Der Bundestag hat am Freitag, 18. Oktober 2019, das Wohngeld erhöht, indem er den Entwurf der Bundesregierung für ein Wohngeldstärkungsgesetz (19/10816, 19/11696, 19/13175 Nr. 10) mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD bei Enthaltung der Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen in der vom Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen geänderten Fassung (19/14135) annahm. Zur Abstimmung lag auch ein Bericht des Haushaltsausschuss zur Finanzierbarkeit nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages (19/14137) vor.
Mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/14146) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Die Grünen wollten unter anderem „eine Klimakomponente für energetische modernisierte Wohnungen“ in Höhe von 100 Millionen Euro jährlich einführen. Die Grünen wurden dabei nur von der Linken unterstützt.
Anträge der FDP-Fraktion (19/11107) und ein Antrag Linksfraktion (19/10752) wurden mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen abgelehnt. Ein weiterer Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Smart Germany – Liberales Bürgergeld einführen – Digitales Antragsportal einrichten“ (19/14060) fand bei Enthaltung der AfD keine Unterstützung bei den übrigen Fraktionen. Den Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung für 2018 (19/11750) überwies der Bundestag zur weiteren Beratung federführend an den Bauausschuss.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Das Gesetz zielt auf eine Erhöhung des Wohngeldes ab. Vorgesehen ist eine Anpassung der Parameter der Wohngeldformel, um die Zahl der Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger zu erhöhen und die Reichweite des Wohngelds zu vergrößern. Eine Anpassung an die allgemeine Entwicklung von Mieten und der nominalen Einkommen in Höhe der Inflation sei dabei berücksichtigt. Vorgesehen ist die Einführung einer Mietenstufe VII in bestimmten Gemeinden und Kreisen, um Haushalte mit besonders hohen Mietniveaus gezielter bei den Wohnkosten zu entlasten.
Außerdem werden die Höchstbeträge, bis zu denen die Miete berücksichtigt wird, regional gestaffelt angehoben. Zudem soll das Wohngeld künftig dynamisiert – also alle zwei Jahre per Verordnung an die eingetretene Miet- und Einkommensentwicklung angepasst werden. „Eine regelmäßige Fortschreibung des Wohngelds stellt sicher, dass seine Leistungsfähigkeit als sozialpolitisches Instrument der Wohnungspolitik erhalten bleibt“, begründet die Regierung die Dynamisierung.
Deutliche Mietensteigerung in wirtschaftsstarken Regionen
Aus dem Wohngeldbericht der Regierung geht unter anderem hervor, dass in wirtschaftsstarken Regionen die Erst- und Wiedervermietungen zwischen 2016 und 2018 deutlich gestiegen sind. In den Metropolkernen habe sich die Miete um ungefähr sechs Prozent erhöht, heißt es.
2017 habe die durchschnittliche Nettokaltmiete dort bei 10,88 Euro pro Quadratmeter gelegen, in den weiteren kreisfreien Städten und den städtischen Kreisen gut drei Euro pro Quadratmeter darunter. In den ländlichen Kreisen habe der Quadratmeter gut 6,50 Euro gekostet.
Regierung: Dynamisierung ist ein Fortschritt
Für die Bundesregierung erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbauministerium, Marco Wanderwitz (CDU), mit der Novelle würden 660.000 Haushalte und damit 180.000 Haushalte mehr als bisher die Leistung beanspruchen können. Die verabredete Dynamisierung sei ein Fortschritt, da es so einen Mechanismus bislang nicht gegeben habe. Eine Evaluierung werde feststellen, ob der gewählte Zweijahresrhythmus – der auch mit dem bürokratischen Aufwand zu tun habe – ein richtig gewählter Zeitraum sei.
Er verteidigte auch das Aussparen einer Klimakomponente. Dafür habe man nun ein Jahr Zeit, um im Zuge des Klimapakets eine Lösung zu finden. Klar sei, dass man einen Aufschlag auf das Wohngeld für Haushalte brauche, die sich die Miete nach einer energetischen Sanierung nicht leisten können.
CDU/CSU: Einige hunderttausend Menschen werden profitieren
Karsten Möring (CDU/CSU) erklärte, der Beschluss des Gesetzes sei ein sehr guter Tag für einige Hunderttausend Menschen, die von der Reform profitieren werden. Es gehe um eine deutliche Leistungsausweitung – sowohl, was die Höhe der Beträge als auch die Zahl der Berechtigten umfasst.
Er erwähnte unter anderem die Einführung einer Mietstufe 7 für besonders angespannte Wohnungsmärkte. Möhring bekräftigte, man arbeite an einer Klimakomponente zum Wohngeld. Man versuche, in näherer Zukunft zu einem belastbaren Verfahren zu kommen.
SPD befürwortet Informationskampagne
Für die SPD verwies die Abgeordnete Ulli Nissen auf die gefundene Lösung für Menschen ohne Festlandanschluss, also auf Inseln. Menschen mit niedrigem Einkommen würden dort unterstützt, da sie nicht die Möglichkeit hätten, einfach auf einen anderen Wohnungsmarkt auszuweichen.
Nissen erwähnte auch die Notwendigkeit einer Informationskampagne für die Unterstützungsmaßnahme. Viele wüssten gar nicht, dass es Wohngeld gibt und dass beispielsweise auch Eigentümer sie beantragen könnten, und zwar in Form eines Lastenzuschuss.
AfD kritisiert Wohngipfel der Regierung
Die Opposition nutzte die Debatte zu einer grundsätzlichen Abrechnung mit der Wohnungs- und Baupolitik der Bundesregierung, bekräftigte jedoch zugleich die Bedeutung einer Wohngeldreform. Der AfD-Abgeordnete Udo Theodor Hemmelgarn kanzelte die Wohnungspolitik der Regierung ab und sagte, der Wohngipfel im vergangenen Jahr habe nichts gebracht.
