Opposition kritisiert Regierungspläne zum digitalen Wandel scharf
Digitalisierung ist in der Bundesregierung eine Querschnittsaufgabe. Daher hat Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) die Umsetzungsstrategie „Digitalisierung gestalten“ (19/5810) vorgelegt, über die der Bundestag am Donnerstag, 21. Februar 2019 diskutierte. Im Anschluss wurde die Unterrichtung zur federführenden Beratung an den Ausschuss Digitale Agenda überwiesen.
Schwerpunkte der Regierungsstrategie
Anders als die „Digitale Agenda 2014-2017“ der Vorgängerregierung definiere die 154-seitige Umsetzungsstrategie mit 111 Maßnahmen Ziele und Schwerpunktvorhaben der Ministerien – teils auch mit Zeitplänen, sagte die Staatsministerin. „Die Strategie gibt es einmal ausgedruckt analog auf Papier und digital unter www.digital-made-in.de.“, sagte Bär. Ziel sei es, jeden Bürger in die Lage zu versetzen, den digitalen Wandel selbst mitgestalten zu können, sagte die Staatsministerin. Mit Blick auf den DigitalPakt Schule sei der Weg „für die digitale Bildung geebnet, aber damit können wir nicht zufrieden sein“, betonte Bär. Neben den klassischen Schulfächern brauche es „auch einen digitalen Kanon an Grundfertigkeiten wie Programmieren, Datenanalyse, Robotik, Kollaborationen aber auch digitale Ethik“, sagte sie.
Zur digitalen Transformation in Deutschland gehöre nicht nur eine Führungsposition in Forschung und an Universitäten, sondern auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Dort investiere man in zusätzliche 100 KI-Professuren sowie in Kofinanzierungen durch die Industrie und regionale Förderprogramme. „Digitalisierung ist aber nicht nur Technik, auch steht der Bürger im Mittelpunkt“, sagte Bär und verwies darauf, dass für einen digitalen Staat auch ein „digitaler Ruck durch Deutschland gehen muss“.
AfD kritisiert fehlendes Digitalministerium
Joana Cotar (AfD) kritisierte, dass es sich bei der Strategie um große Versprechen und Buzz-Wörter handele, die Realität sehe aber anders aus: „Digitalisierung ist in der Bundesregierung ein Querschnittsthema, das nicht wirklich ernst genommen wird“, sagte sie. Sie kritisierte, dass es kein Digitalministerium gebe, in dem die Fäden zusammenlaufen und dass der Staatsministerin ein eigenes Budget fehle – stattdessen gebe es viele Gremien, Referate, Kommissionen und Agenturen: „Alle wollen mitreden und niemand hat den Überblick. Etwas zur Chefsache zu erklären, sieht anders aus“, sagte Cotar. „Bis 2025 mit Gigabitnetzen die beste Infrastruktur der Welt zu haben, das wird als Ziel nicht erreicht werden“, prognostizierte Cotar zum Thema Netzausbau. Auch die Position der Bundesregierung im Trilog-Verfahren auf der europäischen Ebene rund um das Thema Uploadfilter kritisierte Cotar als „Zensur im großen Stil“.
Sören Bartol (SPD) bescheinigte Deutschland eine Mittelfeld-Position beim Thema Digitalisierung. „Es besteht Nachholbedarf. Deutschland kann und will digitaler werden“, sagte er. In der Umsetzungsstrategie habe man zusammengefasst, was jetzt und in den kommenden Jahren passieren müsse. Mit den 5 Milliarden Euro aus dem DigitalPakt stehe nun „endlich Geld bereit, dass die Schulen brauchen können, damit digitale Tafeln zum Alltag gehören“, erläuterte Bartol. Mit der nationalen Weiterbildungsstrategie stelle die SPD zudem sicher, dass sich nicht nur Berufe, sondern auch Menschen weiterentwickeln. Dies sei entscheidend für den Einzelnen, aber auch für die Unternehmen.
Mit Blick auf Investitionen appellierte er an die Unternehmen, bereits jetzt auf neue Produkte und Modelle zu setzen und nicht nur bestehende Geschäftsmodelle zu digitalisieren. „Auch bei der KI sind wir spät, dafür arbeiten wir jetzt umso konsequenter an der Seite Frankreichs, um Expertise und Infrastruktur aufzubauen“, sagte Bartol mit Blick auf das deutsch-französische-KI-Cluster. Damit alle von der Digitalisierung profitierten, müsse über andere Anreizsysteme nachgedacht werden, an hochwertige Daten zu kommen, und diese nicht nur einigen wenigen Konzernen zu überlassen. „Das verhinderte Innovation von kleinen und mittleren Unternehmen und kann nicht im Sinne des Staates und der Wirtschaft sein“, betonte Bartol.
