Parlament

Josephine Ortleb: Arbeit im Parlament gleicht einem Marathon

Josephine Ortleb (SPD)

Die Saarbrücker Abgeordnete Josephine Ortleb in ihrem Bundestagsbüro (© DBT/Melde)

Sie ist jung, sie ist motiviert, sie ist engagiert und hat einen klaren Standpunkt. Vor allem aber sprüht Josephine Ortleb vor Energie und Leidenschaft, wenn es um die Rechte von Frauen geht. Die Politikerin aus dem Saarland ist Bundestagsabgeordnete der SPD und war 30 Jahre jung, als sie mit 32,1 Prozent der Erststimmen das Direktmandat in ihrer Heimatstadt Saarbrücken gewann, obwohl ihre Partei bei den Zweitstimmen im Wahlkreis mit 26,4 Prozent nur auf Platz zwei hinter der CDU (28,5 Prozent) lag.
Bundesweit verbuchte die SPD 2017 gerade einmal 20,5 Prozent und damit das schlechteste Ergebnis seit 1949. Genau zu diesem Zeitpunkt startete Josephine Ortleb durch und sagt bis heute: „Für mich ist es wichtig und richtig, dass ich als Sozialdemokratin im Deutschen Bundestag sitze.“

Warum die SPD? Josephine Ortlebs Oma war Lehrerin in Saarbrücken und ging in den 1970er-Jahren auf eine Demonstration für Willy Brandt. Dafür wurde sie vom Schuldienst suspendiert. „Man muss sich das heute mal vorstellen. Ich war total schockiert, als ich davon als Jugendliche erfuhr. Für mich war es einer der Gründe, mich politisch zu engagieren“, erinnert sich Josephine Ortleb.

Berufswunsch als Kind: singende Köchin

Politikerin stand nicht immer auf der Berufswahlliste der jungen Saarländerin. Als Kind wollte die Tochter einer Gastwirtsfamilie erst Köchin werden, dann Sängerin und dann entschied sie sich für singende Köchin – doch es kam anders.
Josephine Ortleb wurde zwar zur Fachwirtin im Gastgewerbe ausgebildet, entschied sich aber schon als junge Erwachsene für ein Engagement in der Politik. Sie wurde Mitglied der Jusos, kandidierte für den Stadtrat und wurde mit Anfang 20 als jüngste Kommunalpolitikerin von Saarbrücken bekannt. Mit 21 trat sie in die SPD ein und 2015 erhielt sie den Helene-Weber-Preis für herausragendes Engagement als Kommunalpolitikerin.

Warum sie in die SPD eintrat, erklärt sie heute so: „Ich hatte als Jugendliche eine sehr rebellische Zeit – mit blauen Haaren, schrillen Klamotten und viel Auflehnung. Damals merkte ich, dass man von der Gesellschaft sehr schnell ausgegrenzt und nur nach seinem Äußeren beurteilt wird, wenn man aus dem Raster fällt. Das konnte ich nicht akzeptieren. Diskriminierung ist falsch, und niemand sollte wegen seines Aussehens, seiner Herkunft oder seiner sexuellen Orientierung ausgegrenzt werden.“

Elke Ferner macht Platz für Josephine Ortleb

Mit 28 Jahren leitete Josephine Ortleb bereits das Wahlkreisbüro der Bundestagsabgeordneten Elke Ferner und zwei Jahre später wurde sie deren Nachfolgerin. Die langjährige SPD-Abgeordnete wollte damit den Generationswechsel in ihrem Wahlkreis und im Parlament unterstützen.

Josephine Ortleb trat ihr Mandat als Bundestagsabgeordnete in einer Zeit großer Zerrissenheit der SPD an. Trotzdem startete sie energiegeladen und leidenschaftlich, vor allem aber optimistisch in die Aufgabe. „Ich bin in den Bundestag mit dem Vorsatz gekommen, mich gegen jede Art von Diskriminierung und für Chancengleichheit von Frauen einzusetzen“, sagt die junge Politikerin.

Große Akzeptanz in der Fraktion

Inzwischen sind fast zwei Jahre vergangen – Halbzeit im Parlament! Was konnte Josephine Ortleb erreichen? Haben sich ihre Vorstellungen von der Arbeit im Bundestag erfüllt? Wird sie in der Fraktion mit ihren Themen wirklich ernst genommen?
Die Aufnahme in der Fraktion hat sie als sehr positiv empfunden – es gibt eine gute Vernetzung unter den Abgeordneten und viel Unterstützung von denen, die schon länger im Parlament sind.

