Der Entwurf der Bundesregierung zum Waffenrecht durch ein drittes Waffenrechtsänderungsgesetz (19/13839) stößt bei Sportschützenverbänden auf Kritik. Während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses unter Leitung von Andrea Lindholz (CDU/CSU) am Montagnachmittag, 11. November 2019, sagte Jörg Brokamp, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Schützenbundes (DSB), die geplante Verschärfung des Waffenrechts drücke ein gewaltiges Misstrauen und einen Generalverdacht gegenüber den Schützenverbänden und ihren Mitgliedern aus. Die überzogenen Restriktionen führten zu Unverständnis und somit zu Politikverdrossenheit, sagte er. Friedrich Gepperth, Präsident des Bundes Deutscher Sportschützen (BDS), befand, der Entwurf stelle einen „Frontalangriff auf das Sportschützenbedürfnis zum Waffenbesitz“ dar.
Kennzeichnungsanforderung für Schusswaffen
Mit dem Entwurf soll eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, die die Kennzeichnungsanforderung für Schusswaffen und deren wesentliche Teile erweitert und eine umfassende Rückverfolgbarkeit aller Schusswaffen und ihrer wesentlichen Teile sicherstellen soll. Dazu will die Regierung das Nationale Waffenregister „zum Zweck der Registrierung des vollständigen Lebensweges von Waffen und wesentlichen Waffenteilen“ ausbauen. Ferner ist vorgesehen, eine Anzeigepflicht für unbrauchbar gemachte Schusswaffen einzuführen.
Zudem sollen unter anderem „bestimmte große Wechselmagazine sowie Schusswaffen mit fest verbauten großen Ladevorrichtungen zu verbotenen Gegenständen“ werden. Dem „berechtigten Interessen“ der Eigentümer solcher Gegenstände solle jedoch durch weitgehende Besitzstandsregelungen Rechnung getragen, heißt es in der Vorlage weiter. Neben dem Regierungsentwurf standen auch Anträge der AfD-Fraktion (19/14504), der FDP-Fraktion (19/14035) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/14092) auf der Tagesordnung.
Änderungsvorschläge des Schützenbundes
DSB-Geschäftsführer Brokamp mahnte Änderungen bei der Prüfung des Bedürfnisses für den Waffenbesitz bei Sportschützen an. Statt einen Schießnachweis pro Waffe zu fordern, sollte lediglich die Waffengattung unterschieden werden (Kurz- oder Langwaffe). Auch sollte der Nachweis, einmal im Quartal oder sechsmal im Jahr geschossen zu haben, ausreichen. Im Entwurf seien jährlich 18 Schießtage pro Waffe gefordert. Die Überprüfung sollte laut Brokamp nach fünf und nach zehn Jahren nach erstmaligem Waffenbesitz erfolgen. Anschließend sollte die Mitgliedschaft in einem Schießsportverein ausreichend sein, um das Bedürfnis fortbestehen zu lassen.
BDS-Präsident Gepperth sagte, in keinem Land, außer in Deutschland, seien als Folge der Richtlinienumsetzung die Regelungen zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen für Sportschützen verschärft worden. Ebenso sei lediglich in Deutschland ein Verbot von „großen Magazinen“ verhängt worden. Damit sei IPSC-Schießen, eine der größten Schießportarten, in Deutschland nicht mehr möglich. Dabei sehe die EU-Richtlinie hierfür ganz klar eine Ausnahmemöglichkeit vor, sagte Gepperth.
„Verkaufsverbot großer Magazine überflüssig“
An einen großen Sicherheitsgewinn durch das Verkaufsverbot großer Magazine glaubten auch die Vertreter der Sicherheitsbehörden nicht. Die Regelung sei überflüssig, befand Sebastian Fiedler, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Niels Heinrich von der Polizei Hamburg sagte, er glaube nicht an einen großen Sicherheitsgewinn, da Magazine extrem schnell ausgetauscht werden könnten. Heinrich verwies auf noch vorhandene Sicherheitslücken, die dazu führen könnten, „dass auch weiterhin Kriminelle und Extremisten Zugang zu Waffen und Munition erlangen können“. So erfolge beispielsweise überhaupt keine Überprüfung von Angestellten und Mitarbeitern bei Waffenherstellern und Waffenhändlern. Aus dem vorgesehenen Überwachungsmodus würden zudem Personen fallen, die Inhaber eines Jagdscheins oder einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis sind.
