Flexibleres Dienstrecht für die Bundeswehr debattiert
Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) will die personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr mit einem Bündel an unterschiedlichen Maßnahmen erhöhen. Über den von ihr vorgelegten Entwurf des Bundeswehr-Einsatzbereitschaftsstärkungsgesetzes (19/9491) debattierte der Bundestag am Donnerstag, 9. Mai 2019, in erster Lesung. Die Gesetzesinitiative sieht unter anderem vor, die Verwendungsmöglichkeiten von Reservisten und die Übernahme von Unteroffizieren in das Dienstverhältnis des Berufssoldaten zu erweitern. Zudem soll die soziale Absicherung von Zeitsoldaten und von Soldaten in Auslandseinsätzen verbessert und der Wehrsold für die freiwillig Wehrdienst Leistenden erhöht werden.
Ministerin: Dienst der Streitkräfte wird attraktiver
Ebenso sollen die Beiträge des Bundes für die Altersversorgung von Zeitsoldaten und Freiwilligen erhöht werden und die Leistungen für die Eingliederung von Zeitsoldaten in den zivilen Arbeitsmarkt bei deren Ausscheiden aus dem Dienst. Während die Verbesserungen der sozialen Leistungen prinzipiell von allen Fraktionen begrüßt wurden, sorgte vor allem die geplante Lockerung der Regelungen zur 41-Stunden-Woche in der Truppe für Diskussionen – auch innerhalb Regierungskoalition.
Verteidigungsministerin von der Leyen wies darauf hin, dass die Soldaten der Bundeswehr den gleichen Anspruch auf Arbeitnehmerrechte hätten wie jeder zivile Arbeitnehmer auch. Es sei zwar richtig, dass das Soldatsein kein Beruf wie jeder andere sei, dies dürfe aber nicht dazu führen, die Soldaten schlechter zu behandeln als andere Arbeitnehmer. Die einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfs führten zu einer Erhöhung der Attraktivität des Dienstes der Streitkräfte und damit zu einer höheren Einsatzbereitschaft, sagte die Ministerin.
AfD: Attraktivitätsagenda der Ministerin gescheitert
Scharfe Kritik an der Gesetzesvorlage übte der AfD-Abgeordnete Jens Kestner. Die Verbesserungen für die Soldaten seien zwar zu begrüßen, seien aber entweder überfällig oder gingen nicht weit genug. Als Bespiel nannte Kestner die Behandlung von Soldaten, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Das Gesetz sieht vor, dass zukünftig auch die Einbeziehung von Angehörigen in die Therapie der Soldaten durch den Bund finanziert werden soll. Es sei doch bezeichnend, dass dies erst 18 Jahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr ermöglicht werden soll, monierte Kestner. Der Gesetzentwurf insgesamt sei ein weiteres Beispiel dafür, dass die von der Ministerin gestartete Attraktivitätsagenda für die Bundeswehr gescheitert sei.
Besonders hart ins Gericht ging Kestner mit der 41-Stunden-Arbeitszeit im Grundbetrieb der Bundeswehr. Dies verhindere eine flexible Gestaltung des Dienstes und vor allem der Ausbildung der Soldaten und belaste den Truppenalltag nur mit unnötiger Bürokratie. Die personelle und militärische Einsatzbereitschaft der Bundeswehr müsse aber „das Maß aller Dinge“ sein. Die AfD-Fraktion fordert in einem Antrag (19/9962) die Abschaffung des Paragrafen 30c im Soldatengesetz, in dem die wöchentliche Arbeitszeit auf 41 Stunden festgelegt ist. Ausnahmen sieht das Gesetz nur in bestimmten Fällen, etwa in Auslandseinsätzen oder Einsätzen der Marine, vor.
SPD: Überstunden müssen ausgeglichen werden
Der SPD-Parlamentarier Dr. Fritz Felgentreu wies die Forderung der AfD zurück. Prinzipiell sei an der 41-Stunden-Woche für die Soldaten festzuhalten. Es sei zwar richtig, dass das vorgelegte Gesetz weitere Ausnahmen von der Regelung vorsehe, diese dürfe aber nicht zu einem „Gummiparagrafen“ werden. Darauf werde seine Fraktion in der weiteren Gesetzesberatung achten. In jedem Fall müsse aber gelten, dass Überstunden ausgeglichen werden, entweder durch Freizeit oder Geld.
Insgesamt begrüße die SPD-Fraktion das Gesetz aber, sagte Felgentreu. So sei es beispielsweise richtig, dass die Leistungen aus dem Einsatzversorgungsgesetz im Fall von Verletzungen oder Unfällen zukünftig nicht nur an Soldaten in den Auslandseinsätzen gezahlt werden sollen, sondern auch im Fall von einsatzähnlichen Verpflichtungen wie etwa beim Nato-Einsatz der Bundeswehr im Baltikum. In den Gesetzesberatungen müsse jedoch noch einmal geprüft werden, ob dies erst ab der Gefahrenstufe 3 gelten soll, sagte Felgentreu.
