitalen Mündigkeit gehöre für sie nicht nur Software zu bedienen, sondern hinter die „digitalen Kulissen zu schauen“ zu hinterfragen, was die Technik mit dem Menschen mache. Wichtig sei auch, junge Menschen zu befähigen, die Arbeitswelt nachhaltig zu verändern, also etwa wie mit digitalen Produktionsmitteln der Energieverbrauch gedrosselt oder der Lebenszyklus von Produkte verändert werde könne, sagte Bull-Bischoff.
Grüne fordern Beteiligung der Öffentlichkeit
Darauf, dass die Herausforderungen zügig in politisches Handeln umgesetzt werden müssen, verwies Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen). Den Grünen sei besonders die Öffentlichkeit und Möglichkeiten für Beteiligung wichtig – auch in Bezug auf die Arbeit der Enquete-Kommission: „Wir möchten eine breite Beteiligung von Auszubildenden und Berufsschülern in der Enquete-Kommission, weil sie Experten dafür sind, was sie brauchen“, sagte Walter-Rosenheimer.
Ein weiteres wichtiges Thema sei die Inklusion, sodass alle Menschen, die mehr Unterstützung brauchen als andere, in den Mittelpunkt der Arbeit der Kommission rücken. Und auch die Geschlechtergerechtigkeit sei ein Schlüsselthema bei der Ausgestaltung der Digitalisierung. Auch die berufliche Weiterbildung habe „noch lange nicht den Stellenwert, den sie braucht“, sagte die Grünen-Politikerin. Nur jeder dritte Berufstätige bilde sich weiter, zu viele seien noch davon ausgeschlossen.
Abschlussbericht der Kommission bis Sommer 2021
Die Enquete-Kommission analysiert die Entwicklungsperspektiven der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der künftigen Arbeitswelt, die ökonomischen und sozialen Potentiale einer Modernisierung und will daraus konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten.
Sie setzt sich aus 19 Abgeordneten und 19 Sachverständigen aus Praxis, Verbänden und Wissenschaft zusammen. Ihren Abschlussbericht werden die Mitglieder der Kommission bis zum Sommer 2021 vorlegen. (lbr/07.11.2019)