Verteidigung

Von der Leyen: Deutsch­land zu stei­gen­den Ver­tei­di­gungs­ausgaben bereit

Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) hat Zweifel von Nato-Partnern an der Bereitschaft Deutschlands zu steigenden Verteidigungsausgaben zurückgewiesen. In der Bundestagsdebatte zum 70-jährigen Bestehen des Nato-Bündnisses bekräftigte von der Leyen am Donnerstag, 4. April 2019, die Zusage, die Ausgaben bis zum Jahr 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen und danach das Ziel von zwei Prozent zu verfolgen. Während die Opposition von AfD und FDP in der Debatte Deutschlands fehlende Verlässlichkeit kritisierten, wandten sich Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gegen weitere Aufrüstungen im Bündnis.

Ministerin: Beim Beistandsversprechen sind wir gut

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bezeichnete das Bündnis als „Garant für Sicherheit und Freiheit in Europa“. Die Nato beruhe auf dem Prinzip der Glaubwürdigkeit des Bündnisversprechens und dem Prinzip fairer Lastenteilung. „Ich finde, beim Beistandsversprechen sind wir gut“, sagte von der Leyen: Deutschland sei der zweitgrößte Truppensteller in Afghanistan, zweitgrößter Nettozahler im Bündnis und schütze maßgeblich die östliche Grenze des Bündnisses.

Klar sei aber auch, dass die deutschen Anstrengungen auch für die Lastenteilung gelten müssten: „Deutschland muss mehr investieren in die Bundeswehr.“ Die Bundesregierung stehe klar hinter dem Ziel, bis 2024 mindestens 1,5 Prozent des BIP für Verteidigung zu investieren und wolle danach zwei Prozent anstreben.

AfD: Gestörte Selbstwahrnehmung

Rüdiger Lucassen (AfD) sprach mit Blick auf den Finanzplan des Bundes für die kommenden Jahre von „gestörter Selbstwahrnehmung“ in der Bundesregierung und einem „verteidigungspolitischen Offenbarungseid“. Deutschland breche alle Zusagen, die es gegenüber der Nato eingegangen sei.

Die Regierung Angela Merkels habe die Streitkräfte heruntergewirtschaftet, sodass sie als Ganzes nicht mehr einsetzbar seien. Nötig sei eine starke und einsatzbereite Bundeswehr in einer Nato, die nicht mehr zulasten der Verteidigungsfähigkeit als weltweites Interventionsbündnis zweckentfremdet werde, sagte Lucassen.

Auswärtiges Amt: Sicherheit nicht zum Nulltarif

Niels Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, erinnerte daran, dass noch vor einigen Jahren umstrittene Pläne existierten, die Nato zu einem globalen Bündnis zu machen. Mit der russischen Krim-Annexion habe sich das Bündnis wieder auf seine Kernfunktion, die Selbstverteidigung, zurückbesonnen.

Es sei klar, dass Deutschland Sicherheit nicht zum Nulltarif haben könne. Aber mehr zusätzliche Beträge für Rüstung und die Reduktion der Verteidigungsausgaben auf eine Prozentzahl würden der Diskussion nicht gerecht: Humanitäre Hilfe und Krisenprävention gehörten ebenso zum sicherheitspolitischen Profil.

FDP: Regierung setzt Sicherheit des Landes aufs Spiel

Bijan Djir-Sarai (FDP) kritisierte, dass die Finanzplanung der kommenden Jahre für die Verteidigungsausgaben weder Bündnissolidarität noch Verlässlichkeit demonstriere. Es sei Kern eines stabilen Bündnisses, dass sich Partner an Abmachungen halten.

„Das ist das Gegenteil von dem, was diese Bundesregierung gerade macht.“ Mit ihrer Zurückhaltung bei den Verteidigungsausgaben riskiere sie den Ruf Deutschlands bei den Partnern und setzte die Sicherheit des Landes aufs Spiel.

Linke: Nato-Bilanz verheerend

Heike Hänsel (Die Linke) nannte die Nato-Bilanz nach dem Kalten Krieg „verheerend“: das Bündnis maße sich an, außerhalb des Bündnis-Gebietes völkerrechtswidrig Krieg zu führen. „Das dient weder dem Frieden in der Welt noch verhindert es internationalen Terrorismus.“

Hänsel wandte sich gegen die Nato-Osterweiterung und eine  Konfrontation mit Russland. Angesichts der Aufkündigung des INF-Vertrages über die Vernichtung nuklearer Mittelstreckensysteme durch die USA und dann durch Russland drohe Europa wieder ein „potenzielles atomares Schlachtfeld“ zu werden. Nötig seien deshalb nicht neue Hochrüstungspläne, sondern es sei Zeit für eine neue Abrüstungspolitik.

Grüne: Nur aufrüsten schafft keine Sicherheit

Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Gewichtungen in den künftigen Bundeshaushalten: „Man schafft keine Sicherheit, wenn man nur aufrüstet und Diplomatie und Entwicklung zusammenstreicht.“ Die Bundesregierung müsse sich zudem ehrlich machen und eingestehen, dass der starre Bezug zum BIP keinen Sinn ergebe.

