Im Bemühen um bessere Löhne in der Pflege hat die Bundesregierung viel Unterstützung von Experten erhalten. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Leitung von Matthias W. Birkwald (Die Linke) am Montag, 21. Oktober 2019, begrüßten die Sachverständigen mehrheitlich den Gesetzentwurf der Regierung für bessere Löhne in der Pflege (19/13395).
Gesetzentwurf der Bundesregierung
In dem Gesetzentwurf schlägt die Bundesregierung zwei Möglichkeiten vor, um bessere Löhne in der Pflegebranche durchzusetzen: Zum einen über einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, die sogenannte Tarifvertragslösung. Zum anderen über die Festlegung eines Mindestlohns durch eine dafür eingesetzte Kommission, die sogenannte Kommissionslösung. Für beide Wege müssen entsprechende Vorgaben des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, die Paragrafen 7 und 12, geändert werden.
Ebenfalls Gegenstand der Anhörung war ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Pflegelöhne auf Tarifniveau sofort refinanzieren“ (19/14023). Darin fordern die Abgeordneten von der Bundesregierung ein Finanzierungskonzept, um die im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen zu vereinbarenden Tarifverträge für die Altenpflegebranche bundeseinheitlich refinanzieren zu können, ohne dass die Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörige zusätzlich finanziell belastet werden.
Kirchen unterstützen Regierungsvorhaben
Die Vertreter der kirchlichen Arbeitgeber im Pflegebereich unterstützten das Vorhaben der Bundesregierung, bessere Löhne in der Pflege über eine tarifliche Lösung durchzusetzen. Die Entlohnungsbedingungen in der Pflege bedürften unbedingt einer Verbesserung, um die demografischen Herausforderungen zu meistern, erklärte Uta Losem vom Kommissariat der deutschen Bischöfe. Da die Tarifbindung im nichtkirchlichen Bereich der Branche mit „zehn bis 20 Prozent“ auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau liege, sei neben der Pflegekommission auch eine „tarifvertragsbasierte Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen“ sinnvoll, so Losem.
Dies bekräftigte auch Dr. Jörg Kruttschnitt von der Diakonie Deutschland: Angesichts des steigenden Pflegebedarfs müsse der Pflegeberuf attraktiver werden. Insbesondere gehe es darum, den Abstand zwischen Löhnen in der Altenpflege und Löhnen in der Krankenpflege weiter zu minimieren. Die Pflegekommission habe schon in der Vergangenheit eine „wichtigen Beitrag“ geleistet, doch gehe er davon aus, dass sich „bessere und differenziertere Ergebnisse“ über eine Tariflösung erzielen ließen.
Sylvia Bühler von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi begrüßte ebenfalls das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung. Bislang sei es leider nicht gelungen, Tarifverträge für die kommerziellen Altenpflegeinrichtungen und ambulanten Dienste abzuschließen. Die Branche sei auch nicht durch „Haustarifverträge“ zu ordnen, so Bühler. „Man kann nicht im Konflikt über 10.000 Einrichtungen in die Tarifbindung zwingen.“ Auf Arbeitgeberseite fehle das Pendant, um als Gewerkschaft selbst Verträge auszuhandeln. Insofern helfe das Gesetz, für eine bessere Vergütung der Beschäftigten zu sorgen.
Arbeitgeberverband mit deutlicher Kritik
Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege, wiederum übte deutliche Kritik an den Plänen der Bundesregierung. Diese nannte er einen weiteren Eingriff in die unternehmerische Freiheit. „Mit dem Gesetz beseitigen Sie auch noch die letzte Möglichkeit, dass ich mitbestimmen kann, wie ich mein Personal bezahle“, monierte Greiner und warnte, das Gesetz werde zu ungewünschten Auswirkungen führen. So sei etwa mit einer deutlichen Steigerung der Zuzahlungen zu rechnen.
