Vertreter der deutschen Wirtschaft haben die von der Bundesregierung geplante Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung begrüßt. Die Maßnahme werde zusätzliche Forschungsausgaben in Deutschland mobilisieren, erklärte das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in einer von der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) geleiteten öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag, 8. September 2019, zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (19/10940). Dazu liegt auch die Stellungnahme des Bundesrates mit der Gegenäußerung der Bundesregierung vor 19/11728).
Das ZEW verwies unter anderem auf Erfahrungen in anderen Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in denen es eine steuerliche Förderung gebe. Gerade im Mittelstand gebe es eine „Forschungslücke“, die mit dem Gesetz angegangen werden könne.
Kosten von 1,5 Milliarden Euro erwartet
Bei den Vorhaben, für die eine Förderung beantragt werden kann, muss es sich um Grundlagenforschung, angewandte Forschung oder experimentelle Entwicklung handeln. Als förderfähige Aufwendungen sollen die von dem Unternehmen gezahlten Löhne für Arbeitnehmer gelten, die mit dem Faktor 1,2 multipliziert werden sollen.
Die Bemessungsgrundlage ist auf zwei Millionen Euro pro Berechtigten begrenzt. Die Höhe der Forschungszulage soll 25 Prozent der Bemessungsgrundlage betragen. Laut Finanztableau wird von Kosten für die Forschungszulage in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ab 2021 ausgegangen.
Arbeitsplätze, Wertschöpfung, steigende Steuereinnahmen
Die Spitzenverbände der Wirtschaft erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung verspreche langfristig Arbeitsplätze, Wertschöpfung und steigende Steuereinnahmen. Zudem sprachen sich die Spitzenverbände dafür aus, die Forschungszulage mittelfristig ebenso wie die direkten Förderprogramme weiter auszubauen und die Ausgaben insgesamt auf ein international konkurrenzfähiges Niveau zu heben.
Im Detail verlangten die Verbände, die Kosten der Auftragsforschung beim Auftraggeber zu fördern und das vorgeschlagene zweistufige Antragsverfahren zu vereinfachen. Denn die meisten Unternehmen unterhielten keine eigene Forschungsabteilung, sodass der größte Teil ihrer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten darin bestehe, Aufträge an Dritte zu vergeben. „Der Impuls zur Auftragsforschung kommt vom Auftraggeber – eine Förderung bei ihm würde einen direkten positiven Anreiz erzeugen“, so die Spitzenverbände der Wirtschaft. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks begrüßte die Förderung, warnte aber davor, ein „Bürokratiemonster“ zu schaffen.
„Auftragsforschung in die Förderung einbeziehen“
Auch der Verband der Chemischen Industrie sprach sich für eine Einbeziehung der Auftragsforschung in die Förderung aus. Die gesamten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in der deutschen Wirtschaft hätten sich 2017 auf knapp 69 Milliarden Euro belaufen, von denen mehr als ein Viertel der Ausgaben externe Aufwendungen (Auftragsforschung) und somit ein wichtiger Teil der Forschungsaktivitäten der deutschen Unternehmen gewesen seien.
Nachdem bisher vorliegende Entwurf bekomme aber ein Unternehmen, das bei einem qualifizierenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben keine eigene Forschungs- und Entwicklungstätigkeit betreibe, sondern einen Auftrag an Dritte vergebe und dafür die Kosten trage, keine steuerliche Förderung im Sinne des Gesetzentwurfs.
Beschränkung auf Personalkosten kritisiert
In der Stellungnahme der Dresdner Gardinen- und Spitzenmanufaktur M. & S. Schröder wurde die Beschränkung der Bemessungsgrundlage lediglich auf Personalkosten kritisiert. Damit würden Unternehmen und Branchen mit kapital- und materialintensiven Forschungsprojekten unangemessen benachteiligt. Gefordert wurde von der Gardinen- und Spitzenmanufaktur zudem die Einbeziehung von Auftragsforschung beim Auftraggeber in die Förderung. Dies forderte auch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen (AiF).
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dessen Unternehmen mit 1,3 Millionen Erwerbstätigen größter industrieller Arbeitgeber in Deutschland sind und eine Exportquote von 79 Prozent haben, begrüßte, dass die steuerliche Forschungsförderung endlich in greifbare Nähe rücke. Kritisiert wurde allerdings eine Größenbeschränkung der Förderung. Zwar könnten Unternehmen aller Größenordnungen die Zulage beantragen, jedoch sei durch eine sehr enge Begrenzung der Bemessungsgrundlage auf zwei Millionen Euro der Personalkosten eine Fördersumme nur in Höhe von maximal 500.000 Euro erreichbar. „Damit mutiert das Instrument in unserer Branche letztendlich doch zu einer Regelung vornehmlich für kleine und mittlere Unternehmen“, so der VDMA in seiner Stellungnahme.
„Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen richten“
Nach Angaben der Firma AtomLeap weist die Wirtschaft der Bundesrepublik zwei besondere Merkmale auf. Zum einen sei die Anzahl der Unternehmensneugründungen – insbesondere die der innovativen Firmen – im Vergleich mit Ländern wie den USA, China, Kanada, Israel, Singapur oder Finnland zu niedrig. Zum anderen Fuße ein großer Teil der wertschöpfenden Innovationstätigkeit auf der Arbeit kleiner und mittelgroßer Unternehmen. Diese sollten daher im Fokus der Förderung stehen. Zusätzlich zur steuerliche Förderung sollten die Bundesministerien verstärkt auf Auftragsvergabe an innovative Jungunternehmen und etablierte kleine und mittlere Unternehmen setzen, so die Firma AtomLeap.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) äußerte „generelle Skepsis“ an dem Entwurf. Dass die Forschungsausgaben steigen könnten, erwartet das DIW nicht. Vielmehr sei mit Mitnahmeeffekten zu rechnen.
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf begrüßt, aber Änderungen in mehreren Punkten angemahnt. So heißt es in der Stellungnahme, durch die Einführung einer steuerlichen Förderung könnten zusätzliche private Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung ausgelöst werden. Langfristig könnten innovative Unternehmen in Deutschland gestärkt sowie Wachstum und Beschäftigung gesichert werden.
Der Bundesrat fordert, auf das seiner Ansicht nach aufwendige und komplizierte zweistufige Prüfverfahren zu verzichten. Das Verfahren sehe vor, dass eine noch durch Rechtsverordnung zu benennende Stelle die Förderwürdigkeit der Forschungsvorhaben dem Grunde nach bescheinigen müsse, während die zuständige Finanzbehörde die Aufwendungen der Höhe nach zu prüfen habe. „Anstatt hier neue Verwaltungsstrukturen zu schaffen, sollte auf die Kenntnisse der Behörden zurückgegriffen werden, die bereits heute für die direkte Forschungsförderung zuständig sind. Diese besitzen das notwendige Know-how, um die Voraussetzungen für die Gewährung der steuerlichen Forschungszulage sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu prüfen“, erklärt die Länderkammer.
Die Bundesregierung hält in ihrer Gegenäußerung das vorgesehene Antragsverfahren für zielführend, „weil die Prüfung derjenigen Stelle obliegt, die über die notwendigen Kenntnisse verfügt“. Die von den Ländern vorgeschlagene Förderung von Drittaufwand wird abgelehnt. (hle/09.09.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e. V.
- AtomLeap GmbH
- Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
- Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW Berlin)
- Dresdner Gardinen- und Spitzenmanufaktur M. & S. Schröder GmbH & Co. KG
- Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI)
- Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA)
- Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH)
- ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim