Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. Mai 2019, erstmals über einen Antrag der AfD-Fraktion beraten, Geringverdiener bei den Sozialabgaben zu entlasten und dafür Einsparungen aus dem EU-Budget zu nutzen. Sie erntete dafür deutliche Kritik der anderen Fraktionen, die der AfD einen antieuropäischen Kurs vorwarfen, der Menschen gegeneinander ausspiele und so tue, als würde er sich für die Interessen der Geringverdiener einsetzen. Im Anschluss wurde die Vorlage zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales ist dabei federführend.
„Arbeitnehmer und Selbstständige entlasten“
Die AfD-Fraktion kritisiert in dem Antrag (19/10170), dass in kaum einem Land den Erwerbstätigen so wenig netto vom Brutto bleibe wie in Deutschland. Dies sei einer der Hauptgründe, warum Armut in einem reichen Land wie Deutschland ein Problem sei, schreibt die AfD. Sie fordert konkret, bis zu einer Sozialabgaben-Höhe von 300 Euro des Arbeitnehmeranteils im Monat die Arbeitnehmer vollständig von Sozialversicherungsbeiträgen zu befreien.
Bei Selbständigen sollen jeweils 50 Prozent der Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen als fiktionaler Arbeitnehmeranteil behandelt und ebenfalls steuerlich ersetzt werden, sofern die Betroffenen gesetzlich renten-, arbeitslosen- und krankenversichert seien. Die aus Steuermitteln geleisteten Ausgleichszahlungen an die Sozialversicherungen sollen den entlasteten Arbeitnehmern zugerechnet werden und keine Auswirkung auf die Höhe der Ansprüche von gesetzlich Versicherten aus der Renten- und Arbeitslosenversicherung haben. Die Arbeitgeberanteile sollen unberührt bleiben. Die Fraktion fordert außerdem, die Gleitzone bei den Midijobs abzuschaffen und das Teilhabechancengesetz ersatzlos zu streichen.
AfD: Lohnabstandsgebot wieder herstellen
Jörg Schneider (AfD) verteidigte den Antrag. Wer zum Mindestlohn Vollzeit arbeite, der zahle nach den Vorstellungen der AfD künftig keine Sozialabgaben mehr. Dadurch würde auch das Lohnabstandsgebot wieder hergestellt.
„Wir belohnen damit jene Menschen, die für harte Arbeit wenig Geld verdienen“, sagte Schneider. Außerdem biete der Antrag jenen eine Brücke, die bisher in der Schwarzarbeit ihr Geld verdienen.
CDU/CSU: Sie wollen Europa zerschlagen
Prof. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) warf der AfD vor, Menschen von staatlichen Transfers abhängig machen zu wollen, indem sie Versicherungs- und Fürsorgeleistungen vermische.
„Was sich im Antrag als Sorge um die kleinen Einkommen tarnt, ist in Wahrheit etwas ganz anderes. Des Pudels Kern ist: Sie wollen unser Europa zerschlagen“, sagte Zimmer. Die AfD versuche, Geringverdiener gegen Europa auszuspielen. „Aber nur in einem starken Europa können wir Arbeitsplätze sichern“, ergänzte er.
FDP: Unsachliche und abenteuerliche Ideen
Till Mansmann (FDP) stellte zwar fest, dass das Problem beim Lohnabstandsgebot existiere und warb dafür, die starren Verdienstgrenzen bei Hinzuverdiensten aufzuweichen. Die Vorschläge der AfD seien jedoch nicht sachlich und das Finanzierungsmodell „abenteuerlich“.
Die AfD tue so, als würde es den Bürgern helfen, wenn man die Lasten von den Sozialabgaben zu den Steuerlasten verschiebe, kritisierte er.
SPD: Der Antrag ist ein Täuschungsmanöver
Angelika Glöckner (SPD) warf der AfD ebenfalls ein Täuschungsmanöver vor. Es gehe der Fraktion keineswegs um kleine Einkommen, sondern um Diffamierung und Nationalismus.
Die AfD behaupte, dass die Sozialabgaben die entscheidende Stellschraube zur Armutsbekämpfung sei. Tatsächlich bekämpfe man Armut aber mit besseren Löhnen und Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Darüber finde sich jedoch in dem Antrag kein Wort, sagte Glöckner.
Linke: AfD ist gegen einen armutsfesten Mindestlohn
Susanne Ferschl (Die Linke) betonte, anders als es der Antrag weismachen wolle, hätten Arbeitnehmer von der AfD wenig zu erwarten. Der Antrag laufe letztlich auf ein steuerfinanziertes Förderungsprogramm für den Niedriglohnsektor hinaus.
Die AfD sage kein Wort zu notwendigen Einschränkung von Leiharbeit und Befristung oder zur Tarifbindung. Schlimmer noch, die Antragsteller seien gegen einen armutsfesten Mindestlohn. „Behaupten Sie doch nie wieder, Arbeitnehmerrechte zu vertreten“, empörte sich Ferschl.
Grüne: Arbeitnehmer vor Lohn-Dumping schützen
Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen) sagte: „Wenn man über Armut redet, dann muss man erst mal über die Höhe von Löhnen, über eine stärkere Tarifbindung und einen höheren Mindestlohn reden.“ Sie forderte einen europäischen Mindestlohn, der auch die Arbeitnehmer in Deutschland vor einem falschen Dumpingwettbewerb schütze.
Aber das könne die AfD aus ideologischen Gründen natürlich nicht so sehen und bediene sich dagegen des typischen Prinzips, Menschen gegeneinander auszuspielen, sagte Hajduk. (che/16.05.2019)