Dass die Bundesregierung vor dem Hintergrund steigenden Pflegebedarfs die unternehmerische Freiheit weiter einschränke, sei auch in anderer Hinsicht kurzsichtig, so der Sachverständige. „Welcher Unternehmer wird da noch in größeren Stil investieren, wenn er seinen Invest nicht refinanzieren kann?“ Mit den geplanten Regelungen breche die Bundesregierung mit dem, was der Gesetzgeber eigentlich mit Einführung der Pflegeversicherung bezweckt habe – Wettbewerb und privates Kapital.„
“Massive verfassungsrechtliche Bedenken„
Dr. Sven Halldorn vom bpa Arbeitgeberverband äußerte darüber hinaus “massive verfassungsrechtliche Bedenken„. So sei neben der unternehmerischen Freiheit auch Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes “massiv betroffen„. Die positive wie auch und die negative Koalitionsfreiheit würden berührt durch das “sehr weitreichende Sonderrecht der Kirchen„, kritisierte Halldorn. Letztendlich warnte der Sachverständige vor negativen Entwicklungen wie einer starken Konzentration in der bislang noch von vielen kleinen und mittelständischen Betrieben geprägten Branche.
Diese verfassungsrechtlichen Bedenken teilten wiederum die Einzelsachverständigen Professor Klaus Bepler und Prof. Dr. Jens Schubert nicht. Bepler betonte, die im Gesetzentwurf gefundene tarifliche Regelung sei “wünschenswert und verfassungsfest„. Dass sie sich auch auf Außenseiter erstreckt, habe das Bundesverfassungsgericht bereits in einem früheren Urteil für unbedenklich erklärt. Auch die positive sowie die negative Koalitionsfreiheit seien nicht beeinträchtigt, so der ehemalige Richter am Bundesarbeitsgericht. Auch das ergebe sich schon durch ein früheres Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter zum Tarifeinheitsgesetz.
Schubert unterstrich zudem als Entgegnung auf Halldorns Kritik, allein der Umstand, dass ein Recht berührt werde, bedeute noch nicht, dass es auch verletzt sei. Es gebe zahlreiche gute Gründe, weshalb der Gesetzgeber bei diesem Thema justierend eingreife.
Flächendeckender Tarifvertrag
Bei der Tarifvertragslösung schließen die Tarifpartner einen flächendeckenden Tarifvertrag ab, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes dann für allgemeinverbindlich erklärt. Da in der Branche viele kirchliche Träger aktiv sind, war es im Vorfeld umstritten, wie deren Selbstbestimmungsrecht gewahrt werden soll. Dies soll nun dadurch sichergestellt werden, dass vor Abschluss eines Tarifvertrages die kirchlichen Pflegelohn-Kommissionen angehört werden müssen. Mindestens zwei Kommissionen repräsentativer Religionsgemeinschaften müssen zustimmen, damit die Tarifpartner die Ausdehnung des Tarifvertrages auf die gesamte Branche beantragen können.
Bei der Kommissionslösung wird über höhere Lohnuntergrenzen die Bezahlung in der Pflege insgesamt angehoben. Eine künftig dauerhaft installierte und paritätisch besetzte Pflegekommission soll dafür Vorschläge erarbeiten. Diese Mindestlöhne kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dann allgemeinverbindlich für die ganze Branche, einheitlich in Ost- und Westdeutschland, festlegen.
Antrag der Linken
Die Linke fordert in ihrem Antrag mit dem Titel “Pflegelöhne auf Tarifniveau sofort refinanzieren„ (19/14023), dass die Bundesregierung ein Finanzierungskonzept vorlegt, um die im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen zu vereinbarenden Tarifverträge für die Altenpflegebranche bundeseinheitlich refinanzieren zu können, ohne dass die Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörige zusätzlich finanziell belastet werden.
Die Finanzierungsbedingungen müssten bis zum Inkrafttreten des Pflegelöhneverbesserungsgesetzes zweckgebunden abgesichert werden. (sas/che/21.10.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
- Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche e. V.
- bpa Arbeitgeberverband e.V.
- Arbeitgeberverband Pflege e.V.
- Kommissariat der deutschen Bischöfe
- Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.
- Deutscher Caritasverband e. V.
- N.N.
- N.N.
- Prof. Klaus Bepler, Berlin
- Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn
- Prof. Dr. Jens Schubert, Berlin