„Natürlich bin ich zu einer Zeit großer Verwerfungen in der Partei und der Fraktion in Berlin angekommen, denn die SPD stand in den vergangenen Monaten vor vielen Problemen und es gab nicht immer ein einheitliches Bild nach außen“, sagt Ortleb. Die Akzeptanz in der Fraktion sei aber von Beginn an super gewesen und sie hatte nie das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. „Es fühlte sich gut an, als ich zum ersten Mal den Fraktionssaal betrat und sofort den Eindruck hatte, dass ich dort richtig bin. Für mich hat es sich jedenfalls immer richtig angefühlt.“

Die Zusammenarbeit mit den jungen Abgeordneten anderer Parteien funktioniert je nach Fraktion sehr kollegial. „Natürlich gibt es zum Beispiel mit den Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen oft mehr inhaltliche Übereinstimmungen als mit Abgeordneten anderer Fraktionen, aber ich bin immer offen für andere Argumente, denn in der Politik geht es nicht ohne Verständigung.“ Die inhaltlichen Auseinandersetzungen geht Josephine Ortleb deshalb immer offensiv an. Sie sagt: „Wie soll man Argumente verstehen oder nachvollziehen, wenn man nicht miteinander redet?“

„Doppelspitze für die SPD“

Der Politikbetrieb in Berlin war eine neue Erfahrung für die junge Politikerin, die sich bis 2017 eher in der Kommunal- und Landespolitik auskannte. „Im Rückblick“, sagt Josephine Ortleb, „liefen die ersten Wochen in Berlin bei mir ein bisschen wie im Film ab. Ich musste erst einmal realisieren, dass ich tatsächlich Abgeordnete des Deutschen Bundestages war. Aber dann habe ich die Abläufe schnell verinnerlicht, und nach zwei Jahren bin ich immer noch sehr dankbar für die Chance, die ich bekommen habe.“
Dass die SPD im Moment in einer schwierigen, teils dramatischen Situation ist, sieht Josephine Ortleb natürlich und sie bedauert es, wie die letzten Wochen und Monate mit Andrea Nahles umgegangen wurde.

Doch sie will auch nach vorn schauen und wäre deshalb froh, wenn zügig eine neue und glaubwürdige Parteispitze gefunden wird. Für sie ist eine Doppelspitze der richtige Weg. Eine Doppelspitze deshalb, damit der Teamgedanke, den es mit einer Doppelspitze geben kann, auch in der SPD wieder mehr zum Tragen kommt. „Ich wünsche mir einerseits junge und frische Kandidatinnen und Kandidaten, die nicht unbedingt viel bundespolitische Erfahrungen mitbringen müssen, aber den Willen zur Veränderung haben. Dann könnte das Pendant auch gern jung und erfahren sein, wenn es Charisma hat und Führungsqualitäten besitzt. Auf jeden Fall sollte im neuen SPD-Führungsteam die Vielfalt der Partei abgebildet werden.“

Langer Atem, Geduld und Durchhaltevermögen

Die Arbeit von Bundestagsabgeordneten mit Leistungssport zu vergleichen, findet Josephine Ortleb sehr treffend. „So manche Sitzungswoche gleicht einem Marathon, nachdem ich mich total ausgelaugt fühle. Und dann sind da wieder diese Glücksmomente, wenn im Ausschuss ein Antrag erfolgreich war oder eine Debatte im Plenum einen positiven Widerhall fand.“ Schon nach ein paar Monaten realisierte Josephine Ortleb, dass sie einen langen Atem braucht, viel Geduld und Durchhaltevermögen, um ihre Ziele zu erreichen.

„Doch wo, wenn nicht im Parlament, bieten sich mir als Politikerin solche Chancen? Ich bin manchmal sogar froh darüber, dass ich hier nicht nur Kurzstrecken zurücklegen muss. Denn nur in der klugen Abwägung aller Argumente und einer Haltung kommt man im Parlament zu den richtigen Entscheidungen. Und das heißt eben oft, einen Marathon zurücklegen zu müssen“, sagt Ortleb.

„Frauenanteil im Parlament erhöhen“

Nach zwei Jahren im Parlament antwortet die SPD-Politikerin auf die Frage, welches ihrer gesteckten Ziele sie schon anschieben konnte, ohne zu zögern: „Ich bin mit dem Vorsatz in den Bundestag gekommen, den Frauenanteil im Parlament zu erhöhen. Ich war schockiert, als ich realisiert habe, wie wenige Frauen es in der 19. Legislaturperiode im Parlament gibt. Solange ich mich politisch engagiere, hatte ich immer den Anspruch, Parität auf allen politischen und gesellschaftliche Ebenen zu erreichen – also 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer in den Parlamenten“, sagt Ortleb.

Sie fügt hinzu: „Deshalb liegt mir ein Paritätsgesetz am Herzen, und es hat mich gefreut, dass das Thema seit der Debatte zu 100 Jahre Frauenwahlrecht Anfang des Jahres wieder mehr Relevanz bekommen hat – in meiner Fraktion und im Parlament“. (bsl/22.07.2019)