Auswärtiges

Wie organisierte Kri­mi­na­li­tät die Be­frie­dung von Kon­flik­ten un­ter­mi­niert

Drogenschmuggel, Menschenhandel, Piraterie, undurchsichtige Finanzströme – organisierte Kriminalität in all ihren Erscheinungsformen hat sich zu einem großen Problem für die internationalen Bemühungen bei der Befriedung bewaffneter Konfliktherde entwickelt. Daher hatte der Unterausschuss „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ des Auswärtigen Ausschusses das Thema „Organisierte Kriminalität und Korruption im Kontext bewaffneter Konflikte“ am Montag, 8. April 2019, auf die Tagesordnung gesetzt.

„Organisierte Kriminalität ein zentraler Faktor“

Wie trägt organisierte Kriminalität zur Eskalation von Konflikten bei? Wie stark sind kriminelle Strukturen mit staatlichem Handeln verflochten? Und: Was können Länder wie Deutschland dem entgegensetzen, wollten die Mitglieder des Gremiums unter dem Vorsitz von Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen) in dem öffentlichen Fachgespräch von den geladenen Sachverständigen wissen.

Kriminalitätsbekämpfung gehöre eigentlich nicht zu seinem Aufgabenspektrum, sagte Clemens Hach, Referatsleiter Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge im Auswärtigen Amt. „Unsere Aufgabe ist es, weltweit staatliche und politische Instabilität zu bekämpfen. Aber organisierte Kriminalität ist mittlerweile ein zentraler Faktor in der internationalen Politik geworden.“ Sie greife das Immunsystem von Staaten auf allen Ebenen an, über Grenzen und Kontinente hinweg, behindere die Krisenreaktionsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft und unterminiere Friedensprozesse und Staatsaufbau in Ländern wie Kolumbien, Libyen oder Mali.

„Widerstandskräfte der staatlichen Rechtssysteme stärken“

„Wir sprechen über eine Marktmacht des organisierten Verbrechens in einer Größenordnung von umgerechnet 500 bis 800 Milliarden US-Dollar pro Jahr“, sagte Hach. Zwischen den kolumbianischen Drogenproduzenten und den Absatzmärkten in aller Welt verliere sich beispielsweise eine Spur von 100 Milliarden Dollar – dazwischen liege eine Menge von Krisenstaaten, in denen sich die Händler mit schmutzigem Geld Zugang zu Behörden kauften und so erheblichen Einfluss auf die Politik gewännen.

„Wir versuchen durch Projektarbeit vieles in den Griff zu kriegen, um die Widerstandskräfte der staatlichen Rechtssysteme zu stärken und die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden zu verbessern“, so Hach. Noch besser werden wolle man bei der Analyse der kriminellen Geldströme, um genauer zu verstehen, wo der Einfluss in die politischen Systeme unserer Zielländer liege, und dann international noch strategischer vorgehen und den Geldhahn zudrehen zu können.

„Führende Köpfe auf Sanktionslisten setzen“

Dr. Judith Vorrath von der Stiftung Wissenschaft und Politik bestätigte dass organisierte Kriminalität zu einen immer größeren Problem für die internationale Politik geworden sei. Das Phänomen habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten Eingang in alle wesentlichen Dokumente zur Konfliktbewältigung gefunden und beschäftige beispielsweise immer häufiger den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, besonders dort, wo sich die Staatengemeinschaft um die Herstellung von Frieden und Sicherheit bemühe.

In Ländern wie Afghanistan, Libyen, Mali oder Somalia und im Zusammenhang mit dem Schmuggel von Rohstoffen sei das organisierte Verbrechen geeignet, Konflikte zu verschärfen. Erschwert werde die Bekämpfung dadurch, dass die gängigen Ansätze der Strafverfolgung nicht funktionierten, aber auch durch die häufige Verquickung mit politischen Interessen.

Um organisierte Kriminalität auszutrocknen, könne man wie in Libyen deren führende Köpfe auf Sanktionslisten setzen. Entscheidend sei bei der Konfliktbeilegung aber vor allem die Phase der Friedensverhandlungen, damit es zu keinem „kriminalisierten Frieden“ komme. Bei der Neuverteilung der Macht gelte es alle Akteure zu berücksichtigen. So lasse sich illegalen Strukturen von vornherein der Boden entziehen.

Machtvakuum in Kolumbien

Wie eine illegale Ökonomie auf lokaler Ebene, in Regionen fragiler Staatlichkeit, entstehen konnte, darüber berichtete Christoph Heuser von der Friedrich-Ebert-Stiftung aus Kolumbien. 26 kriminelle nichtstaatliche Gewaltakteure seien in dem Land im Bereich des Drogenhandels aktiv. Der Staat habe dort ein Machtvakuum hinterlassen. Man beobachte die Ausdehnung des Drogenhandels und einen Anstieg von Gewalt. Aber die dortige Regierung zeige kein Interesse, an dieser Situation etwas zu ändern.

Die internationale Politik stehe vor einer riesigen Herausforderung. Vor allem die Entwicklungszusammenarbeit sei hier gefragt. Es gehe nicht nur darum, Sicherheitsaspekte zu bearbeiten, sondern auch darum, grundlegende Infrastrukturen aufzubauen, die Präsenz staatlicher Institutionen zu verbessern und den Menschen Zugang zum Rechtssystem zu verschaffen. Landwirte müssten Alternativen zum Drogenanbau erhalten, von denen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. (vom/09.04.2019)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Christoph Heuser, Friedrich-Ebert-Stiftung 
  • Dr. Judith Vorrath, Stiftung Wissenschaft und Politik