Stephan Thomae hofft auf Erfolg des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, hofft auf einen Erfolg des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs „zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ betroffener Ausländer, über den das Parlament am 16. Mai erstmals debattiert hat. Dass seine Fraktion daran Kritik im Einzelnen habe, „bedeutet nicht, dass wir der Meinung sind, so etwas bräuchte es gar nicht“, sagt Thomae in einem am Montag, 20. Mai 2019, erschienenen Gespräch mit der Wochenzeitung „Das Parlament“. Es sei richtig, sich mit der Frage der Aufenthaltsbeendigung und der Überstellung in andere europäische Länder oder Abschiebung in die Heimatländer zu beschäftigen. „Besser wäre es, wenn wir das ganze Ausländerrecht konzeptionell in ein einheitliches Gesetz aus einem Guss zusammenbrächten“, fügt der FDP-Fraktionsvize hinzu. Das Interview im Wortlaut:
Herr Thomae, in den vergangenen Jahren gab es eine ganze Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen, um Abschiebungen zu erleichtern – mit eher mäßigem Erfolg. Wird dem „Geordneten-Rückkehr-Gesetz“ mehr Erfolg beschieden sein?
Das hoffe ich doch sehr. Wir hatten in der Vergangenheit das Problem, dass oft die Falschen abgeschoben wurden: Menschen, die gut integriert waren – sprachlich, wirtschaftlich, rechtlich –, während wir solche, die wir gerne abgeschoben hätten wie Straftäter oder Gefährder, nicht los wurden. Deswegen ist es richtig, dass wir uns jetzt mit diesem Phänomen befassen und uns überlegen, wie wir diejenigen, die wir keinesfalls bei uns behalten wollen oder können, geordnet in die Länder zurückführen können, aus denen sie gekommen sind.
Vorgesehen sind unter anderem Verschärfungen bei unterschiedlichen Formen der Abschiebehaft. Haben Sie da Bedenken?
Man muss klar sehen, dass jemand, der abgeschoben werden soll, ja keine Straftat begangen hat. Es muss ein deutlicher Abstand gehalten werden zwischen der Behandlung von Straftätern und der Behandlung von Menschen, die in Abschiebehaft genommen werden, damit sie sich ihrer Abschiebung nicht möglicherweise entziehen. Das ist eine ganz andere Kategorie. Wir hätten jedenfalls erhebliche Bedenken dagegen, Abschiebehäftlinge einfach so zu behandeln wie Strafgefangene.
Hier wird an dem Gesetzentwurf die geplante Unterbringung von Abschiebehäftlingen in Justizvollzugsanstalten kritisiert – dem stehe etwa ein Urteil des EuGH, des Europäischen Gerichtshofes, entgegen.
Es gibt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und auch eine des EuGH, in denen jedes Mal klar wurde, dass es einen deutlichen Unterschied geben muss in der Art der Unterbringung eines Straftäters und der eines Abschiebehäftlings, der keine Straftat begangen hat, aber möglicherweise versuchen könnte, sich einer Abschiebung zu entziehen. So muss deren Tagesgestaltung ganz anders geregelt werden, ebenso etwa die Besuchsregelung. Auch die Gebäude müssen anders gestaltet werden: im einen die Strafhaft; in einem anderen Gebäude, das vielleicht WG-artig gestaltet werden könnte, die Abschiebehaft, bei der es nur darum geht, ein Untertauchen des Betreffenden vor einer Abschiebung zu verhindern.
Die Länder beklagen, dass Haftanstalten schon jetzt rappelvoll sind...
Das ist unterschiedlich. Wir haben derzeit meines Wissens um die 8.000 freie Plätze in Justizvollzugsanstalten. Das müsste man sich im Einzelfall anschauen. Denkbar ist auch, dass auf dem Gelände einer solchen Anstalt Gebäude freigemacht oder neu errichtet werden, in dem Abschiebehäftlinge in ganz anderer Weise untergebracht werden als Strafgefangene. Die Bundesländer haben in den vergangenen Jahren auch nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um mehr Abschiebehaftplätze zu schaffen. Derzeit haben wir weniger als 500 solcher Plätze.
Geplant ist auch ein neuer Duldungsstatus für Flüchtlinge, die etwa bei der Identität täuschen und deshalb nicht abgeschoben werden können. Ihnen winken Arbeitsverbot und Wohnsitzauflage – manchen geht das nicht weit genug…
Die jetzt vorgesehene Regelung halten für soweit für angemessen. Der erste Gesetzentwurf des Bundesinnenministers war ja sehr weitgehend, hat sich aber bei der Ressortabstimmung der Regierung noch einmal verändert. Mit der jetzigen Regelung können wir Freidemokraten leben.