Fiedler kritisierte das „intransparente Gesetzgebungsverfahren“. Die Waffenlobby habe auf den Entwurf mehr Einfluss nehmen können als die Sicherheitsbehörden, kritisierte er. Weiter sagte Fiedler, eine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzämtern hinsichtlich einer Waffenerlaubniserteilung sei absolut sinnvoll, zielführend und erforderlich. Eine automatisierte Abfrage über das Bundesverwaltungsamt könne den Verwaltungsaufwand so minimieren, dass das Zusatzaufkommen beherrschbar sei, sagte Fiedler.
„Rechte Szene stark an industriellen Waffen interessiert“
Andreas Speit, Journalist und Rechtterrorismusexperte, warnte davor, die Zusammenhänge zwischen militanten Rechtsterroristen und Schützenvereinen „einfach so wegzuwischen“. Es gebe in der rechten Szene ein starkes Interesse an industriellen Waffen. Der Einsatz selbstgebauter Waffen, wie beim Anschlag in Halle, sei eher die Ausnahme, so Speit. Um an Waffen heranzukommen, würden sehr wohl Kontakte zu Schießsportvereinen ebenso wie zu Polizei und Bundeswehr aufgebaut.
„Es geht nicht um einen Generalverdacht sondern um eine generelle Kontrolle“, sagte er. Dafür müsse auch die Zuverlässigkeit für Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis klarer definiert werden. Personen, über die Informationen zu ihrer Verfassungsfeindlichkeit vorliegen, müssten grundsätzlich als nicht zuverlässig gelten, forderte Speit.
Die Regelabfrage beim Verfassungsschutz sei eine Placebomaßnahme und führe zu zunehmender Politikverdrossenheit, sagte Katja Triebel, Vorsitzende der German Rifle Association. Kritik übte sie am Verbot des Neuerwerbs großer Magazine. Dafür gebe es keine Begründung. Die EU-Richtlinie gebe das auch nicht vor. Es sei ausreichend, wenn sichergestellt werde, dass nur nichtberechtigte Personen die Magazine nicht kaufen können, sagte Triebel.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit dem Entwurf will die Bundesregierung die EU-Feuerwaffenrichtlinie umsetzen, die die Kennzeichnungsanforderung für Schusswaffen und deren wesentliche Teile erweitert. Ferner fordert die Richtlinie von den Mitgliedstaaten, eine umfassende Rückverfolgbarkeit aller Schusswaffen und ihrer wesentlichen Teile sicherzustellen. „Zu diesem Zweck haben die Mitgliedstaaten Waffenhändler und -hersteller in einem ersten Schritt zu verpflichten, den Waffenbehörden unverzüglich sämtliche Transaktionen anzuzeigen, die Bestandteil des Lebensweges einer Schusswaffe und ihrer wesentlichen Teile sind“, heißt es in der Vorlage weiter. In einem zweiten Schritt würden die Mitgliedstaaten verpflichtet, diese Transaktionen in den Waffenregistern zu registrieren.
Mit dem Gesetzentwurf soll das Nationale Waffenregister „zum Zweck der Registrierung des vollständigen Lebensweges von Waffen und wesentlichen Waffenteilen“ ausgebaut werden. Ferner ist vorgesehen, eine Anzeigepflicht für unbrauchbar gemachte Schusswaffen einzuführen. Zudem sollen unter anderem „bestimmte große Wechselmagazine sowie Schusswaffen mit fest verbauten großen Ladevorrichtungen zu verbotenen Gegenständen“ werden. Allerdings werde „den berechtigten Interessen der Eigentümer solcher Gegenstände durch weitgehende Besitzstandsregelungen Rechnung getragen“, heißt es in der Vorlage weiter.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion wendet sich gegen eine „überzogene Umsetzung“ der EU-Feuerwaffenrichtlinie. Die gesetzlichen Regelungen des Waffenrechts in Deutschland hätten sich bewährt, „sodass eine Verschärfung bestehender Regeln über die Richtlinie hinaus keinen Sicherheitszuwachs bedeuten kann“, schreibt die Fraktion in einem Antrag mit dem Titel „Für ein Waffengesetz mit Augenmaß – Kein Generalverdacht gegen legale Waffenbesitzer“. Darin wird die Bundesregierung zu einer „sehr kritischen Überprüfung“ eines beim Bundestag eingebrachten Gesetzentwurfs „im Hinblick auf die bisher erfolgte Ausschöpfung von Spielräumen unter Berücksichtigung der Eingaben der Sportschützen-, Jäger- und Waffenverbände“ aufgefordert.
