Überwiegend Zustimmung zu den geplanten Maßnahmen zum Abbau der Bürokratie bei einhelliger Forderung nach weit mehr Erleichterungen hat eine Expertenanhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein drittes Bürokratieentlastungsgesetz (19/13959) am Montag, 21. Oktober 2019, im Ausschuss für Wirtschaft und Energie bestimmt. In der öffentlichen Anhörung unter Leitung von Matthias Heider (CDU/CSU) ging es auch um die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (19/14076).
Die Sitzung wird am Dienstag, 22. Oktober 2019, ab 16 Uhr zeitversetzt im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Ja zum Verzicht auf Papier-Meldeverfahren in Hotels
Markus Luthe vom Hotelverband Deutschland begrüßte es, dass künftig auf das zwingend vorgeschriebene papierhafte Meldeverfahren in deutschen Beherbergungsstätten verzichtet werden soll. Der Gesetzentwurf komme einer langjährigen Forderung nach einer Digitalisierung der Hotelmeldepflicht nach. Besonders wichtig sei seinem Verband und dem Dehoga-Bundesverband, dass das papierhafte Meldewesen beibehalten werden könne und so keine Verpflichtung zur Investition in digitale Infrastrukturen und Softwarelösungen bestehe.
Dr. Georg Haber (Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz) machte Verbesserungsbedarf aus. Gerade für kleine Unternehmen müssten Gesetze möglichst verständlich und praxistauglich formuliert und ausgestaltet werden können. Da in gefahrgeneigten Handwerksberufen der Meistervorbehalt gelte und die Betriebsinhaber über sehr umfassende Qualifikationen und einen breiten Wissensstand verfügten, seien viele Regelungen wie etwa Dokumentationspflichten überflüssig. Als Beispiel nannte er den Lebensmittelbereich.
„Knoten endlich durchgeschlagen“
Florian Spengler vom Nationaler Normenkontrollrat sah nach sehr langer Anlaufzeit für das Gesetz den Knoten endlich durchgeschlagen. Bei den Aufbewahrungsfristen sah er noch ein erhebliches Potenzial für weiteren Bürokratieabbau. Der Nationale Normenkontrollrat hat den gesetzlichen Auftrag, die Bundesregierung beim Bürokratieabbau und bei der Gesetzgebung zu unterstützen.
Norbert Kunz vom Deutschen Tourismusverband begrüßte die vorgesehene Option zur Einführung eines digitalen Meldescheins. Das spare nicht nur unzählige Tonnen von Papier, sondern senke auch Kosten und Bürokratie bei der Aufbewahrung und Entsorgung der Meldescheine. Die elektronische Funktionsnutzung des Personalausweises durch die Kunden werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen, da es bisher kaum Anwendungsfälle im Alltag gebe.
„Wirkung keinesfalls vermindern“
Dr. Ulrike Beland vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag meinte, das Gesetz solle zumindest in seiner vorliegenden Form verabschiedet und in seiner Wirkung keinesfalls vermindert werden. Für sie wäre es zielführend, zusätzliche Maßnahmen aufzunehmen, etwa die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen generell auch bei papiernen Buchungsbelegen auf fünf Jahre, die Anhebung der Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1.000 Euro, eine deutlichere Anhebung der Kleinunternehmergrenze und Entlastungen bei den Regelungen zum Datenschutz.
Ralf Nitschke vom Detmolder Industrieklebstoff-Anbieter Jowat SE äußerte sich „als ehrenamtlich zu politischen Fragen engagierter Familienunternehmer“. Er machte in dem Gesetzentwurf viele sinnvolle Punkte wie die Abschaffung des gelben Krankenscheins aus. Doch wenn nicht mehr Modernisierung hinzubekommen sei wie in diesem Gesetzentwurf vorgesehen, sehe er schwere Zeiten für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft voraus. Er blickte auf Werke seines Unternehmens im Ausland und befand, dass „wir hier in Deutschland zu gründlich sind“.
„Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung überstürzt eingeführt“
Dr. Martha Böning vom Deutschen Gewerkschaftsbund nannte die vorgesehene Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („gelber Schein“) zum 1. Januar 2021 „überstürzt“. Die Bundesregierung wolle massive technische, rechtliche und faktische Probleme in Kauf nehmen. Sollte die digitale Übermittlung nicht klappen, drohe den betroffenen Beschäftigten womöglich eine Kündigung. Sie kritisierte, dass das gesamte Gesetzgebungsverfahren unter einem so großen und nicht nachvollziehbaren Zeitdruck stehe, sodass eine Debatte über die Sinnhaftigkeit der geplanten Änderungen kaum möglich sei.
Torsten Haasch vom Industrie- und Handelskammer Neubrandenburg meinte, der vorgelegte Gesetzentwurf könne nur ein erster Schritt sein. Wünschenswert sei deutlich mehr Entlastung gerade im Bereich des Steuerrechts in Bezug auf die Aufbewahrungsfristen und zeitnahe Betriebsprüfungen.
Auch die Anforderungen aus der EU-Datenschutz-Grundverordnung mit rechtlichen Unsicherheiten belasteten nach wie vor Klein- und Kleinstunternehmen erheblich. Die Drohung mit hohen Bußgeldern trage sehr zur Verunsicherung der Betriebe bei. Bürokratieabbau sei hilfreich für Existenzsicherung und Leistungserhöhung.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit der Neuregelung will die Bundesregierung nach eigener Aussage die Wirtschaft, aber auch Bürgerinnen, Bürger und Verwaltung deutlich von Bürokratie entlasten. Dazu ist unter anderem die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geplant. Ein elektronisches Meldeverfahren soll die Einreichung des Krankenscheins ersetzen, heißt es. Künftig sollen die Krankenkassen den Arbeitgeber auf Abruf elektronisch über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit seines gesetzlich versicherten Arbeitnehmers informieren.
Vorgesehen sind auch Erleichterungen bei der Archivierung elektronisch gespeicherter Steuerunterlagen. Für Unternehmen soll die Pflicht entfallen, bei einem Wechsel der Steuersoftware zehn Jahre lang die alten Datenverarbeitungsprogramme in Betrieb zu halten. Diese sollen künftig fünf Jahre nach dem Wechsel abgeschafft werden dürfen, wenn ein Datenträger mit den gespeicherten Steuerunterlagen vorhanden ist.
Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates
Die Bundesregierung beharrt im Zuge ihres Bürokratieentlastungsgesetzes auf Vereinfachungen und verkürzte Daten-Vorhaltepflichten für Unternehmen. In der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats verweist die Bundesregierung dabei auf eine signifikante Entlastung für Betriebe, die damit einhergehe. Konkret geht es um die Vorhaltefrist für bestimmte Daten.
Unternehmen sollen nach einem Wechsel des Datenverarbeitungssystems oder einer Auslagerung aus dem Produktivsystem die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen und Aufzeichnungen nach fünf Jahren nicht mehr im Altsystem vorhalten müssen, sondern nur noch auf einem maschinell lesbaren und auswertbaren Datenträger. Der Bundesrat hatte eine Frist von sechs Jahren vorgeschlagen.
Außerdem lehnt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates ab, der auf strengere Umsatzsteuer-Voranmeldepflichten für Gründer abzielt. Die neuen Regelungen könnten die Gründungskultur in Deutschland stärken, heißt es zur Begründung. Unternehmen könnten so in den schwierigen ersten Jahren der Gründung von steuerlicher Bürokratie entlastet werden. (fla/pez/21.10.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Markus Luthe, Hotelverband Deutschland e. V. (IHA)
- Dr. Georg Haber, Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz (HKW Niederbayern-Oberpfalz)
- Bernd Schmidt, Statistisches Bundesamt (Destatis)
- Norbert Kunz, Deutscher Tourismusverband e. V. (DTV)
- Dr. Ulrike Beland, Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK)
- Florian Spengler, Nationaler Normenkontrollrat
- Ralf Nitschke, Jowat SE (Jowat)
- Dr. Martha Böning/Raoul Didier, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
- Torsten Haasch, Industrie- und Handelskammer Neubrandenburg für das östliche Mecklenburg-Vorpommern (IHK Neubrandenburg)