Gilt das auch für die Absenkung von Leistungen für Ausreisepflichtige, denen schon in einem anderen EU-Staat Schutz gewährt wurde?
Ja – das ist der Fall der Überstellung, bei dem man in ein anderes europäisches Land muss, das für das Asylverfahren zuständig ist. Hier muss das Ziel sein, dass innerhalb der Europäischen Union die Überstellungen sehr zügig durchgeführt werden können. Da müssen sich auch die anderen europäischen Staaten diesem Verfahren öffnen. Momentan gilt das Verfahren nach dem Dublin-Abkommen, das vorsieht, dass die zuständigen EU-Staaten rasch diejenigen Flüchtlinge zurücknehmen, die bei ihnen einen Asylantrag gestellt haben.
Neu ist auch, dass Informationen zum geplanten Ablauf einer Abschiebung – Termin, Ort – als Geheimnis gewertet werden und Amtsträger sich bei deren Verbreitung strafbar machen, andere wie Flüchtlingshelfer könnten wegen Beihilfe belangt werden. Ist das angemessen?
Man ist immer schnell dabei, neue Strafrechtsnormen einzuführen. Das Strafrecht ist aber nicht die richtige Materie, um beispielsweise dafür zu sorgen, dass aus einer Behörde keine Informationen nach außen dringen. Das ist schon Sache der Behörde selbst, sich so zu organisieren, dass dienstliche Geheimnisse nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Das jetzt auch noch strafrechtlich mit dem schärfsten Schwert des Staates zu versehen, halte ich für weit überzogen.
Inwiefern?
Rechtsanwälte etwa haben natürlich die Pflicht, ihren Mandaten zu eröffnen, welche Maßnahmen die richtigen sind, um ihre Rechte am besten wahrzunehmen. Das kann auch den Zeitpunkt einer Abschiebung betreffen. Wenn der Rechtsanwalt von Umständen Kenntnis erhält, die ihn verpflichten, seinem Mandanten zu raten, noch am gleichen Tage schnellstens den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen, muss er dem Mandaten auch sagen können, warum Eile geboten ist – eben weil ihm bekannt geworden ist, dass die Abschiebung unmittelbar bevorstehen könnte. Er ist dazu verpflichtet. Das kann man nicht unter Strafe stellen. Also: Hier stelle ich ein wildes Um-sich-schlagen der Regierung mit Strafrechtnormen fest. Das ist keine Sache, die im Strafrecht zu regeln ist.
Die FDP wirbt ja für eine Trennung der Zuständigkeiten: Die Länder sollen sich auf die Integration konzentrieren, der Bund dagegen für alle Aufenthaltsfragen einschließlich der Abschiebungen verantwortlich sein. Was erhoffen Sie sich davon in der Praxis?
Wir haben momentan eine sehr unterschiedliche Handhabung auch der Aufenthaltsbeendigung unter den Bundesländern, aber auch innerhalb der Bundesländer. Da gibt es eine uneinheitliche Handhabungspraxis unterschiedlicher Ausländerbehörden. Das kann natürlich nicht sein. Es darf nicht vom Zufall abhängen, der Einschätzungsprärogative einer örtlichen Behörde ausgesetzt zu sein, je nachdem, ob ein Asylbewerber zufällig im Norden, im Süden, im Osten, im Westen oder in der Mitte gelandet ist. Hier wird eine bundeseinheitliche Handhabungspraxis benötigt, und die lässt sich am besten dadurch sicherstellen, dass der Bund für die Aufenthaltsbeendigung zuständig wird.
Mehrere Punkte des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes stehen – eher pauschal – auch in den FDP-Eckpunkten für ein Einwanderungsgesetzbuch: mehr Abschiebehaftplätze etwa. Geht der Gesetzentwurf also in die richtige Richtung?
Die Richtung stimmt. Dass wir Kritik im Einzelnen haben, bedeutet nicht, dass wir der Meinung sind, so etwas bräuchte es gar nicht. Es ist richtig, dass wir uns mit der Frage der Aufenthaltsbeendigung und der Überstellung in andere europäische Länder oder Abschiebung in die Heimatländer beschäftigen. Besser wäre es, wenn wir das ganze Ausländerrecht konzeptionell in ein einheitliches Gesetz aus einem Guss zusammenbrächten.
(sto/20.05.2019)