Ferner soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs vornehmen und dabei von einem Verbot bestimmter Magazine für Waffen so weit wie möglich absehen. Auch soll sie bei der Überarbeitung laut Vorlage unter anderem eine „generelle Einstufung von Dual-use-verwendbaren Magazinen als Kurzwaffenmagazine“ sowie eine „Überarbeitung der Waffen-Kostenverordnung im Sinne der Waffenbesitzer, Waffenhändler und -hersteller“ vornehmen.
Antrag der FDP
„Freiräume für Jäger und Sportschützen – Für eine schonende Umsetzung der EU-Feuerwaffenrichtlinie“ lautet der Titel des FDP-Antrags. Darin führt die Fraktion aus, dass die Bundesregierung über die Kernanliegen der Richtlinie hinausgehe und „Spielräume für eine schonende Umsetzung zugunsten des legalen Waffenbesitzes nicht vollumfänglich“ ausnutze.
Die Bundesregierung soll daher nach dem Willen der Fraktion einen neuen Entwurf vorlegen und darin eine Regelung einfügen, „die wieder wertungsmäßig klar zwischen Erwerb und Besitz von Schusswaffen unterscheidet“. Auch sollen dem Antrag zufolge mit dem neuen Entwurf „die vom Waffenbesitzer zu tragenden Verwaltungsgebühren für waffenrechtliche Überprüfungen auf einen jährlichen Betrag von nicht mehr als 100 Euro gedeckelt werden“.
Ferner fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, in einem neuen Gesetzentwurf den in der EU-Feuerwaffenrichtlinie „gewährten Umsetzungsspielraum umfassend Gebrauch zu machen, sodass bisher erlaubnisfrei besessene Magazine nicht zu meldepflichtigen Gegenständen werden und deren Erwerb durch Dritte umfassend ermöglicht wird“. Zudem solle die Bundesregierung laut Vorlage unter anderem im Rahmen eines neuen Umsetzungsgesetzes vorsehen, dass Waffenfachhändlern und -herstellern die Möglichkeit eingeräumt wird, Daten aus dem nationalen Waffenregister abzufragen, um sicherzustellen, dass Kunden die Berechtigung zum Erwerb einer Schusswaffe besitzen.
Antrag der Grünen
Für eine Verschärfung des Waffenrechts in Deutschland plädieren die Grünen. Nur ein „tatsächlich wirksames restriktives Waffenrecht“ leiste einen Beitrag für mehr innere Sicherheit und trage dazu bei, „schwere und schwerste Gewaltverbrechen zu verhindern“, schreibt die Fraktion. Danach soll die Bundesregierung bei der anstehenden Aktualisierung des Waffenrechts „auch aktuelle technische Entwicklungen im Hinblick auf die Eigenproduktion von Schusswaffen“ in den Blick nehmen. Auch soll sie nach dem Willen der Fraktion keine Besitzstands- oder Übergangsregelungen vorsehen, die „eine Ausnahme zu Paragraf 1 Waffengesetz bedeuten, demzufolge der Umgang mit Waffen oder Munition nur unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuzulassen ist“.
Ferner wird die Bundesregierung aufgefordert, die gesetzlichen Regelungen über die erforderliche Zuverlässigkeit der Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse „klarer zu fassen“ und die Gesetzesregelungen über die Kontrolle und Lagerung privater Waffen- und Munitionsbestände zu erweitern. Zudem soll die Bundesregierung laut Vorlage unter anderem eine gesetzliche Regelung vorschlagen, die den privaten Besitz von Waffen verbietet, „die leicht zu (voll)automatischen Waffen umgebaut werden können“. (hau/sto/11.11.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Sebastian Fiedler, Bundesvorsitzender - Bund Deutscher Kriminalbeamter
- Friedrich Gepperth, Präsident - Bund Deutscher Sportschützen 1975 e. V.
- Niels Heinrich, Behörde für Inneres und Sport, Hamburg
- Jürgen Kohlheim, Ehrenmitglied - Deutscher Schützenbund e. V.
- Andreas Speit, Rechtsextremismusexperte und Journalist
- Katja Triebel, Vorsitzende - German Rifle Association
- N.N.