Vom BAföG sollen wieder mehr Studierende profitieren
Die Bundesregierung will das BAföG erhöhen. Um den gestiegenen Lebenshaltungskosten gerecht zu werden, hat die Bundesregierung jetzt den Entwurf eines 26. Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (26. BAföGÄndG) (19/8749) vorgelegt, der am Freitag, 5. April 2019, in erster Lesung debattiert und im Anschluss – ebenso wie zwei Unterrichtungen durch die Bundesregierung (19/275, 19/576) – zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen wurde.
Die Opposition äußerte sich kritisch gegenüber dem Entwurf. Dr. Götz Frömming (AfD) sprach von mangelnder Kreativität, Jens Brandenburg (FDP) sagte, der Entwurf gehe an der Lebenswirklichkeit der Studierenden vorbei, Nicole Gohlke (Die Linke) verlangte eine grundlegende Reform und Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) forderte Bundesministerin Anja Karliczek (CDU) auf, zu „klotzen statt zu kleckern“.
Ministerin: Mehr BAföG für mehr junge Menschen
Anja Kaliczek sagte: „Mehr BAföG für mehr junge Menschen“, so lasse sich die BAföG-Novelle auf den Punkt bringen. Gerade in Zeiten des digitalen Wandels und des zunehmenden internationalen Wettbewerbs sei es entscheidend, in die Zukunft der Kinder, des Landes und des Standorts zu investieren. Angesichts zunehmend knapper werdender Kassen sei es wichtig, Prioritäten in Innovation, Forschung, Bildung und Zukunftsinvestitionen zu setzen.
Nach dem Entwurf sollen die Bedarfssätze bereits zu Beginn des Wintersemesters 2019 um fünf Prozent von jetzt maximal 735 Euro auf 853 Euro steigen. 2020 soll der Höchstbetrag noch einmal um zwei Prozent auf 861 Euro angehoben werden. Der Grundbedarf wird ab dem Wintersemester 2019 419 Euro betragen, die Wohnpauschale 250 Euro. Für Karliczek steht vor allem im Mittelpunkt, dass „jeder junge Mensch die Chance auf eine gute Bildung“ hat. Zudem würde mit dieser Reform vor allem die Mitte der Gesellschaft in den Blick genommen. Viele Familien, die bislang knapp über den Einkommensgrenzen lägen, würden in Zukunft vom BAföG profitieren.
AfD wirbt für elternabhängiges BAföG
Götz Frömming (AfD) betonte, dem eigentlichen Sinne nach sei das BAföG eine Sozialleistung: „Es ist kein Selbstzweck. Es ist auch kein Kriterium, an dem sich die Qualität unseres Bildungssystems ablesen ließe.“ Frömming warb für ein elternabhängiges BAföG, bei dem nur diejenigen BAföG bekommen, die es auch wirklich brauchen. Gleichwohl sei die AfD mit der Großen Koalition einig, dass das BAföG an die allgemeine Preisentwicklung angepasst werden musste. „Das war überfällig“, sagte Frömming.
Darüber fehle dem Antrag der Regierungskoalition allerdings jegliche Kreativität, um das BAföG von Grund auf zu reformieren und attraktiver zu machen. Die AfD möchte das BAföG in Teilen zu einer Art Stipendium umbauen, bei dem diejenigen Studenten, die besonders leistungsstark sind, das Darlehen bis zu 100 Prozent erlassen bekommen. Bei Kindererziehung während des Studiums oder bei gesellschaftlichem Engagement könnte auch ein Teil der BAföG-Rückzahlung erlassen werde. Nach Ansicht der AfD entfiele so die „Angst vor der Zwangsverschuldung“.
SPD: Situation für Studierende verbessern
„Wie wollen die Situation für Studierende verbessern“, sagte Lars Klingbeil (SPD). Es sei eine wichtige Weichenstellung, die Situation für Studierende zu verbessern. Mit der Reform solle nicht nur die Abwärtsdynamik gestoppt werden, sondern es solle auch erreicht werden, dass mehr Studierende an die Hochschulen kommen. Zudem betonte er, dass Deutschland Spitzenkräfte braucht: „Wir dürfen nicht auf die schlauen Köpfe, die schlummernden Talente verzichten, die sich ein Studium nicht selbst leisten können und auf die Unterstützung des Staates angewiesen sind.“
Deutschland brauche mehr Know-how in der Gesellschaft und verwies auf China, das massiv in Hochschulen investiert habe. Allein in diesem Jahr würden 8,3 Millionen Menschen das Studium in China abschließen. Er sagte: „Wenn wir mithalten wollen mit anderen Ländern, müssen wir auf die Potenziale in diesem Land setzen.“
FDP: Förderquote eingebrochen
Jens Brandenburg (FDP) warf der Bundesregierung vor, dass das BAföG immer weniger Studierende erreiche. Ausgerechnet bei Erstakademikern sei die Förderquote von 40 Prozent auf 27 Prozent eingebrochen. Zudem sei das BAföG so kompliziert geworden, dass niemand mehr seriös sagen könne, wie hoch der Bescheid ausfallen werde. Die größten Probleme hätten diejenigen, deren Eltern für das BAföG zu viel, aber für die volle Studienfinanzierung zu wenig verdienen. 40 Prozent der Nicht-BAföG-Empfänger seien neben dem Studium auf umfangreiche Nebentätigkeiten heute schon angewiesen.
