Die Bundesregierung will den Lebensunterhalt von Asylbewerbern, Geduldeten und Menschen mit Aufenthaltserlaubnis, die eine Ausbildung absolvieren, besser absichern. Dafür soll das Asylbewerberleistungsgesetz (19/10052) geändert werden. Gleichzeitig sollen Asylbewerber mit Aufenthaltsgestattung und Geduldete stärker unterstützt werden, die sich um Ausbildung und Arbeit bemühen; dafür hat die Regierung einen Entwurf für ein Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz (19/10053, 19/10527) vorgelegt. Beide Vorlagen waren am Montag, 3. Juni 2019, Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Leitung des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Matthias W. Birkwald (Die Linke).
Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes
Geplant ist, die Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Basis der Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2013 und des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe neu zu berechnen. Bisher werden nach Ablauf der Aufenthaltsdauer von 15 Monaten die Leistungssätze im Asylbewerberleistungsgesetz so berechnet wie in der Sozialhilfe (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB XII). Wer sich in einer Ausbildung befindet oder ein Studium absolviert und auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist, muss anstelle von Sozialhilfe eine Ausbildungsförderung (BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe) beantragen. Diese steht allerdings vielen Flüchtlingen nicht offen – sie fallen in eine „Förderlücke“. Bislang hat das aus finanziellen Gründen zu Ausbildungs- und Studienabbrüchen geführt. Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung diese Situation beenden, indem der Leistungsausschluss nach Paragraf 22 des SGB XII bei Asylbewerbern, Geduldeten und Menschen mit bestimmter Aufenthaltserlaubnis, die sich in einer förderfähigen Ausbildung befinden, nicht mehr angewendet wird.
Im Rahmen der Anpassung der Bedarfssätze wird eine neue Bedarfsstufe für die Unterbringung in Sammelunterkünften eingeführt. Die Anteile für Strom und Instandhaltungskosten werden aus den Bedarfssätzen für den notwendigen Bedarf im Asylbewerberleistungsgesetz ausgegliedert, weil diese Kosten von den Leistungsbehörden als Sachleistungen erbracht werden. Zwar wird beispielsweise das Taschengeld für eine alleinstehende Person erhöht, gleichzeitig sinkt aber der Gesamtbetrag dieser Bedarfsstufe 1 um zehn Euro von 354 Euro auf 344 Euro pro Monat und liegt damit deutlich unter den Regelsätzen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Förderung der Beschäftigung von Ausländern
Mit dem zweiten Gesetzentwurf will die Bundesregierung den Zugang von Ausländern zur Förderung einer Berufsausbildung oder Berufsvorbereitung nach dem SGB II und SGB III (Zweites und Drittes Buch Sozialgesetzbuch) vereinfachen. Außerdem soll die Sprachförderung des Bundes für weitere Personengruppen geöffnet werden, um ihnen die Aufnahme einer möglichst bedarfsdeckenden Beschäftigung zu erleichtern.
Auch Flüchtlinge, bei denen noch nicht klar ist, ob sie dauerhaft in Deutschland bleiben, sollen ihren Lebensunterhalt möglichst selbst verdienen können. Im Einzelnen sieht der Gesetzentwurf einen besseren Zugang zu Integrations- und berufsbezogenen Sprachkursen sowie zur Ausbildungsförderung vor. Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive werden frühzeitig für die Arbeitsaufnahme gefördert.