Dass das Wohngeld nun erstmals seit vier Jahren erhöht werden soll, sei ein Skandal. Überhaupt gehe die Reform nicht weit genug. Das Wohngeld müsse kräftiger ausfallen, in kürzeren Abständen erhöht und die Mietstufen müssten differenziert werden, so Hemmelgarn.
FDP: Wohngeldreform war überfällig
Für die FDP sagte Daniel Föst, diese Wohngeldreform sei überfällig gewesen. Beim Wohngeld anzusetzen, sei richtig, denn dieses unterstütze zielgenau und schütze vor Verdrängung. Auch Föst sagte jedoch, die Reform geht in die richtige Richtung, aber nicht weit genug.
Er prophezeite weiter große Reibungsverluste an den Schnittstellen von Sozialleistungen mit einem hohen bürokratischen Aufwand für Betroffene und die Verwaltung. Seine Fraktion schlage ein liberales Bürgergeld, das Sozialleistungen bündelt. Außerdem solle die Beantragung mit einem digitalen Verfahren einfacher gemacht werden.
Linke kritisiert Reform als halbherzig
Caren Lay (Die Linke) erklärte ebenfalls, die Reform sei zu halbherzig. Sie rechnete vor, dass in 164 Kommunen die Erhöhung des Wohngelds ausbleibe, weil diese Städte in Bezug auf die Mietstufen herabgestuft werden. Das sei absurd, sagte Lay. Insgesamt gehe der Kreis der Wohngeldempfänger immer weiter zurück.
Lay forderte, dass das Wohngeld sich an den realen Kosten orientieren und folglich auch Heizkosten berücksichtigen müsse. Insgesamt sei das Wohngeld für ihre Fraktion nicht das Allheilmittel, denn es subventioniere letztlich nur die Rendite privater Großvermieter. Nachhaltiger wären mehr Investitionen in bezahlbare und öffentlich geförderte Wohnungen.
Grüne: Krise in Sicherungssystemen nicht gelöst
Christian Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) schließlich erklärte, das Wohngeld werde mit der Novelle nicht strukturell gestärkt und löse nicht die Krise bei sozialen Sicherungssystemen. Außerdem reagiere das Gesetz nicht auf Herausforderungen des Klimawandels. Es fehle der Wille, Klimakrise und soziale Gerechtigkeit zusammenzubringen.
Eine Dynamisierung alle zwei Jahre sei nicht ausreichend. Angesichts der Wohnungskrise habe die Bundesregierung zu wenig geliefert. Die Berechnungsgrundlage sei außerdem unzureichend, die massive Wohnkostensteigerung werde nicht abgebildet, bilanzierte Kühn.
Erster abgelehnter Antrag der FDP
Der erste abgelehnte Antrag der FDP-Fraktion (19/11107) hatte eine transparente und leistungsorientierte Grundsicherung in Form eines „liberalen Bürgergeldes“ zum Ziel. In dieser Maßnahme sollten ein gestärktes Wohngeld und andere steuerfinanzierte Leistungen zusammenfließen, schreiben die Abgeordneten. Das liberale Bürgergeld mache den Sozialstaat transparenter, einfacher und zielgenauer, heißt es weiter.
Zur Begründung verwiesen die Liberalen auf Schwierigkeiten bei der bisherigen Wohngeldregelung wie das häufige Heraus- und wieder Hineinfallen auf oder in das Instrument. Andere Sozialleistungen seien schlecht aufeinander abgestimmt und sorgten in manchem Zusammenwirken dafür, dass sich für bestimmte Zielgruppen eine Ausweitung der Arbeitszeit oder eine Lohnerhöhung kaum auszahle.
Zweiter abgelehnter Antrag der FDP
Der zweite abgelehnte FDP-Antrag (19/14060) zielte darauf ab, das Wohngeld mit weiteren steuerfinanzierten Sozialleistungen zu einer einheitlichen Sozialleistung – dem liberalen Bürgergeld – zusammenzuführen. Eine Einkommensüberprüfung sollte dabei mit geringerem bürokratischem Aufwand vorgenommen werden.
Durch die Zustimmung der Betroffenen wollte es die FDP ermöglichen, dass von Seiten des Arbeitgebers Informationen freiwillig übertragen werden. Auch sollte ein digitales Antragsportal eingerichtet werden, über das das liberale Bürgergeld einfach, unbürokratisch, unkompliziert und papierlos beantragt werden kann.
Abgelehnter Antrag der Linken
Eine Ausweitung des Wohngelds forderte die Fraktion Die Linke in ihrem abgelehnten Antrag. Die seit Jahren vielerorts stark ansteigenden Mietpreise hätten sich von den Einkommen entkoppelt, erklären die Abgeordneten. Zugleich fehlten Millionen Sozialwohnungen. Die von der Bundesregierung geplante Wohngelderhöhung sei nicht ausreichend.
Nach den Vorstellungen der Abgeordneten sollten Anspruchsberechtigte künftig nicht mehr als 30 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Bruttowarmmiete oder für die Belastung durch Wohneigentum in einer angemessen großen und ausgestatteten Wohnung ausgeben müssen. Der Anspruch aus Wohngeld sollte ausgeweitet werden mit Einkommensgrenzen, die sich an den Bemessungsgrenzen für Wohnberechtigungsscheine orientieren. Die Abgeordneten plädierten zudem für eine Klimakomponente, die den Anspruch in energetisch sanierten Wohnungen anpasst. (pez/hau/vom/18.10.2019)