Opposition kritisiert Strategie als Sammelsurium
„Wenn das die Strategie sein soll, muss ich davon ausgehen, dass es keine gibt und geben wird“, kritisierte Frank Sitta (FDP) die Bundesregierung. Die Strategie sei „ein Sammelsurium äußerst unterschiedlicher Maßnahmen“, die nicht gewichtet oder priorisiert würden. „KI und die Unterstützung des Mittelstands bei der digitalen Transformation stehen in der Strategie direkt neben dem smarten Kühlschrank“, sagte Sitta. Er kritisierte, dass in der Strategie nicht über Ressortgrenzen hinweg und nach inneren Zusammenhängen, sondern nach Schlagworten des Koalitionsvertrages geclustert worden sei. Sitta forderte, „das Silodenken zu beenden“ und Themen wie KI, den 5G-Ausbau und die Förderung von Start-Ups nicht weiter getrennt voneinander zu betrachten. Nur dann könne ein Dialog und Wettbewerb mit innovationsoffeneren Ländern entstehen. Ein Digitalministerium könne die fachliche Koordination leiten und Deutschland digitaler und zukunftsfit machen. „Das wäre Smart Germany und dazu werden wir hier ein Konzept vorstellen“, kündigte Sitta an.
Auch Anke Domscheit-Berg (Die Linke) kritisierte, dass die vorgelegte Strategie eine Sammlung von Einzelmaßnahmen sei, „ohne Start- und Endtermine, Kostenaufstellung und Ergebnisse“. In vielen der definierten Maßnahmen fehle es zudem an konkreten Umsetzungsschritten. „Offensichtlich hat niemand die Maßnahmen koordiniert, sonst würde die Förderung der Digitalkompetenz im ländlichen Raum zu einer gemeinsamen Sache erklärt und alle Ministerien hätten digitale Beteiligungsmöglichkeiten geplant“, kritisierte die Linken-Vertreterin. Der Begriff Open Source stehe zudem nur in einer einzigen Maßnahme, die in Afrika angesiedelt sei. Die Abgeordnete kritisierte weiter, dass der Ausbau von Glasfasernetzen aktiv behindert würde und betonte, dass die Förderung kommunaler Glasfasernetze ebenfalls in der Strategie fehle. Es mangele in der Strategie zudem die Ausrichtung auf das Gemeinwohl, sagte Domscheit-Berg: Ein Förderprogramm für gemeinwohlorientierte Start-ups suche man dort vergeblich.
FDP: Vorreiterrolle bei Verschlüsselung versäumt
Dieter Janecek (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf die Proteste deutscher Start-ups hin, die im Zuge der Entscheidung zum Uploadfilter zu Protesten gegen die Bundesregierung aufgerufen hätten. Auch er betonte, dass in der Strategie eine Priorisierung der einzelnen Maßnahmen fehle und wies darauf hin, dass einzelne digitalpolitische Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag nicht in die Umsetzungsstrategie Eingang gefunden hätten: „Wo steht in der Strategie, dass wir Vorreiter bei der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung werden wollen und dass Security by design gesetzlich verankert werden soll?“, fragte Janecek. Auch vermisse er die Forderung des Koalitionsvertrages, WLAN an öffentlichen Einrichtungen des Bundes und in den Zügen und Stationen der Deutschen Bahn einzuführen, sowie die Einführung eines bundeseinheitlichen E-Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr. „Wir wollen den Anschluss finden an die skandinavischen Staaten und Österreich und nicht weiter in der zweiten Liga spielen“, appellierte Janecek an die Bundesregierung.
„Es ist gut, dass wir zum ersten Mal alle Maßnahmen transparent aufgearbeitet haben und Ziele und Umsetzungsschritte definiert haben“, betonte Nadine Schön (CDU/CSU). Es gehe dabei nicht um eine „Summe von Einzelmaßnahmen, sondern der Ansatz sei, zum ersten Mal nach Handlungsfeldern zu sortieren und nicht in Ressorts, sondern vernetzt zu denken“, betonte Schön. Den Vorwurf, es gebe keine Priorisierung wies sie mit Blick auf den gestern verabschiedeten DigitalPakt Schule zurück: „Der Digitalpakt war die prioritäre Maßnahme und es lag nicht an uns, dass es so lange gedauert hat“, sagte Schön. Die Abgeordnete wies zudem darauf hin, dass die Strategie nun fortgeschrieben werden müsse und es nötig sei, an einigen Punkten noch konkreter zu werden. Auch was den zeitlichen Horizont angehe, dürfe man nicht im Jahr 2021 stehen bleiben. Zudem sei es nötig, die Strategie in einen europäischen Kontext zu stellen und die nötigen haushälterischen Mittel dafür bereitzustellen, betonte Schön.
Fünf Handlungsfelder
In der Unterrichtung beschreibt die Regierung, welche Schwerpunktvorhaben die Ministerien identifiziert haben, um digitalpolitische Maßnahmen strategisch umzusetzen. Im Kern besteht die Strategie aus fünf Handlungsfeldern: digitale Kompetenz, Infrastruktur und Ausstattung, Innovation und digitale Transformation, Gesellschaft im digitalen Wandel sowie moderner Staat. Ziel sei es, die Strategie kontinuierlich weiterzuentwickeln, so die Bundesregierung, weshalb unter www.digital-made-in.de das Erreichen der Ziele gemessen und veröffentlicht werde. Das Thema Sicherheit sei dabei bewusst kein eigenes Handlungsfeld, da Sicherheit „eine grundlegende Voraussetzung für nachhaltige und erfolgreiche Digitalisierung“ sei, heißt es in der Unterrichtung weiter. (lbr/sas/21.02.2019)