FDP-Antrag zur Schuldenbremse kontrovers debattiert
Rund zehn Jahre ist es her, dass im Zuge der Föderalismusreform im Grundgesetz im Artikel 109 die sogenannte Schuldenbremse für Bund und Länder eingeführt wurde. Für die FDP-Fraktion ist das Anlass, ein Update und eine Stärkung der Regel zu fordern. Einen entsprechenden Antrag der Fraktion (19/10616) hat der Bundestag am Donnerstag, 6. Juni 2019, diskutiert und überwies ihn anschließend zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuss.
Die Schuldenbremse sieht vor, dass Bund und Länder bei der Aufstellung ihrer Haushalte grundsätzlich die Nettokreditaufnahme, also die Neuverschuldung, auf maximal 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandprodukts begrenzen müssen. Ausnahmen sind in Fällen von Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen möglich. Für den Bund gilt die Regel seit 2016, für die Länder ab 2020.
FDP unterstreicht Generationengerechtigkeit
Aus Sicht der Liberalen hat sich die Schuldenbremse bewährt. Sie sei zentral für die „Zukunftsfähigkeit unseres Landes“, sagte Christian Dürr (FDP) während der Debatte. Trotzdem werde sie in Frage gestellt, kritisierte der Liberale und verwies auf Äußerungen von Seiten der SPD und Grünen sowie auf die Linke, die schon immer gegen das Instrument gewesen sei. Dank der Schuldenbremse sei die Politik „heute auf die Prinzipien von Generationengerechtigkeit und Bürgersouveränität verpflichtet“, begründen die Liberalen in ihrem Antrag. Um die Regel gegen eine Aufweichung zu wappnen, soll die Bundesregierung entsprechend gesetzlich handeln. So soll klar festgeschrieben werden, wie die Schuldenbremse berechnet und kontrolliert wird, fürchtet die FDP doch, dass die Länder ihren Spielraum zur Festlegung dieser Modalität so einsetzen werden, dass die Regel im Zweifel ins Leere läuft. Einen Riegel will die Fraktion auch der Möglichkeit vorschieben, die Schuldenbremse über eine privatrechtliche Investitionsgesellschaft der öffentlichen Hand zu umgehen. Gerüchte zu entsprechenden Überlegungen im Bundesfinanzministerium hatten in den vergangenen Wochen die Runde gemacht, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) dementierte diese allerdings.
In dem Antrag versuchen die Liberalen zudem, einen klassischen Einwand gegen die Schuldenbremse zu entkräften, nach dem die Schuldenbremse Investitionen verhindert. „Das ist totaler Quatsch“, sagte Dürr. Vielmehr müsse die Politik Investitionen priorisieren, statt zusätzliche konsumtive Ausgaben anzuschieben, fordern die Liberalen in ihrem Antrag. Der Bundesregierung warf Dürr vor, diese Prioritäten falsch zu setzen und verwies etwa auf das aus seiner Sicht wirkungslose Baukindergeld oder die Überlegungen zur Grundrente, die künftigen Generationen schaden werde. „Es darf nicht der Steuerzahler sein, der diese Große Koalition noch zusammenhält“, mahnte Dürr.
Linke: Neoliberaler Unsinn und Zukunftsbremse
Von den Argumenten der FDP zeigte sich insbesondere die linke Seite des Hauses nicht überzeugt. „Jetzt kommt das Kontrastprogramm“, sagte die Abgeordnete Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) zu Beginn ihrer Rede. Die Schuldenbremse sei „neoliberaler Unsinn und eine Zukunftsbremse“. Statt die Schuldenbremse zu härten, wie es die FDP fordert, sprach sich die Haushaltspolitikerin dafür aus, sie aus dem Grundgesetz zu streichen – weil sie notwendige Investitionen verhindere. „Wenn es um Investitionen geht, fährt die Bundesregierung mit angezogener Handbremse“, kritisierte Lötzsch SPD und Union.
Ihre Fraktion fordere ein umfassendes Investitionsprogramm, um das Wachstum zu stabilisieren, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Binnennachfrage zu stärken. Zudem sprach sich Lötzsch erneut für eine umfassende Steuerreform aus, „die Vermögen und Einkommen gerecht besteuert“. Dann müssten auch nicht die Schulden erhöht werden.
