Deutliche Kritik hat die Opposition in der Debatte zur „Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung“ am Freitag, 15. Februar 2019, geäußert. Die Strategie der Bundesregierung sei zu unkonkret, zu mutlos, es werde zu wenig Geld „in die Hand“ genommen. Joana Cotar (AfD) warf Bundesministerin Anja Karliczek (CDU) vor, mit dem vorliegenden Papier „keine Wende“ zu schaffen, Mario Brandenburg (FDP) fehlten messbare Indikatoren, Dr. Petra Sitte (Die Linke) mahnte mehr ethische Kriterien an und Dieter Janecek (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, künstliche Intelligenz (KI) für die ökologische Wirtschaft zu nutzen.
Die Bundesregierung will die KI als Schlüsseltechnologie fördern. KI sei der Treiber des Wandels, des Zusammenlebens und der Arbeit. Anja Karliczek sagte: „Wir wollen Deutschland zu einem weltweit führenden KI-Standort machen.“ KI habe ein riesiges Potenzial für die gesamte Wirtschaft, eben auch für die mittleren Unternehmen. Dafür will die Bundesregierung bis 2025 etwa drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Im Bundeshaushalt 2019 sind bereits Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro veranschlagt.
KI könne das Leben spürbar leichter machen und zu großen Lösungen entscheidend beitragen. Karliczek nannte die Bereiche Gesundheit und insbesondere den Kampf gegen Krebs wie auch das Ziel, den Verkehr sicherer zu machen und die Chance, Antworten für eine „kluge Energiewende“ zu liefern.
Karliczek kündigte an, hundert KI-Professuren schaffen zu wollen und unterstrich, dass bereits vier Forschungszentren für KI in Deutschland gegründet worden seien. Diese würden zu einem Netzwerk mit weiteren Standorten ausgebaut werden. Sie sagte: „Wir wollen eine Exzellenz in ganz Deutschland.“
Joana Cotar sagte, man könne nicht von einer Strategie sprechen, es sei eher „Stückwerk“ und machte deutlich: „KI ist eine der wichtigsten Schlüsseltechnologien der Zukunft. Für manche ist es sogar die Stunde Null der Wirtschaft.“ Es seien massive Investitionen nötig, um sich den Herausforderungen stellen zu können. China und die USA würden es vormachen. Die 500 Millionen Euro pro Jahr, die die Bundesregierung zur Verfügung stellen will, nannte sie „einen Tropfen auf den heißen Stein“.
Das sei bei Weitem nicht genug, um „ganz vorn mitspielen“ zu können. Sie unterstrich, dass in China bis 2030 umgerechnet 150 Milliarden Dollar investiert werden sollen und sagte: „Rechnen Sie sich aus, wer in Zukunft führender Standort für KI sein wird.“
Manja Schüle (SPD) wies die Vorwürfe der Opposition zurück und sagte: „Zu wenig, zu wenig ambitioniert, das kann ich nicht erkennen.“ Sie zählte auf: Zwölf KI-Zentren sollen gegründet werden, hundert zusätzliche Professuren würden eingerichtet, jedes ostdeutsche Bundesland erhalte ein Zukunftszentrum und die nächsten fünf Jahre unterstütze Deutschland ein europäisches Innovationscluster. „Das ist kein Hausaufgabenheft, sondern eine Umsetzungsstrategie.“
Diskutieren müsse Deutschland, wie es mit den Daten umgehen soll. Der Zugang zu Daten entscheide über Innovationskraft eines Landes. Sie sagte: „Wir brauchen Anreizsysteme, um mit unseren Daten zu kooperieren. Das ermöglicht Innovation und Wettbewerb.“ Grundsätzlich gehe es um einen sorgsamen Umgang mit Daten. Dabei werde Deutschland weder Menschen wie in China überwachen noch würden Daten ausschließlich ökonomisch verwertet werden wie in den USA. In Deutschland stehe der Mensch im Mittelpunkt, nicht als Objekt, sondern als mündiger Bürger.
