Martin Reichardt fordert Kindergelderhöhungen in 100-Euro-Schritten
Martin Reichardt, Obmann der AfD im Familienausschuss des Bundestages, fordert eine Erhöhung des Kindergeldes „in der Größenordnung von 100-Euro-Schritten“. Das Ziel der Familienpolitik müsse es sein, die Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung in Deutschland wieder zu erhöhen, um die demographische Krise aufzuhalten. „Familien müssen wieder den Mut haben, mehr Kinder zu bekommen und Kinder nicht als Armutsrisiko betrachten zu müssen“, sagt Reichardt in einem am Montag, 18. Februar 2019, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“. Finanzieren will Reichardt die Kindergelderhöhungen mit den Milliarden, die die Regierung „in die Energiewende und den sogenannten Klimaschutz“ steckte. Das Interview im Wortlaut:
Herr Reichardt, Sie haben das von Familienministerin Franziska Giffey vorgelegte Starke-Familien-Gesetz als „Mogelpackung“ bezeichnet. Nun sieht das Gesetz ja sehr konkrete Erhöhungen von Leistungen für einkommensschwache Familien mit Kindern vor. An welcher Stelle mogelt denn die Regierung?
Die Mogelei besteht darin – darauf haben auch die anderen Oppositionsfraktionen hingewiesen –, dass die Bundesregierung einen großen Wurf angekündigt hat, aber letztlich bei den betroffenen Menschen nur Beträge von 20 oder 30 Euro pro Monat ankommen. Die helfen doch niemandem wirklich. Die Regierung benennt immer gerne absolute Beträge in Milliardenhöhe, die sie zur Verfügung stellt. Umgekehrt rechnet sie aber nie vor, was konkret bei den einzelnen Menschen ankommt. Aus meiner Sicht, weil sie sich zu Recht der Zahlen schämt.
Sie wollen also mehr Geld für die Familien?
In der Tat ist auf allen Ebenen mehr Geld für Kinder und Familien erforderlich. Als AfD haben wir ein klares familienpolitisches Ziel. Die anderen Parteien bewegen sich ja eher im Bereich des „Social Engeneering“: Da sollen mehr Mütter in Arbeit gebracht werden und Väter zurücktreten im Zuge irgendeiner Vorstellung von Gleichberechtigung. Wir wollen hingegen eine aktivierende Familienpolitik, um die einheimischen Geburtenraten wieder zu erhöhen. Familien müssen wieder den Mut haben, mehr Kinder zu bekommen und Kinder nicht als Armutsrisiko betrachten zu müssen. Rund 27 Prozent der Familien mit mehreren Kindern sind von Armut bedroht. Bei den Alleinerziehenden sind es sogar 44 Prozent. Da muss ein grundlegender Wandel stattfinden.
Und was bedeutet das nun konkret? Wie soll dieser grundlegende Wandel aussehen?
Zunächst muss das Problem einmal klar benannt werden. Heute wird euphemistisch über den demographischen Wandel gesprochen. In Wirklichkeit ist das aber eine demographische Krise, wenn nicht gar eine Katastrophe. Der Geburtenrückgang kann nicht durch Einwanderung ausgeglichen werden. Es muss eine Strategie gefunden werden, wie wir zu einer ausreichenden Kinderzahl in der einheimischen Bevölkerung kommen. Der Fokus muss von der herbeigeredeten, angeblich menschengemachten Klimakatastrophe auf die tatsächlich vorhandene demographische Katastrophe gelegt werden. Es muss ein völlig neuer familienpolitischer Ansatz gefunden werden. Wir haben 270 familienpolitische Maßnahmen, die sich mitunter widersprechen und die kein übergeordnetes strategisches Ziel verfolgen.
Wie viel Geld wollen Sie den Familien, die derzeit Kinderzuschlag erhalten, um über die Grenze zur Bedürftigkeit zu gelangen, zur Verfügung stellen?
Zum einen müssen wir über eine wesentliche Erhöhung des Kindergeldes nachdenken. Die vergangene Erhöhung um zwei Euro oder die jetzt anstehende um 25 Euro verteilt über mehrere Jahre reicht nicht aus. An dieser Stelle müsste in der Größenordnung von 100-Euro-Schritten vorgegangen werden.
Nun profitieren von Kindergelderhöhungen aber gerade arme Familien im Hartz-IV-Bezug nur sehr gering, weil das Kindergeld angerechnet wird.