Die FDP wirbt für eine grundlegende Reform einer elternunabhängigen Ausbildungsförderung. Sie plädiert dafür, ein Baukasten-BAföG für Studenten einzuführen. So solle die Ausbildungsförderung möglichst flexibel gestaltet werden. „Wir wollen weltbeste Bildung für jeden, unabhängig von der sozialen Herkunft“, sagte Brandenburg.
Linke: Reform kommt zu spät
„Die BAföG-Reform kommt zu spät und sie fällt zu gering aus“, warf Nicole Gohlke (Die Linke) der Großen Koalition vor. Das gehe auf Kosten der jungen Genration und untergrabe den sozialen Ausgleich der Gesellschaft. Das BAföG sei einmal eines der bedeutendsten Instrumente für sozialen Ausgleich gewesen, es sei einst die Möglichkeit schlechthin für junge Menschen gewesen, trotz geringer Einkommen der Eltern, trotzt nicht akademischer Elternhäuser eine gute Ausbildung zu erhalten und ein Studium aufnehmen zu können.
Sie sagte: „Dieses großartige Instrument verliert unter der Großen Koalition jedes Jahr an Bedeutung. Das ist nicht nur eine bildungspolitische, sondern auch eine sozialpolitische Katastrophe.“ Zudem sprach sie die hohen Mieten und die fehlenden Studentenwohnheime an und forderte, dass Studenten so unterstützt werden, dass sie an allen Hochschulstandorten studieren können und eine bezahlbare Bleibe finden.
Gohlke forderte die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass die BAföG-Fördersätze auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben und regelmäßig dynamisiert werden. Die Wohnpauschale solle dem örtlich unterschiedlichen Mietniveau für studentischen Wohnraum angepasst werden.
Grüne: Halbgare Novelle
Kai Gehring (Bündnis 90/ Die Grünen) warf der Großen Koalition vor, eine halbgare Novelle vorzulegen statt eine Strukturreform anzugehen. „Das reicht einfach nicht“, sagte Gehring und kündigte an: „Ihren Entwurf wird der Bundestag überarbeiten müssen, damit tatsächlich ein Plus für Bildungsgerechtigkeit herauskommt.“ Nur noch 13 Prozent der Studierenden erhielten BAföG. Allein zwischen 2013 und 2017 sei die Zahl der BAföG-Empfänger um 200.000 gesunken. Das sei „ein verheerender Abschwung und Folge Ihrer miserablen BAföG-Politik“.
Wo Studienfinanzierung versage, werde am Nötigsten gespart. Laut Auskunft des Deutschen Studentenwerks lägen bei den einkommensschwächsten Studierenden die Ausgaben für das Essen zum Teil unter dem physiologischen Existenzminimum. Gehring sagte: „Das heißt, einige sparen sich das Studium vom Munde ab. Das ist eine Schande für unser reiches Land.“
CDU/CSU gegen automatische BAföG-Anpassung
Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) lobte den Gesetzentwurf und sagte: „Die Union ist der Garant für ein leistungsfähiges BAföG und für eine gute Zukunft vieler junger Studierender, die sich sonst ein Studium nicht leisten könnten.“
Dafür nehme die Bundesregierung zusätzlich 1,2 Milliarden Euro in die Hand. Damit wolle die Große Koalition bis zum Jahr 2021 eine Trendumkehr bei den Geförderten erreichen. Er wandte sich gegen einen Automatismus in der BAföG-Anpassung.
„Überproportionale“ Anhebung des Wohnzuschlags
Die Regierung plant, die Bedarfssätze jeweils zu Beginn des Schuljahres beziehungsweise des Wintersemesters 2019 um fünf Prozent und 2020 um zwei Prozent anzuheben – bei „überproportionaler Anhebung des Wohnzuschlags“, der für auswärts wohnende Studierende künftig 325 Euro betragen soll. Die Einkommensfreibeträge sollen im Jahr 2019 um zunächst sieben Prozent und im Jahr 2020 um drei Prozent sowie im Jahr 2021 um sechs Prozent erhöht werden.