Mario Brandenburg warf der Bundesregierung ebenfalls vor, keine wirkliche Strategie entwickelt zu haben und insbesondere keine klaren messbaren Zielkriterien definiert zu haben. Es sei völlig unklar, wer bei der KI-Strategie den Hut auf habe.
Während andere Länder mit klaren Zielsetzungen, klaren Zuständigkeiten und gebündelter Kompetenz an dieses Thema herangingen, komme Deutschland mit dem „Debattierbus“ mit drei federführenden Ministerien, 16 Bundesländern einer digitalen Staatsministerin und einem Bundesminister für besondere Aufgaben an. Brandenburg sagte: „Dies ist ein Problem“ und forderte die Einrichtung eines Digitalministeriums.
Petra Sitte machte in ihrer Rede zunächst auf die Chancen von KI aufmerksam und sagte: „Wir sprechen für die vorhersagbare Zukunft von selbstlernenden Systemen, die Erfahrungen in der Mustererkennung sammeln und dann entscheiden.“ In einzelnen Bereichen wie der Bilderkennung oder beim Schach seien diese Systeme teilweise mindestens genauso gut wie Menschen oder auch noch besser.
Aber wie bei jeder Technologie liege die Verantwortung für den Einsatz und die ethische Konzeption bei den Menschen. Die KI-Strategie der Bundesregierung kündige zwar an, sie wolle dem Menschen dienen, aber im Konkreten vermisse man genau diese Ebene. „Die Logik dieses Papiers besteht darin, rein wettbewerbsorientiert, rein standortpolitisch zu denken.“
Dieter Janecek plädierte dafür, die Tausenden von verschiedenen Anwendungen so zu bündeln, dass sie gemeinsinnorientiert wirken und den Ressourcenverbrauch in der Ökonomie nicht steigern, sondern senken. „Das Letzte was Deutschland braucht, sind marktbeherrschende monopolistische Markt- und Machtstrukturen durch KI.“ Er plädierte für einen fairen Wettbewerb in Deutschland, auch gerade wegen der vielen „Nischenweltmarktführer“, den vielen kleinen und mittleren Unternehmen.
Janecek warf der Bundesregierung vor, dass die ökologische Wirtschaft in der Strategie der Bundesrepublik fehle, ganz anders als in der französischen Strategie. KI müsse für die Senkung des Ressourcenverbrauchs eingesetzt werden, ebenso wie für die intelligente Steuerung im Bereich der Mobilität und für eine moderne Aussteuerung der Energienetze.
Für die CDU/CSU verteidigt Andreas Steier das Konzept der Bundesregierung. Die digital getriebenen Anwendungen müssten mit Physik und Mechanik vereinbart werden. So könne neue Wertschöpfung geschaffen werden, und es komme zudem die traditionelle Stärke der deutschen Industrie zur Geltung. Dazu bündle die Bundesregierung die Kräfte.
Auch Steier ging auf das Thema Daten ein. Es gehe darum, einerseits einen ethischen Rahmen, der der deutschen Moral entspricht, zu definieren und andererseits genug Freiraum für Entwicklungen zuzulassen. „Das ist die entscheidende Frage“, so Steier. Denn es müsse auch zukünftig sichergestellt werden, dass in Deutschland Daten gespeichert werden können. Grundsätzlich gehe es darum, die Strategie der Bundesregierung jetzt zu konkretisieren.
Oppositionsanträge abgelehnt
Der Bundestag überwies die „Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung“ (19/5880) im Anschluss an die Debatte zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.
Abgelehnt wurden hingegen Anträge der AfD (19/6062), der FDP (19/5629) und von Bündnis 90/Die Grünen (19/5667). Der AfD-Antrag wurde mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Der Antrag der FDP wurde ebenfalls abgelehnt – mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Linker bei Stimmenthaltung der Fraktionen AfD und Bündnis 90/Die Grünen gegen das Votum der FDP. Gegen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen stimmten die Fraktionen der Regierungskoalition sowie die AfD, dafür votierten die Antragsteller und Die Linke bei Enthaltung der FDP. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hatte dazu eine Beschlussempfehlung (19/7742) vorgelegt.
