Vier Fraktionen gegen Untersuchungsausschuss zur Treuhandanstalt
Die Absicht der Fraktionen von Die Linke und AfD, einen Untersuchungsausschuss über die Arbeit der Treuhandanstalt nach der Wende auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einzurichten, ist auf entschiedenen Widerspruch aller anderen Fraktionen gestoßen. Nach einer sehr kontroversen Plenardebatte am Donnerstag, 27. Juni 2019, wurden die entsprechenden Anträge (Die Linke: 19/9793; AfD: 19/11126) an den Geschäftsordnungsausschuss überwiesen.
Linke: Osten hat sich nie von Treuhand erholt
Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke) bezeichnete das „Desaster der Treuhandanstalt“ als wesentlichen Grund für den Frust, der bis heute bei vielen Ostdeutschen herrsche. Die 1989 von den Menschen in der DDR friedlich erkämpfte Demokratie und Freiheit seien ein „Geschenk für das ganze Land“ gewesen. „Aber von der danach erfolgenden Schocktherapie der Treuhandanstalt hat sich der Osten nie mehr erholt“, stellte Bartsch fest.
Die Wirtschaft der DDR sei „marode gewesen, aber nicht so marode“. Die Treuhand hätte nach Gesetzesauftrag „die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herstellen und somit Arbeitsplätze sichern und neue schaffen“ sollen. Das Gegenteil habe sie gemacht: „Millionen Arbeitslose, plattgemachte Industrien, und die Filetstücke wurden verscherbelt.“ Eine Aufarbeitung ihrer Tätigkeit, wie seine Fraktion sie mit dem Untersuchungsausschuss fordere, sei „notwendig für die emotionale Einheit unseres Landes und für den inneren Frieden in unserem Land“.
CDU/CSU: Anträge linker und rechter Populisten
Für die CDU/CSU-Fraktion warf Eckhardt Rehberg seinem Vorredner vor, Ursache und Wirkung zu verwechseln. Die DDR sei 1990 konkurs gewesen, die Infrastruktur marode, die Unternehmen nicht wettbewerbsfähig. Er selbst sei zur Wendezeit Geschäftsführer in einem Schmuckbetrieb gewesen, und „wir kamen nicht ansatzweise gegen die Schmuckindustrie in Baden-Württemberg an“.
Die Menschen in der DDR hätten selbst kaum noch DDR-Produkte gekauft, seit Westprodukte erhältlich waren. Rehberg bestritt nicht, dass bei der Arbeit der Treuhandanstalt auch vieles falsch gelaufen sei. „Ja, es waren Glücksritter unterwegs, ja, es war auch kriminelle Energie dabei.“ Aber viele Betriebe hätten auch eine gute Entwicklung genommen.
Rehberg wies die „Anträge von linken und rechten Populisten“ auf Einsetzung eines Untersuchungsausschuss zurück und verwies auf eine Historikerkommission, die derzeit im Auftrag der Bundesregierung die Arbeit der Treuhand aufarbeite.
„Spiel mit den Emotionen von Millionen Menschen“
Patrick Schnieder (CDU/CSU) rief an Die Linke gewandt: „Sie als Nachfolgerin von SED und PDS, die das damals in die Kotze geritten haben im Osten Deutschlands, Sie spielen mit den Emotionen, die Millionen Menschen beim Gedanken an die Treuhand haben.“ Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Arnold Vaatz (CDU/CSU) schließlich erinnerte an die tödlichen Schüsse auf Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder durch die RAF 1991.
Wenn Die Linke etwas untersuchen wolle, solle sie die vorausgegangene Hetze gegen Rohwedder von links untersuchen, die Sympathien für die RAF in der Bundesrepublik und „die Wirkung dieser Sympathien auf die Bereitschaft, auf diesen Menschen zu schießen“.
AfD: Für eine Mark wurden Lebensläufe entwertet
Ein verheerendes Bild von der Arbeit der Treuhandanstalt zeichnete dagegen Jürgen Pohl (AfD). Sie habe tiefe Wunden in Ostdeutschland und seine Seele gerissen. „4.000 Firmen liquidiert, von vier Millionen Arbeitsplätzen blieb 1994 gerade mal eine halbe Million.“ Privatisierungserlösen von 60 Milliarden stünden eingesetzte Gelder von 300 Milliarden entgegen. „Jedes DDR-Kombinat hätte da besser gewirtschaftet“, sagte Pohl. Die DDR sei zwar „pleite, aber nicht wertlos“ gewesen.