Richtig, deshalb müssen für diese Menschen die Zuwendungen analog erhöht werden. Ob dies immer Geldleistungen sein müssen oder zielgenaue Sachleistungen, dass muss diskutiert werden. In jedem Fall müssen aber spürbar mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Über was für einen Finanzrahmen reden wir denn bei einer Kindergelderhöhung in dieser Größenordnung?
Die Regierung steckt Milliarden in die Energiewende und den sogenannten Klimaschutz. Wenn man diese Gelder in die Familien investieren würde, können wir die demografische Krise meiner Meinung nach aufhalten.
Das Starke-Familien-Gesetz wird jetzt in den Ausschüssen beraten. Welche Nachbesserungen werden Sie konkret fordern?
Vor allem muss der Leistungsbezug deutlich unbürokratischer werden. Das haben ja auch die anderen Oppositionsfraktionen gefordert. Es kann ja nicht sein, dass selbst eine gelernte Buchhalterin mit Kindern mehrere Tage braucht, um die Antragsformulare auszufüllen, wie das in einer Fernsehdokumentation kürzlich gezeigt wurde. Und es kann auch nicht sein, dass diejenigen Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, die ganzen bürokratischen Hürden aus dem Weg geräumt bekommen, während jene Menschen, die schon lange in Deutschland leben, diese Unterstützung nicht erhalten. Zudem sollte der halbjährige Bewilligungszeitraum für den Kinderzuschlag verlängert werden. Da könnte man auch über ein Jahr nachdenken.
Aktuell wird vermehrt über die Einführung einer Kindergrundsicherung diskutiert. Ist dies ein Modell, dem Sie sich anschließen würden?
Die Kindergrundsicherung ist im Moment vor allem ein Schlagwort der SPD, das sie selbst noch nicht mit Leben erfüllt hat. Wenn wir das Kindergeld im ausreichenden Maß erhöhen, ist das letztlich ja auch eine Art von Kindergrundsicherung. Aber die Diskussion über Kindergrundsicherung ist mir derzeit zu plakativ. Niemand weiß genau, wie sie aussehen soll. Ich möchte den Begriff auch nicht verwenden, weil er dem System der aktuellen ziellosen Familienpolitik geschuldet ist.
Sie haben darauf hingewiesen, dass gerade Alleinerziehende oft von Armut bedroht sind. Nun hat ihre eigene Partei aber ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Alleinerziehenden. In ihrem Programm zur Bundestagswahl heißt es, „Unterstützung durch die Solidargemeinschaft sollte nur denjenigen Alleinerziehenden gewährt werden, die den anderen Elternteil nicht aus der Teilhabe an den Erziehungsverantwortung und praktischen Erziehungsleistung hinausdrängen“.
In unserem Programm sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass unser klassisches Familienbild von Vater, Mutter und Kindern geprägt ist und dass dies zu erhalten ist. Alleinerziehende sind in einer Notsituation. Das ist kein wünschenswerter Zustand, der – wie von anderen Parteien propagiert – gleichberechtigt neben der Normalfamilie stehen sollte. Aber wir wollen die Kinder alleinerziehender Eltern natürlich nicht finanziell schlechter stellen
Aber genau das tun sie doch, wenn sie bestimmten Alleinerziehenden die Hilfe der Solidargemeinschaft nicht gewähren wollen. Unter dem Strich trifft das doch die Kinder.
Wir haben an dieser Stelle sicherlich noch Diskussionsbedarf innerhalb der Partei. Aber die AfD will Kinder natürlich nicht bestrafen, nur weil Eltern sich nicht einig werden. Die Formulierung greift vor allem die Problematik des Scheidungsrechts auf. Wir sehen eine Schieflage, wenn es um die Rechte der Väter geht, weil das Scheidungsrecht meist die Mütter bevorzugt.
Ihre Fraktion fordert, dass Familien wieder von einem Gehalt leben können müssen. Führt es nicht verstärkt zu Altersarmut, vor allem von Müttern, wenn nur ein Elternteil arbeitet?
Auch an dieser Stelle müssen wir über grundlegende Reformen in unserem Sozialsystem sprechen. Es kann natürlich nicht sein, dass eine Mutter, die drei Kinder großgezogen hat, am Ende in die Altersarmut fällt. Die Erziehungsleistung muss im Renten- und Sozialsystem deutlich stärker berücksichtigt werden. Es muss ein Mütterrentensystem etabliert werden, dass die durch die Erziehungszeiten entstehende Deckungslücke schließt.
(18/02.2019)