Gesetzentwurf zu Abschiebungen stößt auf heftige Kritik
Das von der Bundesregierung vorgelegte zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht betroffener Ausländer (19/10047) ist am Donnerstag, 16. Mai 2019, im Bundestag bei den Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ebenso auf scharfe Kritik gestoßen wie bei der AfD-Fraktion. Dagegen sprach die FDP in der ersten Lesung der auch als „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ bezeichneten Vorlage von einem „Schritt in die richtige Richtun“. Redner der Regierungskoalition verteidigten den Regierungsentwurf mit Nachdruck. Im Anschluss an die Debatte im Plenum wurde die Vorlage zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.
Minister: Durchsetzung rechtsstaatlicher und fairer Regeln
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte in der Debatte, der Gesetzentwurf solle der Durchsetzung rechtsstaatlicher und fairer Regeln dienen. Dazu werde das Gesetz „eine Reihe von Schwachstellen im geltenden Recht beheben“. So werde die persönliche Passbeschaffungspflicht durch Asylbewerber strenger. Ausreisepflichtige müssten alles Zumutbare unternehmen, um einen Pass zu beschaffen; andernfalls erhielten sie eine „Duldung minus“. Dabei seien als Sanktionen unter anderem ein Erwerbstätigkeitsverbot und eine Wohnsitzauflage vorgesehen.
Erheblich verbessert würden auch die Voraussetzungen zur Durchsetzung der Ausreiseplicht. Dazu sollten die Voraussetzungen für Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam ausgeweitet werden, um einem Untertauchen zum Zeitpunkt der Abschiebung entgegenzuwirken. Ferner soll nach den Worten des Ressortchefs die Zahl der Abschiebungshaftplätze durch eine auf drei Jahre befristete Aussetzung des Trennungsgebots von Strafgefangenen und Abzuschiebenden erhöht werden, wobei zwischen beiden innerhalb einer Justizvollzugsanstalt zu trennen sei. Diese Aussetzung werde ausdrücklich vom EU-Recht ermöglicht.
AfD kritisiert einprogrammierten Nichtdurchsetzbarkeit
Der Abgeordnete Dr. Gottfried Curio (AfD) sprach von einer „einprogrammierten Nichtdurchsetzbarkeit“ des Gesetzes. Er hielt der Bundesregierung vor, „jede Menge Symptomdoktorei“ zu betreiben, „statt das Grundproblem der offenen Grenze anzugehen“. Angezeigt wäre dagegen, „Unberechtigte nicht erst 'reinlassen, die man dann kaum mehr 'rauskriegt“, betonte Curio. Nicht Verfahrensdetails besserten die „lachhaft niedrigen Abschiebequoten“, fügte er hinzu. Ohne eine konsequente Zurückweisung an der Grenze werde die „Bugwelle“ weiter wachsen.
Der Minister wolle aber lediglich „etwas schneller mit dem Sieb schöpfen, statt endlich das Leck abzudichten“. Notwendig seien „Amtsärzte, die Schluss machen mit politisch begründeten Scheinattesten für Geduldete und Ausreisepflichtigen“. Bei Abtauchen und Widerstand gegen Abschiebungen müsse Schluss sein „mit überflüssigen Sozialleistungen“.
SPD: Härtere Konsequenzen für Verweigerer
Der SPD-Parlamentarier Helge Lindh sagte, die „Konsequenz einer vernünftigen Asylpolitik“ gebiete, dass mehr Menschen als bisher das Land verlassen müssten. Grundidee dieser auch für die Sozialdemokraten nicht einfachen Gesetzgebung sei die Unterscheidung „zwischen denen, die schutzbedürftig sind und Anspruch haben auf Schutz, und solchen, die ihn nicht haben“. Letztere müssten zurückkehren, wenn man das Asylrecht ernst nehme.
Von den 235.000 vollziehbar Ausreisepflichtigen hätten aber 180.000 eine Duldung. Unter diesen seien auch solche, die über ihre Identität getäuscht haben und „nicht mitwirken“. Sie müssten künftig härtere Konsequenzen tragen. Zu den Geduldeten zählten aber ebenso Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben werden könnten oder etwa in Ausbildung stünden. Davon auszugehen, dass alle vollziehbar Ausreisepflichtigen bewusst ihre Abschiebung boykottieren, „wäre schlicht realitätsfremd“.