Grüne bekennen sich zur Schuldenbremse
Für die Grünen-Fraktion bekannte sich Anja Hajduk (Bündnis 90/die Grünen) grundsätzlich zur Schuldenbremse. Sie mahnt allerdings zu einer sachlichen Debatte und warf Dürr Schwarz-Weiß-Denken vor. Die Schuldenbremse habe positive Effekte, etwa indem sie Vertrauen geschaffen habe, aber auch überbordende Steuersenkungsideen gerade der FDP ausgebremst habe. Allerdings habe die Konzentration auf ausgeglichene Haushalte und die „Schwarze Null“ dafür gesorgt, dass die Bedeutung von Investitionen und dem öffentlichen Vermögen zu gering gewichtet worden sei.
Hajduk verwies auf die anstehenden Herausforderungen im Bereich der Klimapolitik und der Digitalisierung. Dafür brauche es ganz andere „institutionelle Rahmenbedingungen“ für Investitionen. Die Grünen-Haushaltspolitikerin zeigte sich anders als die FDP offen dafür, privatrechtlich organisierten Gesellschaften der öffentlichen Hand kreditfinanzierte Investitionen zu ermöglichen. Der von den Liberalen geforderte Ausschluss dieser Möglichkeit sei „ökonomischer Unsinn“, kritisierte Hajduk.
AfD: Antrag ist nicht falsch, aber unzureichend
Für die AfD-Fraktion beurteilte Peter Boehringer (AfD) den FDP-Antrag als „nicht falsch, aber unzureichend“. Der Vorsitzende des Haushaltsausschuss kritisierte, dass die Liberalen sich mit der vorgeschlagenen Härtung der Schuldenbremse nicht auch auf die Auswirkungen von Maßnahmen rund um die Euro-Rettung wie die Kredite des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die Target-II-Salden oder die Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank beziehen. Das seien die „Schulden von morgen“, mahnte Boehringer.
„Von diesem rosaroten Elefanten im Raum schweigt der FDP-Antrag.“ Die FDP-Forderung nach Sanktionen beim Verstoß gegen die Schuldenbremse klinge gut, habe aber noch nie geklappt, sagte Boehringer mit Verweis auf die etliche Male gebrochenen Maastricht-Kriterien oder die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts.
CDU/CSU: Schuldenbremse hat Deutschland gut getan
Bei den Koalitionsfraktionen las man den FDP-Antrag gar nicht so kritisch, wie er wohl gemeint war, sondern eher als Lob für die eigene Haushaltspolitik der vergangenen Jahre. Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) warf der FDP zudem vor, ein „Kasperletheater“ zu veranstalten. So hätten sich die Liberalen bei der Abstimmung 2009 über die Schuldenbremse enthalten, kritisierte Rehberg. Der Christdemokrat stellt sich grundsätzlich hinter die Haushaltsregel: „Die Schuldenbremse hat Deutschland gut getan.“
Überlegungen zu einer möglichen Aufweichung erteilte Rehberg eine klare Absage: „Mit CDU/CSU wird so etwas nicht zu machen sein.“ Kritik an der Investitionstätigkeit des Bundes wies der Haushaltspolitiker zurück: Nicht die Bereitstellung von Mitteln sei das Problem, sondern der Abfluss und die Umsetzung.
SPD: Schuldenbremse ist ein Erfolgsmodell
Andreas Schwarz (SPD) bedankte sich ebenfalls bei der FDP für die Gelegenheit, haushalts- und finanzpolitische Erfolge der Koalition hervorheben zu können: „In Berlin wird solide und gut gewirtschaftet, die Finanzen in diesem Land sind geordnet.“ Dass Deutschland 2019 wieder das Maastricht-Schuldenkriterium erreichen werde, sei ein Erfolg „solider und ausgewogener Haushaltspolitik“, sagte der Sozialdemokrat.
Die Schuldenbremse sei ein „Erfolgsmodell“. Trotz oder gerade wegen ihr würden die Investitionen steigen. Er sehe kein Bedarf, die bestehenden Regelungen zu ändern. Zudem sehe er auch nicht die Möglichkeit, entsprechende Änderungen durch Bundesrat und Bundestag zu bringen. Statt einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu fordern, könne die FDP selbst etwa entsprechende Initiativen in Nordrhein-Westfalen anstoßen, empfahl Schwarz. (scr/06.06.2019)