Regierung: KI wichtig für „Wettbewerbsfähigkeit des Landes“
Um Künstliche Intelligenz in Deutschland zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern, will die Bundesregierung laut ihrer Strategie bis 2025 etwa drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Die Regierung erwartet, dass diese Mittel eine „Hebelwirkung“ in Wirtschaft, Wissenschaft und Ländern entfalten, die dazu führt, dass sich die verfügbaren Mittel mindestens verdoppeln. In ihrer Strategie skizziert sie Ziele und Handlungsfelder für die kommenden Jahre.
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen Forschung, Entwicklung und Anwendung der KI in Deutschland und Europa auf ein „weltweit führendes Niveau“ gebracht werden. „Artificial Intelligence (AI) made in Germany“ solle zu einem weltweit anerkannten Gütesiegel werden, heißt es in der Strategie. Zweites Ziel der Bundesregierung ist die „verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Entwicklung und Nutzung von KI“. Als drittes Ziel ist in der Strategie vorgesehen, einen breiten gesellschaftlichen Dialog zu führen, um KI „ethisch, rechtlich, kulturell und institutionell in die Gesellschaft“ einzubetten.
AfD: Doppelförderung bei KI vermeiden
Die AfD-Fraktion forderte in ihrem Antrag mit dem Titel „Künstliche Intelligenz – Forschung und Anwendung für den Innovationsstandort Deutschland und zum Wohl unserer Gesellschaft fortentwickeln“ die Bundesregierung unter anderem auf, zur Förderung von Technologietransfer und Unternehmensgründungen nicht nur internationale und überregionale Kompetenzzentren einzurichten, sondern auch regionale „Innovationscluster“ zur Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft.
Beim Aufbau des virtuellen deutsch-französischen Forschungs- und Innovationsnetzwerks und beim europäischen Innovationscluster zur Künstlichen Intelligenz sei darauf zu achten, deren Arbeit eng mit den virtuellen Forschungs- und Innovationsnetzwerken des European Institute of Innovation & Technology der Europäischen Union abzustimmen, um Doppelförderung zu vermeiden, heißt es in dem Antrag.
FDP fordert genaue Zielvorgaben in KI-Strategie
Die FDP-Fraktion verlangte von der Bundesregierung, die für Dezember angekündigte Strategie zur Künstlichen Intelligenz (KI) erfolgsorientiert auszurichten. Die Liberalen schlugen vor, „genaue Zielvorgaben“ zu identifizieren und ein „Benchmark“ für die Erfüllung dieser Ziele zu entwickeln.
Perspektivisch sollte die Bundesrepublik nach den Vorstellungen der FDP in diesem Bereich zu den USA und China aufschließen. Weitere Forderungen der Liberalen bezogen sich beispielsweise auf die Forschungsförderung, auf Patentanmeldungsprozesse und die Bereitstellung von Wagniskapital.
Grüne: Globalen Rahmen für Erforschung von KI nutzen
Die Grünen plädierten dafür, Künstliche Intelligenz auf Grundlage europäischer Werte zu entwickeln und zum Wohl von Gesellschaft und Umwelt zu gestalten. Neben der europäischen Einbettung der deutschen KI-Strategie müsse auch der globale Rahmen für die Erforschung, die Entwicklung und den Einsatz von KI stärker genutzt werden, forderten die Abgeordneten.
Die Bundesregierung sollte sich deshalb dafür einsetzen, dass unter dem Dach der Vereinten Nationen ein Dialog zu globalen Rahmenbedingungen für KI geschaffen wird, heißt es in der Vorlage. (rol/scr/hau/vst/15.02.2019)