„Schicksalsgemeinschaft, die so nicht besteht“
Für den Deutschen Anwaltverein kritisierte Eva Steffen, die Regierung habe „quasi eine Neuauflage eines Gesetzes gemacht, das 2016 schon gescheitert“ sei, weil die Bedarfsstufen mit der Regelung „nicht akzeptabel sind“. Die Neufestsetzungen seien nicht in Ordnung, weil eine neue Bedarfsstufe geschaffen werde „mit einer Begründung, die rechtlich einfach nicht haltbar ist“. Die vorgesehene Kürzung wäre nur im Fall einer häuslichen Gemeinschaft zu rechtfertigen, in der die Partner füreinander einstehen – dies sei bei Fremden nicht der Fall. Hier werde eine „Schicksalsgemeinschaft“ konstruiert, „die so nicht besteht“.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte die Kürzungen als „sachlich nicht zu begründen und sozialpolitisch nicht vertretbar“. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gelte für alle Menschen; der Entwurf aber ziele in eine „diametral andere Richtung“. Claudius Voigt vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband bemängelte, die Regelung für Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften sei „an den Haaren herbeigezogen“ und „verfassungswidrig“.
Die Einzelsachverständige Christina Langer kam dagegen zu dem Schluss, die Änderungen seien, „soweit sie die Anpassung der Leistungssätze für Grundleistungsbezieher beinhalten, verfassungsrechtlich zwingend erforderlich“.
Frühe Sprachförderung positiv bewertet
Positiv haben die Sachverständigen das Ziel bewertet, Geflüchteten eine frühe Sprachförderung zu gewähren. Dies sei „sehr sinnvoll“, so so Philipp Jaschke vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Auch Markus Biercher von der Bundesagentur für Arbeit sagte, Arbeitsmarktnähe und Integrationsfähigkeit könnten „vor allen Dingen durch sprachliche Förderung“ entstehen; dies zeige die Erfahrung. Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sagte Jürgen Wuttke, man begrüße „sehr“ die Öffnung der Ausbildungsförderinstrumente.
Auf die Frage nach möglichen Pull-Faktoren sagte Uta Saumweber-Meyer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, es könne „dem Grunde nach“ ein Anreiz gegeben sein, „bestimmte Integrationsleistungen gemacht zu haben und trotzdem, obwohl man kein Asyl bekommt, dann ein Aufenthaltsrecht zu bekommen“. Für den Deutschen Landkreistag führte Markus Keller aus, „sehr plausibel“ seien die Bemühungen des Gesetzgebers, an die Bleibeperspektive anzuknüpfen und zwischen Menschen zu unterscheiden, die bleiben dürfen und sollen, bei denen man intensive Integrationsbemühungen unternehme, und denen, die bleiben dürften, weil man sie nicht außer Landes schaffen „kann und will“.
„Größere Systematisierung sehr sinnvoll“
Weil ein Wirrwarr unterschiedlicher Zugangsvoraussetzungen und -fristen für die Praktiker im Handwerk schwierig wäre, sei eine größere Systematisierung, wie im Gesetz vorgesehen, sehr sinnvoll, betonte Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. Dies dürfte die Ausbildung von Geflüchteten „deutlich befördern“. Dr. Barbara Weiser vom Caritasverband bemängelte dagegen, dass das Ziel des vorzeitigen Zugangs zur Ausbildungsförderung „dadurch konterkariert wird, dass Arbeitsverbote ausgedehnt werden“, etwa durch die Verpflichtung, dass Asylsuchende bis zu zwei Jahren in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben müssten.
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration kam in seiner Stellungnahme zu dem Urteil, der Gesetzesentwurf füge „sich ein in eine mittlerweile deutlich erkennbar hervortretende Grundlinie der Bundesregierung, Integrationsengagement von Schutzsuchenden zu prämieren“. Insgesamt werde eine „politische Balance im Zielkonflikt zwischen Integrationsförderung und Migrationssteuerung erreicht“. (suk/04.06.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Deutscher Gewerkschaftsbund
- Markus Biercher, Bundesagentur für Arbeit
- Uta Saumweber-Meyer, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
- Philipp Jaschke, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit
- Jürgen Wuttke, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
- Jan Dannenbring, Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V.
- Markus Keller, Deutscher Landkreistag
- Eva Steffen, Deutscher Anwaltverein e.V.
- Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration GmbH
- Claudius Voigt, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V.
- Dr. Barbara Weiser, Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V.
- Christina Langer, Stuttgart