Bereits heute würden allein die europäischen Länder dreimal so viel für Verteidigung ausgeben wie Russland. „Deutschland wird die zwei Prozent nicht erfüllen, es gibt dafür keine militärische Notwendigkeit.“

Antrag von CDU/CSU und SPD angenommen

Eine Mehrheit von 324 Abgeordneten stimmte im sogenannten Hammelsprung-Verfahren aufgrund zunächst unklarer Mehrheitsverhältnisse für einen Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „70 Jahre NATO – Das Rückgrat der Euroatlantischen Sicherheit stärken“ (19/8940). 245 votierten mit Nein, es gab keine Enthaltung. CDU/CSU und SPD plädierten darin anlässlich des 70. Jahrestags der Nato-Gründung dafür, den europäischen Pfeiler innerhalb des Bündnisses stärken.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich für „Zusammenhalt und Einigkeit im Bündnis als Beitrag zur Aufrechterhaltung und Stärkung der regelbasierten internationalen Ordnung einzusetzen und transatlantische Lastenteilung weiterhin auch glaubwürdig umzusetzen“. Die Bundesrepublik müsse sich weiterhin zu den Vereinbarungen in der Nato bekennen, dem „Zielkorridor der Vereinbarungen“ folgen und „damit auch weiterhin einen wichtigen Beitrag zur fairen Lastenteilung im Bündnis leisten“.

Die Zusammenarbeit und Integration wollen die Fraktionen ambitioniert vorantreiben und dabei verstärkt auf die Standardisierung sowie die bessere Interoperabilität setzen. Ebenso soll die Regierung weiterhin substanzielle Beiträge zur Stärkung der kollektiven Verteidigung der Nato leisten und dabei als Rahmennation zur Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato Schlüsselfähigkeiten für die Partner zur Verfügung stellen.

Oppositionsanträge abgelehnt

Mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP, AfD und Bündnis 90/Die Grünen wurde ein Antrag der Linken mit dem Titel „70 Jahre NATO – Aufrüstung und Kriegspolitik beenden“ (19/8964) abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde mit dem Votum der Regierungsfraktionen, der AfD, der Linken und Bündnis 90/Die Grünen ein Antrag der FDP mit dem Titel „Ein klares Bekenntnis zur NATO – Das transatlantische Sicherheitsbündnis für die Zukunft stärken und weiterentwickeln“ (19/8954).

Darüber hinaus stimmte das Parlament mit den Stimmen von CDU/CSU, AfD, FDP und der Fraktion Die Linke gegen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „70 Jahre NATO“ (19/8979).

Antrag der FDP

Die FDP wollte, dass sich die Bundesregierung uneingeschränkt zur Nato und ihren Werten und Zielen bekennt und alle eingegangenen Pflichten als Nato-Mitglied einhält. Die zugesagten Nato-Fähigkeitsziele seien zu erfüllen, Lücken zu schließen und langfristig sei anzustreben, dass drei Prozent des BIP für Äußeres, Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben werden.

Zusammen mit den Nato-Staaten sollte eine Strategie für den Umgang mit China entwickelt werden, hieß es weiter. Im Bündnis und gegenüber Russland sollte die Regierung sich für die Wiederbelebung eines Dialogs über konventionelle Rüstungskontrolle in Europa einsetzen.

Antrag der Linken

Die Linke forderte die Bundesregierung auf, die nukleare Teilhabe zu beenden, den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzuleiten und die Bundesrepublik durch den Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag für atomwaffenfrei zu erklären. Ebenso sollte der Austritt der Bundesrepublik aus den militärischen Strukturen der Nato erklärt werden. Die militärischen Infrastrukturen der Nato und ihrer Verbündeten wie die US-Luftwaffenbasis Ramstein, das Nato-Hauptquartier in Ulm und den Awacs-Flughafen in Geilenkirchen wollte die Fraktion schließen. 

Schließlich sollte sich die Regierung für die Auflösung der Nato und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem in Europa unter Einbeziehung Russlands, das Abrüstung als zentrales Ziel hat, einsetzen.

Antrag der Grünen 

Die Grünen forderten die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, ihr politisches Gewicht zu nutzen, um Verstöße von Bündnispartnern gegen Völkerrecht und die Grundwerte der Nato klar zu benennen und auf Konsequenzen zu dringen. Eine Erhöhung der Verteidigungshaushalte auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei abzulehnen. Die Lastenteilung im Bündnis sollte nicht nur durch konkrete Beiträge, sondern durch eine besser aufeinander abgestimmte Planung und den Abbau von Dopplungen von Waffen und Material verbessert werden. Auch sollte sich das Bündnis wieder auf seine Verteidigung konzentrieren.

Die Grünen wollten ferner, dass die Nato konkrete Beiträge wie das Air Policing (Luftraumüberwachung) oder die rotierende Präsenz im Baltikum zur Rückversicherung leistet. Geklärt werden müsste das Zusammenspiel von Nato und EU und dafür notwendiger Schnittstellen und Kommunikationswege. Im Übrigen sollte sich die Regierung für konventionelle sowie nukleare Abrüstung einsetzen, indem sie unter anderem für den Abzug der US.-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland und Europa und für eine klare Abkehr von den Modernisierungsplänen und für neue Abrüstungsinitiativen eintritt. (ahe/vom/vst/04.04.2019)