FDP begrüßt überfällige Debatte
Die Abgeordnete Linda Teuteberg (FDP) nannte die Debatte über das Gesetz „überfällig“. Dabei seien die die eingeschränkte Duldung von Personen mit ungeklärter Identität, die dafür selbst Verantwortung tragen, ebenso sinnvoll wie die Neuregelung des Ausreisegewahrsams und die Mitwirkungspflicht bei der Passersatzbeschaffung. Dies begrüßten die Freidemokraten ausdrücklich, auch wenn sie an verschiedenen Stellen noch deutlichen Diskussionsbedarf hätten.
Der Gesetzentwurf habe aber auch „große blinde Flecken“. Insbesondere gehe die Bundesregierung nicht das „Kompetenzchaos zwischen Bund und Ländern“ nicht an. Hier könne die Lösung nur darin liegen, „dass der Bund hier endlich vollständig die Verantwortung für das Rückkehrmanagement übernimmt einschließlich der Abschiebehaft und des Vollzuges“.
Linke: Gesetzentwurf verstümmelt Recht Schutzsuchender
Für Die Linke beklagte ihre Parlamentarierin Ulla Jelpke, dass der Gesetzentwurf „die verbliebenen Rechte von Schutzsuchenden bis in die Unkenntlichkeit verstümmelt“. Beispiele dafür seien die „maßlose Ausweitung der Abschiebehaftgründe“, das „Aushungern von Schutzsuchenden, die über einen anderen EU-Staat nach Deutschland kommen“, und eine „Duldung zweiter Klasse für Geflüchtete, die aus Sicht der Behörden nicht genügend an der eigenen Abschiebung mitwirken“ sowie die „Einführung neuer Geheimhaltungspflichten für geplante Abschiebungen“.
Danach müssten Amtsträger künftig damit rechnen, bis zu fünf Jahre „Haft zu bekommen“, wenn sie Informationen wie den Zeitpunkt einer Abschiebung verbreiten. Damit wolle die Koalition „angebliche Vollzugsdefizite bei Abschiebungen bekämpfen“, doch existierten diese Vollzugsdefizite „nur in der Phantasie der Bundesregierung“.
Grüne: Katalog der Entrechtung und Inhumanität
Die Abgeordnete Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Gesetzentwurf als „Katalog der Entrechtung und Inhumanität“. Damit schleife die Bundesregierung „gnadenlos an unserer Verfassung“. Deren erster Artikel besage, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Unantastbar sei die Würde aller Menschen, „egal, ob sie deutsche Staatsbürger sind, egal, welchen Aufenthaltsstatus sie haben“. Dies gelte auch für abgelehnte Asylbewerber. Genau dies stelle die Regierungskoalition aber in Frage.
„Sie werfen die Grundprinzipien des deutschen Rechtsstaates über Bord“, fügte die Grünen-Abgeordnete hinzu. Dabei mache die Regierung „Geflüchtete pauschal zu Identitätstäuschern“. Auch sollten in der Flüchtlingsarbeit Tätige der Beihilfe zum Geheimnisverrat bezichtigt werden, doch seien Proteste gegen Abschiebungen laut Bundesverfassungsgericht „legitime Meinungsäußerungen“.
CDU/CSU: Geltende Gesetze umsetzen
Der CDU/CSU-Parlamentarier Thorsten Frei entgegnete, dass es bei der Regierungsvorlage um Menschen gehe, bei denen in einem umfassenden Asylverfahren festgestellt worden sei, „dass sie weder über einen Flucht- noch über einen Asylgrund verfügen“ und daher „unser Land wieder verlassen müssen“. Notwendig sei, geltendes Gesetz umzusetzen, was derzeit noch nicht so gelinge wie erwünscht.
Auch die Tatsache, dass im vergangenen Jahr mehr Rückführungen gescheitert als gelungen seien, zeige, dass man die vorhandenen Instrumentarien des Aufenthaltsgesetzes „nachschärfen müssen, praxistauglicher ausgestalten müssen“. Genau das leiste der von Seehofer vorgelegte Gesetzentwurf. Um etwas dagegen zu tun, dass Menschen kurzfristig untertauchen, brauche man die Möglichkeiten des Ausreisegewahrsams und der Abschiebehaft. (sto/16.05.2019)