Kontroverse über Arbeitsbedingungen im Post- und Paketmarkt
Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. Mai 2019, über die Situation auf den Postmärkten diskutiert. Grundlage für die Aussprache, die von geplanten Portoerhöhungen bis zu Arbeitsbedingungen von Beschäftigten und Qualität der Zustellung reichte, waren mehrere Oppositionsanträge: Die Fraktion Die Linke fordert in einem Antrag „Keine Portoerhöhungen ohne Verbesserung der Löhne und des Service“ (19/10150), die FDP-Fraktion ruft zu fairem Wettbewerb auf dem Postmarkt auf und dazu, ein Sondergutachten der Monopolkommission respektieren„ (19/10156) und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen strebt einen “fairen Wettbewerb und gute Arbeitsbedingungen auf Post- und Paketmärkten„ an (19/10199). Im Anschluss an die einstündige Aussprache wurden die Anträge an den Wirtschaftsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen.
Linke: Unzufriedenheit mit der Post nimmt zu
Pascal Meiser (Die Linke) eröffnete die Diskussion mit seiner Einschätzung, die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Deutschen Post nehme seit Jahren zu. Diese Unzufriedenheit solle man ernst nehmen, die Situation verwundere allerdings auch nicht angesichts der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten und dem Abbau von Infrastruktur. Einzig das Postmanagement sei von diesem Kürzungskurs verschont geblieben – das Vorstandsgehalt betrage mittlerweile das 232-fache vom Durchschnittslohn eines einfachen Postbeamten, sagte Meiser.
Das einzige, was der Gesetzgeber bisher getan habe, sei jedoch, grünes Licht für ein höheres Porto zu erteilen. Dies sei ein Lehrstück von Wirtschaftslobbyisten zulasten einfacher Bürger; eine garantierte Renditeerhöhung bei sinkender Qualität sei weder sozial noch leistungsorientiert, sagte der Abgeordnete. Er plädierte dafür, Portoerhöhungen mit verbindlichen Vorgaben für Arbeitsbedingungen und Qualität zu verknüpfen. Falls die privaten Anteilseigner da nicht mit machen, müsse man überlegen, die Post wieder vollständig in die öffentliche Hand zu geben.
FDP: Postprivatisierung wurde nicht beendet
Für die FDP-Fraktion erteilte Reinhard Houben solchen Überlegungen eine Absage. Vielmehr sei die Postprivatisierung damals nicht zu Ende gebracht worden, dabei hätten schon von dem ersten Schub alle profitiert. Er forderte, dass der Bund die restlichen, über die staatliche KfW-Bankengruppe gehaltenen Anteile verkauft. Sonst gebe es am Ende immer höhere Preise.
Sein Kollege Carl-Julius Cronenberg (FDP) pflichtete dem bei. Die Wurzel des Übels sei, dass der Bund Miteigentümer und Regulierer zugleich ist. Zudem versage der Staat bei seinen ordnungspolitischen Aufgaben, kritisierte Cronenberg mit Blick auf nun festgestellte Verstöße gegen die Mindestlohnpflicht. Eine Nachunternehmerhaftung den Unternehmen aufzubürden, sei vielleicht für die Post als Konzern leistbar, kleine und mittlere Unternehmen hätten allerdings große Schwierigkeiten, diesen Zusatzaufwand zu bewältigen.
Grüne: Portoerhöhung angesichts der Situation unverständlich
Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) sagte zum Antrag ihrer Fraktion, diese sei die einzige, die vorschlage, wie Bedingungen auf Post- und Paketmärkten verbessert werden könnten. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass gute Arbeitsbedingungen und guter Service garantiert werden könnten.
Die Genehmigung einer Portoerhöhung sei angesichts der derzeitigen Zustände völlig unverständlich, zumal Großkunden Rabatte in Aussicht gestellt würden, während der einzelne Privatkunde tiefer in die Tasche greifen soll. Dröges Fraktionskollegin Beate Müller-Gemmeke fokussierte auf die Situation auf dem Paketmarkt und erläuterte die arbeitsmarktpolitischen Forderungen der Grünen, allen voran eine Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge.
CDU/CSU verweist auf Umwälzungen in der Branche
Vertreter der Regierungsfraktionen wiesen die Vorwürfe weitgehend zurück und sahen gleichwohl Handlungsbedarf auf dem Markt. Jan Metzler (CDU/CSU) redete zunächst über die allgemeinen Umwälzungen in der Branche, allen voran die Digitalisierung, die höhere Fixkosten nach sich ziehe. Selbst wenn eine Portoerhöhung für Briefe auf 80 Cent käme, läge Deutschland damit nur auf Platz zehn europaweit, sagte Metzler.
Zur Forderung, Erhöhungen von Verbesserungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen abhängig zu machen, erklärte er, dies seien unterschiedliche Sachstände: Eines sei Gegenstand von Tarifparteien, das andere Sache der Bundesnetzagentur. Für ihn sei deutlich, dass sich einiges auf dem Postmarkt bewege. Metzler rief dazu auf, gemeinsam an einer Gesetzesnovelle zu arbeiten, die auf diese Bewegungen reagiere. Sein Kollege Hansjörg Durz erwähnte zur Kritik am Einverständnis zu Portoerhöhungen, das mit letzteren auch steigende Anforderungen an die Qualität der Zustellungen verbunden werden sollen.
