Verteidigung

Kramp-Karrenbauer for­dert deut­liche Er­hö­hung der Ver­teidi­gungs­ausgaben

Die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) fordert eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben. „An dem Ziel der Bundesregierung, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes als Ausgaben anzustreben, halte ich fest“, sagte die Ministerin am Mittwoch, 24. Juli 2019, in ihrer Regierungserklärung zum Thema „In Verantwortung für die Zukunft Deutschlands. Für eine starke Bundeswehr in einer Welt im Wandel“. Zuvor hatte Kramp-Karrenbauer, die am 17. Juli Dr. Ursula von der Leyen (CDU) als Verteidigungsministerin abgelöst hatte, ihren Amtseid vor dem Parlament abgelegt.

Der Bundestag war anlässlich ihrer Vereidigung aus der parlamentarischen Sommerpause zu einer Sondersitzung zurückgerufen worden. Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble erinnerte daran, dass die Sondersitzung des Parlaments durch die Vorgaben des Grundgesetzes bedingt sei. In Artikel 64 heißt es, dass die Bundesminister ihren Eid „bei der Amtsübernahme vor dem Bundestage“ zu leisten haben.

Ministerin: Es geht um unsere Bundeswehr

Kramp-Karrenbauer verwies darauf, dass sich alle Nato-Bündnispartner darauf geeinigt hätten, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung aufzubringen. Gemäß dem Koalitionsvertrag soll der Wehretat bis 2024 jedoch zunächst auf 1,5 Prozent des BIP erhöht werden. Diesen Wert habe Deutschland auch bei der Nato angezeigt und er „entspricht im Minimum auch unserem Bedarf“, sagte die CDU-Parteivorsitzende.

Sie widersprach zugleich dem Vorwurf, die Erhöhung der Verteidigungsausgaben folge lediglich dem Wunsch von US-Präsident Donald Trump. „Es geht hier nicht um Wünsche von außen, es geht um Ausrüstung und Personal, es geht hier um unsere Bundeswehr“, betonte die Ministerin. Die eingeleiteten „Trendwenden“ in den Streitkräften bei Ausrüstung, Material und Attraktivität des Dienstes müssten abgesichert werden.

Kramp-Karrenbauer kündigte zudem an, die Präsenz der Bundeswehr in der Öffentlichkeit wieder zu erhöhen. Sie habe die Ministerpräsidenten der Bundesländer angeschrieben und sie aufgefordert, anlässlich des Geburtstages der Bundeswehr am 12. November öffentliche Gelöbnisse abzuhalten. Auch vor dem Reichstagsgebäude in Berlin wünsche sie sich ein öffentliches Gelöbnis, um die Rolle der Bundeswehr als Parlamentsarmee zu verdeutlichen.

SPD lehnt Zwei-Prozent-Ziel ab 

Beim Koalitionspartner SPD stieß die Forderung Kramp-Karrenbauers nach höheren Verteidigungsausgaben auf deutliche Ablehnung. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Rolf Mützenich bekannte sich zwar ausdrücklich zur Verabredung im Koalitionsvertrag, bis 2024 Verteidigungsausgaben in Höhe von 1,5 Prozent des BIP zu erreichen, dem Zwei-Prozent-Ziel erteilte er jedoch eine deutliche Absage. Kramp-Karrenbauer wäre nach ihrem Amtsantritt besser beraten gewesen, sich mit den konkreten Problemen der Truppe auseinanderzusetzen als „gleich wieder mehr Geld zu fordern“. Über die Höhe der Verteidigungsausgaben entscheide zudem der Bundestag und nicht ein Bündnispartner.

Mützenich forderte Kramp-Karrenbauer auf, ihre Sicherheitspolitik nicht nur an Begriffen wie Stärke und Abschreckung zu orientieren. Der internationalen Zusammenarbeit und Verständigung müsse mehr Platz eingeräumt werden. „Allein bündnispolitische Erwägungen genügen nicht, seitdem ein Rassist im Weißen Haus sitzt, der sich durch Unberechenbarkeit und Egoismus auszeichnet.“

AfD wirft der Regierung „Verfassungsbruch“ vor 

Scharfe Kritik an der Verteidigungspolitik der Bundesregierung und an Kramp-Karrenbauer übte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen. Der „Ankündigungsorgie“ der neuen Ministerin stehe die „Realität der Ära Merkel“ entgegen. Das Grundgesetz schreibe in Artikel 87a vor, dass der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstelle. Doch die Bundeswehr sei weder zur Landes- noch zur Bündnisverteidigung in der Lage. Die Regierung begehe deshalb „Verfassungsbruch“.

Ein Grund dafür sei die Personalpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das Amt des Verteidigungsministers sei zur „Trainee-Stelle für Familien- und Provinzpolitikerinnen“ geworden, sagte Lucassen und spielte damit auf den politischen Werdegang von der Leyens und Kramp-Karrenbauers an. Lucassen forderte zudem eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Bei der Bundeswehr seien schon jetzt 20.000 Planstellen unbesetzt. Deutschland benötige eine „schlagkräftige Armee mit der Befähigung zum Kampf“, sagte Lucassen.