Über Menschen, deren Betrieb für eine symbolische Mark an westliche Unternehmen verkauft wurde, stellte Pohl fest: „Für eine Mark wurden damals ihre Lebensläufe entwertet.“ An die Bürger in den drei östlichen Bundesländern, in denen im Herbst gewählt wird, appellierte Pohl: „Setzt Euer Kreuz nicht bei den Parteien, die sich weigern, den Betrug an den Mitteldeutschen aufzuklären.“
SPD: Grundfehler der Regierung Kohl
„Ein großes gesellschaftliches Interesse an der Aufarbeitung der Treuhand“ stellte Sonja Amalie Steffen (SPD) fest. Der Rückblick fühle sich „für viele bitter“ an. Allerdings habe es seit der Wende bereits zwei Treuhand-Untersuchungsausschüsse im Bund und weitere in den Ländern gegeben. Die Bundesregierung habe inzwischen eine wissenschaftliche Aufarbeitung in Auftrag gegeben, und das sei richtig. Der Bundestag dagegen „ist keine historische Kommission“, sagte sie zu den Wünschen nach einem Untersuchungsausschuss.
Katrin Budde (SPD), seit der Wiedergründung der Länder 1990 lange Jahre Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt und ehemalige Wirtschaftsministerin des Landes, bezeichnete die Entscheidung der Regierung Kohl, der Privatisierung von Unternehmen den Vorrang vor der Sanierung zu geben, als Grundfehler. Sie glaube, dass mit einer anderen Politik mehr Betriebe hätten erhalten werden können, beteuerte Budde, und sie habe „noch immer solche Wut im Bauch, dass das so falsch angefasst wurde“.
Es gebe aber auch Erfolge wie den Strukturwandel in der Chemieregion ihres Landes. Wichtiger als ein Untersuchungsausschuss sei jetzt, darauf zu achten, dass die Betriebe dort nicht unter dem anstehenden Strukturwandel in der Kohleregion und steigenden Energiepreisen leiden.
FDP: Wunsch nach der D-Mark gab den Weg vor
Für Linda Teuteberg (FDP) geht es mit den Anträgen der Linken und der AfD darum, „dass hier zwei Parteien darum ringen, sich vor den Landtagswahlen als alleinige Hüter ostdeutscher Befindlichkeiten und Interessen zu profilieren“.
Beiden Anträgen liege die Erzählung zugrunde, hoch profitable Wirtschaft in der DDR sei aus westdeutschem Unternehmensinteresse platt gemacht worden. Aber „der Golf musste nicht vor dem Trabi geschützt werden“, spottete Teuteberg. Die Ostdeutschen selbst hätten die D-Mark gewollt. Dadurch sei ein schneller Weg in die Marktwirtschaft vorgegeben gewesen.
Antrag der AfD
Der Untersuchungsausschuss soll sich nach dem Willen der AfD aus 18 ordentlichen und 18 stellvertretenden Mitgliedern zusammensetzen (sechs von der CDU/CSU, vier von der SPD, je zwei von der AfD, der FDP, der Linken und den Grünen).
Der Untersuchungsausschuss soll sich ein Gesamtbild darüber verschaffen, wie sich die Tätigkeit der Treuhandanstalt auf die ökonomische Entwicklung im Gebiet der ehemaligen DDR ausgewirkt hat, schreibt die AfD. Zu untersuchen sei die Tätigkeit der Treuhandanstalt im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem „Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)“ und der entsprechenden Durchführungsverordnungen. Des Weiteren sollen die Tätigkeiten der Nachfolgeorganisationen der Treuhandanstalt aufgrund des „Gesetzes zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen Aufgaben der Treuhandanstalt“ vom 9. August 1994 untersucht werden, vor allem der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH und der EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH.
Beginn des Untersuchungszeitraumes solle der der 18. Mai 1990 sein, der Tag des Inkrafttretens des „Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Staatsvertrag)“. Das Ende des Untersuchungszeitraumes setzt die AfD auf den Tag der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses fest.
Antrag der Linken
Im Antrag der Linksfraktion heißt es, der Untersuchungsausschuss solle sich ein Gesamtbild über die Aufgabe und die Arbeit der Treuhandanstalt, deren Nachfolgeorganisationen und Tochtergesellschaften sowie über die Resultate in Bezug auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Ostdeutschlands verschaffen. Aufbauend auf die Arbeit zweier früherer Untersuchungsausschüsse soll der neue Untersuchungsausschuss unter anderem klären, inwieweit die Arbeitsweise der Treuhandanstalt, ihrer Nachfolgeorganisationen und Tochtergesellschaften das Verfassungsziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland langfristig gehemmt hat.
Weiterhin soll geprüft werden, inwieweit die Treuhandanstalt und ihre Nachfolgeorganisationen die Aufgabe erfüllt haben, die Arbeitsplatz- und Investitionszusagen von Käufern abzusichern, zu prüfen und durchzusetzen. Wissen wollen die Abgeordneten auch, inwieweit die Abwicklung von Altkrediten in der ehemaligen DDR zur Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Aufbauprozesses in den neuen Bundesländern geführt hat und inwieweit und warum überlebensfähige Treuhandunternehmen geschlossen wurden und in Unternehmen Arbeitsplätze vernichtet wurden, die hätten erhalten werden können. Das Gremium soll zudem Empfehlungen abgeben, inwieweit die heute noch andauernde Privatisierung von ehemaligem DDR-Volkseigentum, wie beispielsweise von landwirtschaftlichen Flächen oder Gewässern, gestoppt werden soll. (pst/27.06.2019)