Grüne lehnen Vergrößerung der Bundeswehr ab
Auch Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) wandte sich gegen eine zu starke Lockerung der Arbeitszeitverordnung in der Bundeswehr. Im Gesetz müsse konkret definiert werden, in welchen Fällen von der 41-Stunden-Regelung abgewichen werden darf. Soldaten dürften eben nicht nur als „Kämpfer“ betrachtet werden, sondern als Menschen mit einem Privatleben.
Lindner verwies darauf, dass die Aussetzung der Wehrpflicht zwar richtig gewesen sei, allerdings sei der Weg zur Freiwilligenarmee bislang nicht konsequent beschritten worden. Das Ansinnen des Gesetzes und die konkreten Verbesserungen für die Soldaten seien deshalb zu begrüßen. Die von Verteidigungsministerin von der Leyen anvisierte Vergrößerung der Bundeswehr über den Stand von 185.000 Soldaten lehnte Lindner ab. Eine „auf dem Papier“ vergrößerte Armee mache keinen Sinn, wenn man schon jetzt nicht ausreichend Nachwuchs für den Dienst in der Truppe gewinnen könne.
FDP: Bundeswehr braucht mehr IT-Spezialisten
Alexander Müller (FDP) begrüßte ebenfalls die geplanten Verbesserungen für die Soldaten. Vielen Punkte des Gesetzes könne man zustimmen, andere würden die Situation für die Soldaten aber eher verschlechtern. Auch er verwies auf die Neuregelung zur Arbeitszeit. Die Bundeswehr benötige dringend mehr Spezialisten im IT-Bereich.
Im Vergleich zur Privatwirtschaft sei die Bundeswehr als Arbeitgeber aber nicht attraktiv genug. Um den Dienst attraktiver zu machen, müsse auch die Bürokratie in der Truppe abgebaut werden. Das Handgeld für Kompanien für die Beschaffung von Kleinmaterial müsse erhöht werden, den Kommandeuren mehr Eigenverantwortung übertragen werden, forderte Müller.
CDU/CSU signalisiert uneingeschränkte Unterstützung
Uneingeschränkte Unterstützung für den Gesetzentwurf signalisierte Kerstin Vieregge (CDU/CSU). Von den einzelnen Maßnahmen profitierten die Soldaten direkt. Die Bundeswehr stehe bei der Nachwuchsgewinnung in einem Konkurrenzkampf mit der Privatwirtschaft und habe meistens das Nachsehen. Umso wichtiger sei es, dass die in der Bundeswehr vorhandenen Fähigkeiten länger erhalten bleiben. Deshalb sei es gut, dass mit der Gesetzesinitiative den Unteroffizieren und Stabsunteroffizieren die Möglichkeit für eine Karriere als Berufssoldaten eröffnet wird.
Zur Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr gehöre es aber auch, dass dieser wieder mehr gesellschaftliche Anerkennung erfahre. Dies lasse sich zwar nicht mit einem Gesetz erreichen, aber jeder Parlamentarier sei aufgefordert, für mehr Wertschätzung der Soldaten zu werben.
Linke: Aufrüstung richtet sich gegen Russland
Auf völlige Ablehnung stieß der Gesetzentwurf bei der Linksfraktion. Tobias Pflüger sagte, die Verbesserung von Sozialleistungen für die Soldaten sei zwar zu begrüßen, aber insgesamt diene das Gesetz dazu, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr für Auslandseinsätze zu erhöhen.
Zudem diene es der Aufrüstung und richte sich gegen Russland. Dies zeige sich bereits daran, dass die Leistungen aus dem Einsatzversorgungsgesetz auch für die Einsätze der Bundeswehr im Baltikum gelten sollen. Die Linksfraktion werde den Gesetzentwurf deshalb insgesamt ablehnen, kündigte Pflüger an.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Das Vorhaben der Bundesregierung zielt darauf ab, die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Dazu soll das Dienstrecht der Soldatinnen und Soldaten flexibilisiert werden. Sie sollen leichter Berufssoldaten werden können. Das gilt laut Regierung vor allem für dringend benötigte Spezialisten in der Laufbahn der Fachunteroffiziere.
Zeitsoldaten sowie freiwillig Wehrdienstleistende sollen in der Rentenversicherung besser abgesichert werden. Das solle auch für Reservisten gelten. Zudem ist beim Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung eine Härtefallregelung vorgesehen.
AfD will Paragraf 30c des Soldatengesetzes streichen
In dem von der AfD-Fraktion in ihrem Antrag angeführten Paragrafen 30c des Soldatengesetzes ist die Arbeitszeit der Soldaten geregelt. Die regelmäßige Arbeitszeit der Soldaten beträgt laut Gesetz grundsätzlich wöchentlich 41 Stunden. In der Vorlage sind auch Ausnahmen geregelt.
Die AfD will den Paragrafen 30c streichen. Ziel sei es, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch die Rückkehr zu einer flexiblen Dienstgestaltung zu erhöhen. Im Führungsgeflecht der Bundeswehr obliege die Verantwortung über die Belastbarkeit eines jeden Soldaten den jeweiligen Dienstherren. Die Bewertung darüber müsse weisungsfrei von Arbeitszeitverordnungen geschehen. Der Dienstherr würde damit das Vertrauen in die militärischen Vorgesetzten und deren verantwortungsvollen Umgang mit der Dienstzeit seiner Untergebenen stärken, heißt es weiter. (hau/vst/09.05.2019)