CDU/CSU: Eingegangene Verpflichtungen einhalten

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Dr. Johann David Wadephul, wies die Kritik der AfD zurück. Der Vorwurf des Verfassungsbruchs von einer Partei, die gleichzeitig einen „Aufstand der Generäle“ gefordert habe, sei abenteuerlich. Die Union werde in Zukunft jede Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen, solange diese „mit den völkischen Truppen von Herrn Höcke zu einem Putsch aufruft“.  

Wadephul erinnerte daran, dass das Zwei-Prozent-Ziel der Nato nicht mit US-Präsident Trump getroffen worden sei, sondern mit den Bündnispartnern. Zum Multilateralismus gehöre es auch, eingegangene Verpflichtungen einzuhalten. Dazu gehöre auch, sich gegebenenfalls in unangenehmen internationalen Einsätzen wie etwa in Syrien zu engagieren, sagte Wadephul. „Nur dann werden wir im Bündnis ernst genommen.“ 

FDP äußert Zweifel am 1,5-Prozent-Ziel 

Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Christian Lindner bezweifelte, dass die Bundesregierung es schaffen werde, 1,5 Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben aufzubringen. Mit der mittelfristigen Finanzplanung der Regierung würden lediglich 1,25 Prozent des BIP erreicht.

Mit Blick auf die schwelende Krise mit dem Iran in der Straße von Hormus sagte Lindner der Bundesregierung die Unterstützung der FDP zu, wenn sie gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien eine Vermittlerrolle anstrebe. Allerdings dürfe sie sich dann auch nicht aus der Solidarität mit den beiden Bündnispartnern stehlen, wenn es um die Sicherung der Seewege gehe.

Linke: Kotau vor Trump und der Rüstungsindustrie

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dr. Dietmar Bartsch, warf Kramp-Karrenbauer vor, mit ihrem Festhalten am Zwei-Prozent-Ziel der Nato einen „Kotau“ vor US-Präsident Trump und der Rüstungsindustrie zu machen. Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben in dieser Höhe käme einer „beispiellosen Aufrüstung“ gleich. Zudem mache die Ministerin keine Aussagen darüber, wie sie dies finanzieren wolle. Zu erreichen wäre dies nur durch Verschuldung oder durch einen massiven Abbau bei den Sozialleistungen, argumentierte Bartsch.

Zudem warf er Kramp-Karrenbauer vor, durch ihre Übernahme des Postens der Verteidigungsministerin entgegen ihrer Ankündigung, kein Regierungsamt übernehmen zu wollen, „unglaubwürdig“ geworden zu sein. Es stelle sich die Frage, ob sie das Amt der CDU-Parteivorsitzenden und das der Verteidigungsministerin jeweils „halbtags“ ausfüllen wolle.

Grüne: Forderung nach mehr Geld unsinnig

Die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Agnieszka Brugger, erteilte dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato ebenfalls eine deutliche Absage. Angesichts der Probleme der Bundeswehr trotz des deutlichen Anstiegs des Wehretats in den vergangenen Jahren sei die Forderung nach mehr Geld völlig unsinnig.

Die Probleme in den Streitkräften seien vielmehr das Ergebnis der Politik „konservativer Selbstdarsteller“ an der Spitze des Verteidigungsministeriums, monierte Brugger. Sie warf Kramp-Karrenbauer zudem vor, in ihrer Regierungserklärung kein Wort zu den Themen Rüstungskontrolle und Abrüstung verloren zu haben. 

Entschließungsantrag der Linken

Einen Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke (19/11870) zur Regierungserklärung überwies der Bundestag zur weiteren Beratung federführend an den Verteidigungsausschuss und mitberatend an den Auswärtigen Ausschuss. Die Linke hatte direkte Abstimmung beantragt, war von der Mehrheit der übrigen Fraktionen allerdings überstimmt worden. Die Fraktion stellt fest, dass sich die neu ernannte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bereits vor ihrer Vereidigung im Bundestag für die Verdopplung der Ausgaben für Rüstung und Militär auf rund 85 Milliarden Euro entsprechend dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato ausgesprochen habe.

Eine Steigerung des deutschen Rüstungshaushalts auf diese Größenordnung würde eine in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellose Aufrüstung bedeuten, schreibt die Fraktion. Sie befürchtet fatale Folgen nicht nur für Sicherheit und Frieden in Europa, sondern auch für das Gemeinwohl in Deutschland.

Die Linke fordert, dass der Bundestag das Vorhaben, den deutschen Rüstungsetat verdoppeln zu wollen, zurückweist. Zudem solle die Bundesregierung aufgefordert werden, keine öffentlichen Zusagen zu machen, die das „Haushaltsprärogativ“ des Bundestages infrage stellen und stattdessen Vorschläge zu präsentieren, wie die Bundesrepublik zu Abrüstung und Vertrauensbildung in Europa und weltweit beitragen kann. (aw/24.07.2019)