Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung beschlossen
Der Bundestag hat am Donnerstag, 17. Oktober 2019, den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften“ (19/11006) in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (19/14120) angenommen. Damit werden gesetzliche Unklarheiten beseitigt, um den anstehenden Systemwechsel bei den Unterkunftskosten der besonderen Wohnform nach Paragraf 42a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) vorzubereiten. Dieser Systemwechsel sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2020 Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen personenzentriert ausgerichtet sind und es keine Unterscheidung mehr nach ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen gibt.
CDU/CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dem Gesetzentwurf zu. Es gab keine Gegenstimmen, dafür enthielten sich die AfD- und die FDP-Fraktion.
Änderungen am Regierungsentwurf
Der Bundestag nahm am Entwurf der Bundesregierung einige Änderungen vor. Mit dem durch das Bundesteilhabegesetz bewirkten Systemwechsel erhalten Menschen mit Behinderungen, die bis zum 31. Dezember 2019 in stationären Einrichtungen leben und deren Renten bis dahin auf den Träger der Kriegsopferfürsorge übergeleitet wurden, ihre erste Rentenzahlung auf das eigene Konto am letzten Bankarbeitstag im Januar 2020. Mit der Einfügung des des Paragrafen 88 wird die Nichtanrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt in der Kriegsopferfürsorge für den Monat Januar 2020 geregelt.
Einbezogen sind darüber hinaus alle anderen laufend gezahlten Einkünfte, so beispielsweise auch Renten der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Vorschrift soll bei der Trennung der Fachleistungen von den Lebensunterhaltsleistungen sicherstellen, dass der Bedarf in diesem Übergangsmonat rechtzeitig und umfassend gedeckt wird. Ferner wurde die Regelung zur Einkommensermittlung gestrichen, um Verschlechterungen bei der Kostenheranziehung junger Menschen im Vergleich zum geltenden Recht zu vermeiden.
Änderungsantrag der Linken und Grünen abgelehnt
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen hatten in zweiter Lesung einen Änderungsantrag (19/14143) eingebracht, der mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung der AfD abgelehnt wurde. Der Änderungsantrag zielte darauf ab, den Paragrafen 94 Absatz 6 des Achten Buches Sozialgesetzbuch aufzuheben.
Darin heißt es: „Bei vollstationären Leistungen haben junge Menschen und Leistungsberechtigte nach Paragraf 19 nach Abzug der in Paragraf 93 Absatz 2 genannten Beträge 75 Prozent ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen. Es kann ein geringerer Kostenbeitrag erhoben oder gänzlich von der Erhebung des Kostenbeitrags abgesehen werden, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Leistung dient. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um eine Tätigkeit im sozialen oder kulturellen Bereich handelt, bei der nicht die Erwerbstätigkeit, sondern das soziale oder kulturelle Engagement im Vordergrund stehen.“ Durch die Streichung sollte die Heranziehung junger Menschen in der Heimerziehung zu den Kosten für stationäre und teilstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen gestrichen werden.
Oppositionsanträge abgelehnt
Keine Mehrheit fanden darüber hinaus ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Beschäftigungssituation für Menschen mit Behinderung verbessern“ (19/9928), ein Antrag der Linken mit dem Titel „Ausgleichsabgabe deutlich erhöhen und Beschäftigungsquote anheben“ (19/11099) und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Bundesteilhabegesetz nachbessern und volle Teilhabe ermöglichen“ (19/5907). Zu allen Vorlagen liegt eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (19/14120) vor.
Den FDP-Antrag lehnten CDU/CSU, SPD und AfD ab, während sich Die Linke und die Grünen enthielten. Den Antrag der Linken lehnten CDU/CDU, SPD, AfD und FDP ab, während Die Linke und die Grünen dafür stimmten. Den Antrag der Grünen lehnten CDU/CSU, SPD und AfD ab, während Die Linke und die Grünen dafür stimmten. Die FDP enthielt sich.
Einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Heranziehung von Pflegekindern als Leistungsberechtigte durch einen Kostenbeitrag abschaffen“ (19/10241) überwies der Bundestag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Antrag der FDP abgelehnt
Die FDP-Fraktion wollte nach eigener Aussage die Beschäftigungssituation für Menschen mit Behinderungen verbessern. Die Liberalen kritisierten in ihrem abgelehnten Antrag (19/9928), dass der allgemeine Arbeitsmarkt für viele dieser Menschen ein nur schwer erreichbares Ziel sei. Vor allem verlaufe der Übergang aus Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt nur schleppend.
Die Abgeordneten forderten deshalb zwei Änderungen im SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch). Zum einen sollte die Kopplung des Lohnkostenzuschusses im Budget für Arbeit an das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung (West: monatlich 3.115 Euro; Ost: 2.870 Euro) gestrichen werden. Außerdem sollten die „anderen Anbieter“, in denen Menschen für Behinderungen auch arbeiten können, den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Bezug auf die Anrechnung von externen Aufträgen auf die Ausgleichsabgabenschuld der Auftraggeber gleichgestellt werden.
In dem überwiesenen FDP-Antrag (19/10241) setzt sich die Fraktion dafür ein, die im Paragrafen 94 Absatz 6 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) geregelte Heranziehung junger Menschen, die sich in vollstationärer Betreuung durch eine Pflegefamilie oder eine Pflegeeinrichtung befinden, zu einem Kostenbeitrag von bis zu 75 Prozent ihres Einkommens ersatzlos zu streichen.
Antrag der Linken abgelehnt
Die Fraktion Die Linke forderte in ihrem Antrag (19/11099), die Ausgleichsabgabe deutlich zu erhöhen und die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen anzuheben. Derzeit zahlten Betriebe, wenn nicht mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderungen besetzt sind, eine Ausgleichsabgabe. Diese sei zu niedrig angesetzt. Auch habe die Absenkung der Beschäftigungsquote auf fünf Prozent nicht dazu geführt, dass Arbeitgeber freiwillig deutlich mehr Menschen mit Behinderungen einstellen, kritisierte Die Linke.
Sie verlangte deshalb, eine Beschäftigungsquote von sechs Prozent. Die Ausgleichsabgabe sollte für Arbeitgeber, die keine Menschen mit Behinderungen einstellen, bei 1.000 Euro pro Monat liegen, für Arbeitgeber mit einer Beschäftigungsquote zwischen mehr als null und weniger als zwei Prozent sollte die Abgabe bei 750 Euro liegen. Bei einer Beschäftigungsquote zwischen zwei und weniger als vier Prozent solle sie 500 Euro und bei einer Quote von mehr als vier bis unter sechs Prozent sollte sie 250 Euro betragen.
Antrag der Grünen abgelehnt
Für eine Reform des Bundesteilhabegesetzes sprachen sich die Grünen in ihrem abgelehnten Antrag (19/5907) aus. Sie forderten unter anderem, dass die Leistungsberechtigten ein echtes Wunsch- und Wahlrecht erhalten, wenn es um die Art der Leistung und den Ort der Leistungserbringung geht. Die Leistungsansprüche sollten sich außerdem am tatsächlichen Bedarf des Menschen mit Behinderung orientieren, damit Teilhabe in allen Lebensbereichen möglich sei.
Leistungserbringer sollten Menschen auch außerhalb ihrer Einrichtungen unterstützen können, verlangten die Grünen. Darüber hinaus müssten Leistungen zur Teilhabe unabhängig vom Vermögen und Einkommen der Berechtigten gewährt werden. Menschen, die gleichzeitig Leistungen aus dem Bereich der Eingliederungshilfe und den Pflegekassen beziehen, dürften durch das Bundesteilhabegesetz nicht schlechtergestellt werden, verlangten die Grünen. (che/hau/vom/17.10.2019)