SPD: Die Post muss mehr investieren
Falko Mohrs (SPD) sagte, man wolle eine gute Post mit guten, abgesicherten Arbeitsplätzen. Klar sei, dass die Post mehr investieren müsse; auch deswegen hätten Gewerkschaften und Betriebsräte einer Neufassung der Postentgeltregulierungsverordnung zugestimmt. Außerdem habe die Post 8.500 neue, gut abgesicherte Arbeitsplätze geschaffen.
Zum Ruf nach mehr Wettbewerb sagte Mohrs, mehr Konkurrenz habe in anderen Bereichen zu einer Abwärtsspirale bei den Arbeitsbedingungen geführt. Mit mehr Wettbewerb dürfe nicht gemeint werden, diesen auf dem Rücken von Beschäftigten auszutragen. Er verteidigte auch die Nachunternehmerhaftung – sie sei wichtig, um für eine gute Versorgung zu sorgen. Es gehe um gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Für Unternehmen müsse Tariftreue attraktiv sein oder werden. Eine völlige Privatisierung der Post lehnte Mohrs ab.
AfD: Liberalisierung auf dem Postmarkt ist gescheitert
Für die AfD-Fraktion ist die Liberalisierung auf dem Postmarkt gescheitert. Leif-Erik Holm (AfD) sagte, darauf ließen sich alle Probleme zurückführen. Es gebe so gut wie keinen Wettbewerb auf dem Postmarkt; seine Fraktion lehne es ab, Portoerhöhungen zu gestatten. Gebraucht würden stattdessen mehr Wettbewerb und sinkende Preise zum Wohle der Kunden.
Die Nachunternehmerhaftung bezeichnete Holm als Symptombekämpfung, bekämpft werden müssten vielmehr die Ursachen, die auch in der Marktmacht der Post im Briefbereich. Die jetzige Verordnung müsse zurückgenommen werden. Holm plädierte ebenfalls dafür, dass sich der Staat aus dem Postkonzern zurückzieht. Der Bund als Eigentümer und Regulierer, das gehe nicht zusammen und habe nichts mit fairem Wettbewerb zu tun.
Die Anträge der Oppositionsfraktionen
In ihrem Antrag fordert Die Linke die Bundesregierung auf, die beschlossene Änderung der Postentgeltregulierungsverordnung zurückzunehmen und rechtlich verbindlich festzuschreiben, dass künftige Portoerhöhungen nur dann zulässig sind, wenn diese die allgemeine Preisentwicklung ausgleichen, für verbesserte Arbeitsbedingungen und höhere Löhne sorgen oder für den Erhalt und Ausbau der Postinfrastruktur sowie für eine verbesserte Zustellqualität notwendig sind.
Im März 2019 habe die Bundesregierung den Weg für kräftige Portoerhöhungen bereitet und damit dem Wunsch der Deutschen Post AG entsprochen, das Briefporto weiter erhöhen zu können als bisher erlaubt. Angekündigt sei für den Sommer eine Erhöhung von 72 Cent auf bis zu 90 Cent für Standardbriefe. Vorgesehen sei, dass Großkunden von einer Portoerhöhung verschont bleiben, schreibt die Fraktion.
Die Grünen fordern die Bundesregierung unter anderem auf, im Paketmarkt einen fairen Wettbewerb zu fördern und die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der Paketbranche zu verbessern. Unter anderem solle eine Nachunternehmerhaftung eingeführt werden, mit der die General- oder Hauptunternehmer auch für die Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigten in Subunternehmen haften.
Regelung zum Gewinnzuschlag
Im Briefmarkt wollen die Grünen die letzte Änderung der Regelung zum Gewinnzuschlag in der Postentgeltregulierungsverordnung, die der Deutschen Post deutlich höhere Portopreise ermöglicht, zurücknehmen. Die Regelung zum Gewinnzuschlag solle so gestaltet werden, dass zur Berechnung des Gewinnzuschlags nicht der Vergleich zu ausländischen Post-Unternehmen herangezogen wird, sondern der Gewinnzuschlag anhand des unternehmerischen Risikos ermittelt wird, wie es vor Inkrafttreten der Verordnung zur ersten Änderung der Postentgeltregulierungsverordnung im Jahr 2015 der Fall gewesen sei.
Auch die FDP fordert die Bundesregierung auf, die Änderung der Postentgeltverordnung vom März 2019 zurückzunehmen und zur Fassung zurückzukehren, die bis zum 5. Juni 2015 gültig war. Auch solle die Regierung eine Änderung des Postgesetzes vorlegen, der die Zustimmung von Bundesrat und Bundestag zur Postentgeltverordnung in gleicher Weise vorsieht wie bei der Post-Universaldienstleistungsverordnung.
Die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von politischer Einflussnahme will die Fraktion stärken und die Privatisierung der indirekten Beteiligungen an der Deutschen Post AG vorantreiben. Derzeit sei die Postregulierung nicht auf einen freien und fairen Wettbewerb ausgerichtet. Es müsse der Interessenkonflikt des Bundes als Regulierer und Anteilseigner aufgelöst werden, indem die indirekte Beteiligung veräußert wird, heißt es in dem Antrag. (pez/16.05.2019)