Der Vermögensfreibetrag für eigenes Vermögen soll mit der zweiten Novellierungsstufe im Jahr 2020 von derzeit 7.500 Euro auf künftig 8.200 Euro angehoben werden. Die Vermögensfreibeträge für Auszubildende mit Unterhaltspflichten gegenüber eigenen Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern sollen laut Bundesregierung zugleich von derzeit jeweils 2.100 Euro auf 2.300 Euro angehoben werden.
Kranken- und Pflegeversicherungszuschläge
Da aufgrund der angehobenen BAföG-Sätze auch die Pflichtbeiträge der Studierenden zur Kranken- und Pflegeversicherung gestiegen sind, will die Regierung auch die Kranken- und Pflegeversicherungszuschläge erhöhen.
Zudem sollen besonders für Auszubildende, die in der Regel ab dem 30. Lebensjahr nicht mehr in der Krankenversicherung der Studierenden versicherungspflichtig sind und als freiwillig Versicherte höhere Beiträge zahlen müssen, künftig entsprechend höhere Zuschläge vorgesehen werden.
Oppositionsanträge überwiesen
Ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Bundesausbildungsförderungsgesetz von Grund auf reformieren“ (19/8990), ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Elternunabhängiges Baukasten-BAföG für eine zukunftsfähige Studienförderung“ (19/8956) und ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Von BAföG muss man leben können – Für mehr Bildungsgerechtigkeit“ (19/8967) wurden gleichfalls an den federführenden Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.
Antrag der AfD
Die AfD will das BAföG auch künftig als individuelle Ausbildungsförderung gewähren. Sie solle als Zuschuss mit bis zu 485 Euro monatlich eltern- und einkommensabhängig so lange gewährt werden, wie die Ausbildungsleistungen den Anforderungen eines ernsthaften Bemühens um Ausbildungserfolg und -abschluss genügen.
Die Förderhöchstdauer für ein Hochschulstudium umfasse in der Regel zehn Semester plus zwei Prüfungssemester, Studienaufenthalte in der EU und im übrigen Ausland. Die Zuschüsse sollen vom Bund getragen, das Darlehen von bis zu 450 Euro monatlich und unverzinslich von der Deutschen Ausgleichsbank ausgereicht werden. Fünf Jahre nach Abschluss der Förderung sollen die Darlehensschulden zurückgezahlt werden müssen, heißt es in dem Antrag.
Antrag der FDP
Die FDP will eine Förderung unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern des oder der Studierenden. Die elterliche Unterhaltspflicht gegenüber volljährigen Kindern im Studium solle aufgehoben werden. Als monatliche Förderung empfiehlt sie 200 Euro, die als Vollzuschuss an volljährige Studierende gezahlt werden. Dieser BAföG-Sockel solle während des Studiums bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gezahlt werden und nicht zurückgezahlt werden müssen.
Darüber hinaus will die FDP einen BAföG-Zuschuss von monatlich 200 Euro gewähren, wenn die volljährigen Studierenden im Jahresdurchschnitt mindestens zehn Wochenstunden in einer entgeltlichen Nebenbeschäftigung oder in einem anerkannten Ehrenamt tätig oder durch die Pflege naher Angehöriger oder die Erziehung eigener Kinder gebunden sind Auch solle ein Zuschuss bis zu einem Jahr lang während studienbedingter Auslandsaufenthalte gewährt werden, die nicht aus Mitteln des Erasmus+-Programms der EU gefördert werden können.
Antrag der Linken
Die Linke fordert die Bundesregierung auf, die BAföG-Fördersätze auf ein existenzsicherndes Niveau anzuheben und regelmäßig zu dynamisieren. Die Wohnpauschale solle den örtlich unterschiedlichen Mietniveaus für studentischen Wohnraum entsprechend gewährt werden. Auch solle die BAföG-Förderung wieder als Vollzuschuss ausgezahlt werden. Die Altersgrenzen will die Fraktion abschaffen.
Zur Begründung heißt es, das BAföG verliere seit vielen Jahren an Bedeutung. Die Zahl der Geförderten sinke, die Fördersätze deckten die realen Lebenshaltungskosten Studierender bei Weitem nicht ab. Die Folgen seien eine hohe soziale Spaltung beim Zugang zu berufsqualifizierender Bildung, hohe nervliche und finanzielle Belastungen der Studierenden, eine hohe Erwerbstätigkeit neben dem Studium und Schulden am Ende von Studium und Ausbildung. (rol/hau/vom/05.04.2019)